Neben den Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne stimmten auch SPÖ und NEOS zu, deren Abgeordnete das Vorhaben zum überwiegenden Teil mittrugen. Lediglich die FPÖ, die eine Impfpflicht kategorisch ablehnt, war nicht mit an Bord. Nach dem Beschluss im Gesundheitsausschuss geht es für den Entwurf dann im Nationalrat weiter – am Donnerstag soll dort der Beschluss erfolgen. In Kraft treten soll die Impfpflicht nach dem für 3. Februar geplanten Bundesratsbeschluss.
Im Plenum des Nationalrats werden die SPÖ- wie auch die NEOS-Abgeordneten das Impfpflichtgesetz wohl mit breiter Mehrheit mittragen. Vor Beginn der Sitzung des Gesundheitsausschusses am Montag machte SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger klar, dass die SPÖ-Fraktion aller Voraussicht nach im Plenum geschlossen für die Impfpflicht stimmen dürfte.
Stöger: SPÖ wird „nationalen Schulterschluss mittragen“
Stöger gab vor Beginn der Sitzung zu verstehen, er könne zwar nicht für jeden einzelnen Abgeordneten sprechen, die SPÖ diskutiere aber immer intern und trete dann geschlossen auf. Zur innerparteilicher Skepsis – insbesondere aus den Reihen der roten Gewerkschafter – sagte Stöger, viele davon seien „wütend“, weil die Impfpflicht nur nötig geworden sei, weil die Regierung gesagt habe, „Covid ist erledigt“. Damit verwies der Abgeordnete auf jene Kampagne der ÖVP aus dem Sommer, bei der unter anderem der Slogan „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft“ verwendet wurde.
Gleichzeitig betonte Stöger, dass die Impfung notwendig sei: „Die Covid-Impfung ist jetzt das Mittel der Wahl.“ Für die Sozialdemokratie werde es notwendig sein zu sagen „Lasst Euch impfen“. „Daher werden wir diesen nationalen Schulterschluss auch mittragen.“
„Ordentliches Begutachtungsverfahren“
Die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, verteidigte die Impfpflicht Montagabend im Interview mit der ZIB2. Niemand wisse, wie die Lage nach der aktuellen Omikron-Welle etwa im Herbst sein werde. Experten und Expertinnen gingen davon aus, dass es weitere Varianten des Virus geben könne, die verpflichtende Impfung diene dem Schutz vor einer nächsten Welle. Sie sei das „beste Mittel zur Beendigung der Pandemie“, so Maurer.
Klubobfrau Maurer (Grüne) zum Impfpflichtgesetz
Trotz Skeptikern in allen Parteien wird die Impfpflicht mit breiter Mehrheit durch den Hauptausschuss des Parlaments gehen. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer verteidigte die Entscheidung der Regierung.
Den Einwand, dass das Gesetz quasi im Schnellverfahren durchgeboxt worden sei, ließ Maurer so nicht gelten. Es sei wichtig gewesen, „ein ordentliches Begutachtungsverfahren zu machen“, schließlich habe man den Entwurf mit den beiden Oppositionsparteien SPÖ und NEOS „verhandelt und abgerundet“, jetzt könne der Beschluss kommen. Die Impfung sei auch ein solidarischer Akt, sagte Maurer, es gehe nicht nur um den eigenen Schutz, sondern auch um den Schutz derer, die sich – aus unterschiedlichen begründeten Ursachen – nicht gegen das Virus immunisieren lassen können.
Grüne auf Distanz zu parteiinternen Kritikern
Die Grünen distanzierten sich auch von Kritikern der Impfpflicht in den eigenen Reihen. Der von ihnen nominierte Dornbirner Stadtrat Martin Hämmerle muss nach einem vielkritisierten „Faschismus“-Sager seine Funktion zurücklegen, sagte Maurer in der ZIB2. Parteimitglied sei er keines. Die Mitgliedschaft von Ex-Parteichefin Madeleine Petrovic, die sich wiederholt höchst impfskeptisch geäußert hat, sei ruhend gestellt.
