Expertenhearing zum Impfpflichtgesetz
APA/Roland Schlager
Gesundheitsausschuss

Fachleute zu Impfpflicht angehört

Der Gesundheitsausschuss im Parlament setzt sich am Montag mit dem Entwurf für die CoV-Impfpflicht auseinander. Nach wochenlanger Begutachtung und einem Rekord an Stellungnahmen wurde ja zuletzt ein teils entschärfter Entwurf vorgestellt. Für Spannung sorgte das Fachleute-Hearing im Ausschuss – weil jede Partei einen Experten bzw. eine Expertin aus unterschiedlichen Fachrichtungen nominierte.

Dem Hearing vorausgegangen war die Präsentation des Entwurfs seitens der Regierung am Sonntag. Anfang Februar soll das Gesetz in Kraft treten, wobei es eine Eingangsphase ohne Strafen bis Mitte März gibt. Gelten wird sie für Personen ab 18 Jahren. Ausnahmen gibt es für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, sowie für Genesene (sechs Monate). Der Strafrahmen reicht von 600 bis 3.600 Euro. Man sei auf Bedenken eingegangen – die Impfpflicht solle „kein Drüberfahren sein“, so Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Im Gesundheitsausschuss wurde diese Ansicht nicht uneingeschränkt geteilt. Völkerrechtsexperte Michael Geistlinger, von der FPÖ nominiert, übte erwartungsgemäß Kritik an dem geplanten Gesetz. Er gab an, eine Verletzung des Rechts auf Privatleben und mehrerer damit zusammenhängender Grundrechte zu orten. Auch würden noch nicht ausreichend Daten vorliegen, monierte der Professor der Universität Mozarteum in Salzburg. Es stelle sich die Frage, wie jemand, der sich nicht impfen lässt, ins Leben eines Geimpften eingreife, sagte der von der FPÖ nominierte Experte.

Lachmayer: „Verfassungsrechtlich gerechtfertigt“

Der Vizedekan der Sigmund-Freud-Privatuniversität, Konrad Lachmayer – er wurde von NEOS entsandt – bezeichnete den Vorschlag als „verfassungsrechtlich gerechtfertigt“. Omikron bestätige, dass sich danach auch neue Varianten bilden könnten, darum sei die Impfpflicht als verhältnismäßig anzusehen, so Lachmayer. Den Informationspflichten des Staates sei „Genüge getan worden“. Der Eingriff wiege schwer, aber die drohenden Gefahren „wiegen schwerer“, sagte der Experte.

Susanne Rabady, Allgemeinmedizinerin und Mitglied des Beraterstabs des grün geführten Gesundheitsministeriums, verwies auf die Vermeidung des Kollapses des Gesundheitssystems und auch des Gesamtsystems. Milde Verläufe, und derer gebe es jetzt enorm viele, verdienten das Wort „mild“ oft nicht, so Rabady. Da müsse man noch gar nicht über „Long Covid“ sprechen. Es gebe mehrere Wege aus der Pandemie: Kontaktbeschränkungen seien ein „rauer Weg“, mit Impfungen könne man eine Abschwächung der Wellen erreichen („mit weit weniger Leid“).

Sebesta: „Jede Impfung bietet einen hohen Schutz“

Christian Sebesta, Facharzt für Innere Medizin in der Klinik Donaustadt (von der SPÖ nominiert) verwies auf die hohe Wirkung der Impfung („jede Impfung bietet einen hohen Schutz“). Das sei durch eine Vielzahl von Publikationen gesichert, so Sebesta. Geimpfte würde seltener erkranken – auch seien sie vergleichsweise keine Bedrohung als Überträger. Impfreaktionen seien „harmlos und folgenlos“, die Erkrankungen an Covid-19 seien hingegen gefährlicher, sagte der Experte. Auch bei Omikron sei die Impfung wirksam, dazu präsentierte Sebesta Daten aus Südafrika und Großbritannien.

Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Uni Wien (wie Rabady von der Regierung nominiert), sagte, die Maßnahme werde die Gesellschaft „gut vorbereiten“ für den kommenden Herbst und auch für das Frühjahr danach. Das Gesetz habe einen Rahmencharakter und bleibe „flexibel“. Es unterliege auch einer durchgehenden Prüfung und Kontrolle. „Es geht nicht darum, dass das Gesetz eine verhältnismäßige Maßnahme gegen Omikron ist, es geht um die Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Impfpflicht, die zu einer nachhaltigen Immunisierung der Bevölkerung führen soll“, so Wendehorst. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit seien derzeit erfüllt, wie das in Zukunft aussehe, sei abzuwarten.

„Wird für die nächsten Wellen helfen“

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte, man schaffe mit dem Gesetz einen großen Schritt im Kampf gegen die Pandemie. Ziel des Gesetzes sei kein Abflachen der Omikron-Kurve. „Die Impfpflicht wird uns für die nächsten Wellen helfen“, so Mückstein. Es handle sich also um keine Akutmaßnahme, sondern um „eine nachhaltige und vorausschauende Maßnahme“. Man habe versucht, „ein breites gesellschaftliches Fundament zu erzielen“, sagte der Gesundheitsminister. Hinter der Impfpflicht stehe „ein Solidaritätsgedanke“.

Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne)
APA/Roland Schlager
Gesundheitsminister Mückstein im Gesundheitsausschuss

Beschluss im Ausschuss erwartet

Am Montagabend soll der Ausschussbeschluss des Gesetzesentwurfes folgen – mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie jener von SPÖ und NEOS, deren Abgeordnete das Vorhaben zum überwiegenden Teil mittragen. Die FPÖ kritisierte davor ein weiteres Mal das Vorhaben. Am Donnerstag ist dann der Nationalratsbeschluss geplant. Es reicht eine einfache Mehrheit, über diese verfügt die Koalition sowohl im National- als auch im Bundesrat. In Kraft treten soll die Impfpflicht nach dem für 3. Februar geplanten Bundesratsbeschluss.

Gelindere Mittel? Funk: „Erfahrung und Zeit fehlt“

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht „aus der Argumentationslage (der Regierung, Anm.) heraus eine Entwicklung, dass man dem Gesetz Verfassungskonformität bescheinigen“ könne, wie er gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte. Man könne derzeit nur prognostizieren, Einschätzungen könnten sich freilich später noch „als falsch herausstellen“, so Funk. Man könne aber aufgrund der Pandemielage nicht warten, bis alle Informationen „wissenschaftlich gesichtet“ seien, so Funk. Zur Frage, ob gelindere Mittel vorhanden sein könnten, fehlten derzeit „Erfahrungsgrundlagen und Zeit“, so Funk.

Indes äußert der Salzburger Verfassungsrechtler Benjamin Kneihs mehrere Bedenken hinsichtlich des Entwurfs. Das Ziel des Gesetzes sei völlig unklar definiert, außerdem sei es problematisch, dass ein Impfstatus zum Strafdelikt werde – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Abweichler wohl zumindest bei NEOS

Das Gesetz wird von SPÖ und NEOS mitgetragen, wenn auch nicht mit voller Begeisterung. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach am Sonntag von einem „praktikablen Entwurf“, forderte aber noch Klarstellungen. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger betonte, sie unterstütze wie eine Mehrheit der NEOS-Abgeordneten die Impfpflicht. Der NEOS-Klub wird am Donnerstag im Nationalrat jedenfalls mehrheitlich, aber nicht geschlossen für die Impfpflicht stimmen – von 15 Abgeordneten dürften mindestens drei dagegen sein.

Sozialsprecher Gerald Loacker hatte bereits angekündigt, gegen die Impfpflicht zu stimmen. Er nannte einerseits den bürokratischen Aufwand als Grund für seine Entscheidung, andererseits auch virologische Argumente. Neben Loacker werden voraussichtlich auch Johannes Margreiter und Fiona Fiedler nicht zustimmen, war aus dem Klub zu vernehmen. Mandatarin Stephanie Krisper will noch den finalen Gesetzestext durcharbeiten.

