Pflegekraft auf einer Intensivstation
APA/Barbara Gindl
„Covid-Klarheit“

Pandemie verstärkt Wunsch nach Jobwechsel

Die Arbeitsmärkte leiden weltweit nach wie vor unter den Folgen der CoV-Pandemie. Zu diesem Schluss kommt ein am Montag von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) präsentierter Bericht. Zudem hat die Krise laut ILO-Chef Guy Ryder bei vielen Beschäftigten den Wunsch nach einem Jobwechsel verstärkt. Das Phänomen werde als „Covid-Klarheit“ bezeichnet, so Ryder.

Menschen seien sich in der Pandemie klar darüber geworden, dass ihre Arbeit nicht ihre Erwartungen erfülle oder sie nicht die gewünschte Anerkennung bekämen. Viele Menschen seien aus diesen und anderen Gründen nicht aktiv auf Arbeitssuche. Die wahre Zahl der Arbeitslosen sei deshalb sicher höher als es offizielle Statistiken nahelegten, sagte Ryder.

In einzelnen Branchen werde es durch das Phänomen zunehmend schwieriger, Positionen zu besetzen, so Ryder. Als Beispiele nannte er bei einer Pressekonferenz in Genf den Pflegebereich, die Gastronomie und den Einzelhandel. Die ILO ist eine Sonderorganisation der UNO.

Pandemie belastet Arbeitsmärkte stärker als erwartet

Für den österreichischen Jobmarkt erwartet AMS-Vorstand Johannes Kopf für dieses Jahr „sensationelle Prognosen“. „Sie versprechen fünf Prozent Wirtschaftswachstum – das ist wie in den Siebzigern. 2022 wird das Jahr der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir werden ganz viele Branchen sehen, die sich unglaublich bemühen müssen, um Arbeitskräfte zu finden. Da geht es um Abwerben, Konkurrenz zwischen den Branchen, Arbeitszeit, Vereinbarkeit, Kinderbetreuung“, sagte Kopf dem „Standard“.

Mehrere Heizstrahler in einem Gastgarten
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Die Gastronomie ist laut ILO-Chef Ryder eine jener Branchen, aus der sich viele Beschäftigte verabschieden

In vielen Weltregionen sieht es laut dem aktuellen ILO-Bericht deutlich weniger rosig aus. Die Erholung des weltweiten Arbeitsmarktes wird sich laut ILO bis mindestens 2023 hinziehen. Die ILO senkte in ihrem am Montag veröffentlichen Ausblick ihre bisherige Prognose für 2022. Sie prognostiziert ein Defizit bei den weltweit geleisteten Arbeitsstunden, das im Vergleich zum vierten Quartal 2019 und damit vor der CoV-Krise rund 52 Millionen Vollzeitstellen entspricht.

„Aussichten nach wie vor fragil“

Zuletzt hatte die Organisation nur ein halb so großes Defizit erwartet. Die Fachleute schätzen die Zahl der Arbeitslosen für 2022 auf 207 Millionen, verglichen mit 186 Millionen 2019, dem Jahr vor Beginn der Pandemie. Hauptgrund für den düsteren Ausblick sei die anhaltende Pandemie mit ihrer Omikron-Variante, sagte ILO-Chef Ryder.

„Zwei Jahre nach Beginn der Krise sind die Aussichten nach wie vor fragil, und der Weg zur Erholung ist langsam und ungewiss“, fügte Ryder hinzu. „Wir sehen bereits jetzt potenziell dauerhafte Schäden auf den Arbeitsmärkten sowie eine besorgniserregende Zunahme von Armut und Ungleichheit.“

Viele Menschen seien gezwungen, auf neue Formen von Arbeit umzusteigen – etwa als Reaktion auf den Einbruch im internationalen Reiseverkehr und Tourismus. Es könne keine wirkliche Erholung von der Pandemie geben, wenn sich der Arbeitsmarkt nicht auf breiter Basis belebe, betonte Ryder.

Südostasien und Lateinamerika besonders betroffen

Europa und Nordamerika zeigen dem Bericht zufolge ermutigende Anzeichen für einen Aufwärtstrend, während Südostasien sowie Lateinamerika und die Karibik die schlechtesten Aussichten hätten. „Auf nationaler Ebene ist die Erholung des Arbeitsmarktes in den Ländern mit hohem Einkommen am stärksten, während Volkswirtschaften mit niedrigem und mittlerem Einkommen am schlechtesten abschneiden“, sagte Ryder.