Maurer betonte, dass die Grünen in Bund, Ländern und im Klub „zu 100 Prozent hinter der Impfpflicht“ stünden. Petrovics Äußerungen seien „keine Position der grünen Partei und zu 100 Prozent abzulehnen“. Die frühere Bundessprecherin (1994 bis 1996) und niederösterreichische Landessprecherin (2002 bis 2015) habe keine Funktion mehr in der Partei.
Einige Abweichler bei NEOS
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, deren Partei in der Frage teils gespalten ist, sagte, es würden elf der 15 Abgeordneten im Plenum am Donnerstag jedenfalls für das Gesetz stimmen, eine – Stephanie Krisper – prüfe noch. Bereits zuvor war klar geworden, dass mindestens drei der Abgeordneten – darunter Sozialsprecher Gerald Loacker – gegen das Vorhaben votieren werden.
Meinl-Reisinger selbst wird zustimmen. Sie begründete das damit, dass die Pandemie mittlerweile alle satthätten und man das Leben „mit allen Freiheiten“ wieder zurückwolle – und zu diesem Zustand führe die Impfung. Sie verwies auch darauf, dass es vor allem darum gehe, einen weiteren Lockdown im Herbst 2022 zu verhindern. Man habe nun erstmals die Chance, „schneller als das Virus“ zu sein.
Von FPÖ geladener Völkerrechtler Geistlinger übte Kritik
Auch die von den Parlamentsfraktionen in den Ausschuss geladenen Fachleute betonten zum überwiegenden Teil, dass es bei der Impfpflicht um eine längerfristige Perspektive gehe. Auch bewertete die Mehrheit das geplante Gesetz als verhältnismäßige Maßnahme. Die von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS geladenen Ärzte und Wissenschaftler verwiesen auch darauf, dass das Gesetz verfassungsrechtlich zulässig sei. Lediglich der von der FPÖ geladene Völkerrechtler Michael Geistlinger übte scharfe Kritik.
Die Impfung sei ein wirksames und sicheres Mittel – und vor allem vermutlich das wirksamste Mittel, das bis Herbst 2022 in der Pandemiebekämpfung zur Verfügung stehen werde, sagte die von ÖVP und Grünen geladene Rechtswissenschaftlerin Christiane Wendehorst von der Universität Wien.
Die ebenfalls von den Regierungsfraktionen gemeinsam geladene Vizepräsidentin der Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Susanne Rabady, sagte, es gehe um die Vermeidung des Kollapses des Gesundheitssystems, aber auch des Gesamtsystems: Es müsse verhindert werden, dass es (durch Infektionen und Quarantänen) zu einem „unkontrollierten Auto-Lockdown“ komme. Die natürliche Immunität alleine schützte nur sehr unzureichend vor anderen Varianten, auch zahle man auf diesem Weg einen sehr hohen Preis, sagte sie mit Blick auf Länder mit vielen Infektionen wie etwa Südafrika. Auch würden mehrere Rezidive notwendig sein, bis eine nachhaltige Immunität erreicht werde.
Die Impfung schütze hingegen klar vor einem schweren Verlauf, „die ist nach drei Impfungen gesichert“, betonte Rabady – auch wenn der Schutz natürlich mit der Zeit abnehme. Mit der Impfung könne man die Beschleunigung der Immunitätsrate in der Bevölkerung mit geringerem persönlichem Leid erreichen, auch könne man so in den Wellen ein erträglicheres Plateau erreichen als ohne Impfung.