SPÖ-Gewerkschafter äußern sich nicht

Auch die Gewerkschafter in der SPÖ halten ihr Stimmverhalten offen: So wollte sich etwa Sozialsprecher Josef Muchitsch nicht äußern – bis zur Abstimmung am Donnerstag werde es von ihm kein Statement geben. Der burgenländische Nationalratsabgeordnete Christian Drobits, ebenfalls Gewerkschafter, postete in sozialen Netzwerken, dass er sich seit Wochen intensiv auf die Entscheidung vorbereite und die letzten Tage vor der Abstimmung dazu nutzen werde, „um eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen treffen zu können“.

Skepsis äußerte im Vorfeld auch der Salzburger SPÖ-Chef David Egger. Er ließ am Montag noch offen, ob er dem nun vorliegenden Entwurf im Bundesrat zustimmen wird oder nicht. „Ich verstehe nach wie vor nicht den engen Zeitplan der Regierung in einer so zentralen Frage.“ Die Überarbeitung des Gesetzesentwurfs habe zwar einige Verbesserungen gebracht, es seien aber noch immer sehr viele Fragen offen, etwa arbeitsrechtlicher Natur.

FPÖ sieht „viel zu viele Fragen offen“

In einer Pressekonferenz vor dem Ausschuss begründeten die Freiheitlichen ein weiteres Mal ihre Ablehnung. „Aus unserer Sicht sind viel zu viele Fragen offen und unbeantwortet, als dass diese Impfpflicht in Kraft treten könnte“, meinte der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. Der unter anderem von der FPÖ angeführte Protest habe aber auch Wirkung gezeigt. So habe die Regierung ihr Vorhaben in einigen Punkten abgeschwächt, so Kaniak.

„Wir haben keinen gerechtfertigten Eingriff in unsere Grundrechte“, befand wiederum FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst. Das Gesetz diene auch „keineswegs dem Schutz der Gesundheit“, sie brachte nicht näher genannte „Kollateralschäden“ ins Rennen.

Als Experten holten die Freiheitlichen wie später im Gesundheitsausschuss den Experten Michael Geistlinger aufs Podium, der bereits die Genfer Flüchtlingskonvention infrage gestellt hatte. Seine Bedenken konzentrieren sich auf die vorläufige Zulassung der Impfstoffe, da noch zahlreiche Daten vermisst würden.

WKÖ: Impfen „bester und einzig wirksamer Schutz“

Hinsichtlich des Entwurfs erfreut gab sich die Wirtschaftskammer (WKO): Impfen sei „nachweislich der beste und einzig wirksame Schutz vor Hospitalisierung und Intensivbehandlung“, so WKO-Präsident Harald Mahrer und WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Sie sahen ihre Vorschläge aufgegriffen – unter anderem zeigte man sich von der Eingangsphase angetan, die den noch Ungeimpften Zeit gibt, die Impfung nachzuholen.

Auch vom steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) kam Zustimmung: „Die Impfpflicht ist notwendig, damit wir alle wieder unsere Freiheit zurückbekommen“, sagte er. Angesichts von Ängsten und Sorgen in der Bevölkerung sei es wichtig, „dass Information und Aufklärung über die Impfung im Gesetz, das wohl eher zu spät als zu früh kommt, entsprechend berücksichtigt wurden“.

Doskozil hält indirekte Pflicht für besser

Indes sagte der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteichef Hans Peter Doskozil, er halte eine „indirekte Impfpflicht“ nach wie vor für besser als das nun vorliegende Gesetz für die Impfpflicht. Am Rande eines Pressetermins in Neudörfl (Bezirk Mattersburg) am Montag bekräftigte er: „Eine indirekte Impfpflicht über kostenpflichtige Tests wäre mir lieber gewesen“ – mehr dazu burgenland.ORF.at.