Ukrainische Soldaten in der Nähe von Luhansk
Reuters/Alexander Ermochenko
Diplomatie gefragt

Ukraine-Krise wird zum Gesprächsmarathon

In der Ukraine-Krise geben sich die Außenminister- und -ministerinnen in einem Gesprächsmarathon die Klinke in die Hand. Man will die mögliche Gefahr eines bewaffneten Konflikts außerhalb des Bürgerkriegsgebietes abwenden. Großbritannien will unterdessen eine Waffenlieferung in die Ukraine schicken – sehr zum Unmut des Kremls. Und auch ein geplantes Manöver von Russland und Belarus an der ukrainischen Grenze sorgt für Aufregung.

Die Spannungen im Ukraine-Konflikt nahmen zuletzt stark zu. Verhandlungen zwischen den USA und Russland, im NATO-Russland-Rat sowie im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der vergangenen Woche blieben weitgehend ergebnislos. Russland hatte ein Ende der NATO-Osterweiterung gefordert sowie einen Verzicht auf Aufnahme der Ukraine in das Bündnis. Mit einem neuen Anlauf und dem Einsatz von Diplomatie hoffen etwa Deutschland, aber auch die USA nun, dass Bewegung in die verfahrene Situation kommt.

US-Außenminister Antony Blinken reiste angesichts der Zuspitzung des Konflikts nach Kiew und Berlin. Die Reise folge auf intensive Bemühungen, mit den europäischen Partnern eine gemeinsame Reaktion auf die Bedrohung Russlands für die Ukraine zu finden, teilte das US-Außenministerium am Dienstag mit. Blinken traf Mittwochvormittag in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski.

Blinken unterstrich vor US-Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt die Entschlossenheit der USA, die Ukraine zu unterstützen – was umgehend Kritik aus dem Kreml hervorrief. Der Truppenaufmarsch Russlands an der ukrainischen Grenze mit über 100.000 Soldaten gebe Präsident Wladimir Putin die Möglichkeit, sehr schnell weitere aggressive Handlungen vorzunehmen, sagte Blinken. Er warnte vor einer „sehr kurzfristigen“ Aufstockung der Truppen.

Auch Notfallplanung auf dem Programm

Zuvor hatte ein hochrangiger US-Beamter bestätigt, dass Washington weitere Sicherheitshilfen in Höhe von 200 Millionen Dollar (rund 176 Mio. Euro) für die Ukraine bereitstellt. Es handle sich um eine Unterstützung „im Bereich der defensiven Sicherheit“. Vor den russischen Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze hatte die US-Regierung bereits Militärhilfen in Höhe von 450 Millionen Dollar (rund 396 Mio. Euro) für das Land zugesagt.

Blinken trifft in Kiew auch mit seinem Amtskollegen Dmytro Kuleba zusammen. Am Donnerstag will er dann in Berlin unter anderen die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) treffen. Es soll außerdem einen Austausch mit Partnern aus Großbritannien und Frankreich geben. Es sollten gemeinsame Bemühungen zur Abschreckung weiterer russischer Aggressionen gegen die Ukraine besprochen werden, so das US-Außenministerium. Am Freitag soll Blinken dann auch seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow treffen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock
APA/AFP/Maxim Shemetov
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hofft auf auf ein Treffen im „Normandie-Format“

Baerbock: Friedensprozess „wieder mit Leben füllen“

Baerbock sprach sich am Dienstag bei einem Treffen mit Lawrow für eine rasche Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen im Ukraine-Konflikt aus. Das sei wichtig für die Sicherheit in Europa, sagte die Grünen-Politikerin vor Journalisten nach ihrem Gespräch mit Lawrow am Dienstag in Moskau. Dazu solle ein nächstes Treffen im „Normandie-Format“ zusammenkommen – also auf Vermittlung Deutschlands und Frankreichs mit der Ukraine und Russland. Lawrow betonte, dass Russland sich dabei nicht als Konfliktpartei sehe.