„Wirkung der Impfung eindeutig und unzweifelhaft“
Der auf Wunsch der SPÖ in den Ausschuss gekommene Internist Christian Sebesta von der Klinik Donaustadt betonte die Sicherheit und Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe: „Es ist in aller Klarheit festzustellen, dass alle auf dem Markt verfügbaren Impfstoffe ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Profil aufweisen.“ Die Auswirkungen einer Infektion sind um mehrere Zehnerpotenzen gravierender und gefährlicher für den Einzelnen, betonte er. „Die Wirkung der Impfung ist eindeutig und unzweifelhaft nachgewiesen.“
Die Impfung wirke auch gegen Omikron, betonte Sebesta. Auch würden Geimpfte – und zwar auch bei Omikron – eine deutlich geringere Krankheitslast tragen. Er verwies aber darauf, dass der Gemeinschaftsschutz durch die Impfung bei der Omikron-Variante erst bei einer Durchimpfungsrate von 90 Prozent und mehr wirksam werde. Österreich liege derzeit deutlich darunter. „Die Pandemie ist noch nicht gemeistert“, betonte er. Auch „Long Covid“ lasse sich in seiner Bedeutung „noch gar nicht abschätzen, wird durch die Impfung aber mit Sicherheit verringert“. Auch die Vermeidung sekundärer Schäden durch die Pandemie könne durch die Impfung hintangehalten werden.
Lachmayer: „Verfassungsrechtlich zulässig“
Für den von NEOS eingeladenen Juristen Konrad Lachmayer von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien wiegt der Eingriff in die Grundrechte durch die Impfpflicht schwer – aber die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems „wiegt schwerer“. „Der vorliegende Vorschlag ist als verfassungsrechtlich zulässig und sachlich gerechtfertigt zu erachten“, betonte er. Gehandelt werden müsse jetzt vor allem in Hinblick auf den Herbst 2022, „damit sich die Überlastung des Gesundheitssystems nicht wiederholt“.
Klar ablehnend kommentierte die Pläne hingegen der von der FPÖ geladene Salzburger Völkerrechtler Geistlinger. Er verwies unter anderem auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8) verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das er als verletzt ansieht. Auch wiederholte er seine bereits zuvor geäußerte Kritik hinsichtlich der Zulassung der Impfstoffe und verwies auf eine mangelnde Datenlage.

Gelindere Mittel? Funk: „Erfahrung und Zeit fehlt“
Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht „aus der Argumentationslage (der Regierung, Anm.) heraus eine Entwicklung, dass man dem Gesetz Verfassungskonformität bescheinigen“ könne, wie er gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte. Man könne derzeit nur prognostizieren, Einschätzungen könnten sich freilich später noch „als falsch herausstellen“, so Funk. Man könne aber aufgrund der Pandemielage nicht warten, bis alle Informationen „wissenschaftlich gesichtet“ seien, so Funk. Zur Frage, ob gelindere Mittel vorhanden sein könnten, fehlten derzeit „Erfahrungsgrundlagen und Zeit“, so Funk.
Indes äußert der Salzburger Verfassungsrechtler Benjamin Kneihs mehrere Bedenken hinsichtlich des Entwurfs. Das Ziel des Gesetzes sei völlig unklar definiert, außerdem sei es problematisch, dass ein Impfstatus zum Strafdelikt werde – mehr dazu in salzburg.ORF.at.
Mückstein: „Wird uns für die nächsten Wellen helfen“
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte im Ausschuss, man schaffe mit dem Gesetz einen großen Schritt im Kampf gegen die Pandemie. Ziel des Gesetzes sei kein Abflachen der Omikron-Kurve. „Die Impfpflicht wird uns für die nächsten Wellen helfen“, so Mückstein. Es handle sich also um keine Akutmaßnahme, sondern um „eine nachhaltige und vorausschauende Maßnahme“. Man habe versucht, „ein breites gesellschaftliches Fundament zu erzielen“, sagte der Gesundheitsminister. Hinter der Impfpflicht stehe „ein Solidaritätsgedanke“.
Ab 18 verpflichtend, mehrere Ausnahmen
Der überarbeitete Entwurf zur Impfpflicht wurde erst am Sonntag von der Regierung vorgestellt. Starten soll die verpflichtende CoV-Impfung Anfang Februar, dabei ist eine Eingangsphase ohne Strafen bis Mitte März vorgesehen. Betroffen sein werden alle Personen ab 18 Jahren mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in Österreich. Sie müssen künftig ein gültiges Impfzertifikat vorweisen. Ausnahmen gibt es für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können sowie für Genesene (bis sechs Monate nach der Genesung). Der Strafrahmen reicht von 600 bis 3.600 Euro.