Der russische Außenminister Sergey Lavrov
AP/Maxim Shemetov
Der russische Außenminister Sergej Lawrow begleitet den Ukraine-Konflikt seit seinem Beginn

Es sei wichtig, den „Normandie-Prozess“ wieder mit Leben zu füllen, sagte Baerbock – wie auch am Vortag bei ihrem Besuch in der Ukraine. Es sei gut, dass sich alle zum Minsker Friedensplan bekannt hätten. Zu den von Russland geforderten Sicherheitsgarantien an den Westen sagte Baerbock: „Wir sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über gegenseitige Vereinbarungen und Schritte, die allen in Europa mehr Sicherheit bringen.“ Lawrow erklärte, dass Russland jetzt auf schriftliche Vorschläge aus dem Westen warte.

EU-Außenbeauftragter pessimistisch

Der lettische Präsident Egils Levits forderte unterdessen den Westen auf, dem aggressiven Auftreten Russlands mehr entgegenzusetzen. „Dass sich Russland sehr aggressiv gegenüber der Ukraine verhält“, sei ein Grund zur Sorge, sagte Levits am Dienstag im Deutschlandfunk. Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es nicht mehr eine so reale Kriegsgefahr gegeben.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell befürchtet nach eigenen Worten eine „De-facto-Integration“ der Ostukraine in Russland. Er sei „mit Blick auf die nicht von Kiew kontrollierten Regionen“ im Osten des Landes „zusehends besorgt“, sagte Borrell am Montag bei einer Sitzung des Europaparlaments in Straßburg.

Bereits mehr als 13.000 Tote

Die von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen in der Ostukraine entfernten sich „immer weiter von der Ukraine“ und rückten „immer näher an Russland heran“, sagte Borrell. Es drohe insbesondere eine schrittweise „De-facto“-Eingliederung des Donbass in Russland.

In der Ostukraine herrscht seit rund acht Jahren Krieg zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Seit die Separatisten 2014 in Donezk und Luhansk „unabhängige Volksrepubliken“ ausriefen, wurden mehr als 13.000 Menschen getötet.

Britische Waffenlieferung erzürnt Kreml

Der Kreml hat die Lieferung von leichten Panzerabwehrwaffen aus Großbritannien an die Ukraine kritisiert. „Das ist äußerst gefährlich und trägt nicht zum Abbau der Spannungen bei“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Moskau sei besorgt, dass das Nachbarland Ukraine von immer mehr Waffenlieferanten versorgt werde. Oft handle es sich dabei nicht nur um defensive Waffen.

Nach den Worten des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace soll mit der Lieferung die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine verbessert werden. „Es handelt sich nicht um strategische Waffen, und sie stellen keine Bedrohung für Russland dar. Sie sollen zur Selbstverteidigung eingesetzt werden“, sagte er im Parlament.

US Staatssekretär Antony Blinken
Reuters
US-Außenminister Antony Blinken sucht nach einem Weg aus der Ukraine-Krise

Manöver an ukrainischer Grenze nächsten Monat

Belarus und Russland wollen im Februar ein gemeinsames Manöver auch an der EU-Außengrenze abhalten. Das belarussische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Dienstag Fotos, die russische Panzer und Militärlastwagen auf Eisenbahnwaggons zeigten. Die Einsatz- und Gefechtsübungen seien vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen in Europa an der belarussischen Grenze zu den Nachbarn Polen und der Ukraine notwendig, sagte Generalmajor Oleg Woinow der Mitteilung zufolge bei einem Treffen mit ausländischen Militärvertretern.

Die Übung „Alliierte Entschlossenheit“ soll vom 10. bis 20. Februar abgehalten werden. Bis zum Beginn sollten alle Truppen verlegt sein, sagte Woinow. Das Manöver war zuvor bereits von Machthaber Alexander Lukaschenko ohne ein genaues Datum angekündigt worden. Es solle darauf abzielen, eine mögliche Konfrontation mit dem Westen abzuwenden, sagte er.

Ukraine warnt vor Verbleib russischer Truppen

Die USA und die NATO beklagen seit Monaten einen großen Aufmarsch russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze. Sie befürchten, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Russland wies das mehrfach zurück. Das russische Militär hält mit seinem engen Verbündeten Belarus regelmäßig Übungen ab. Der Westen hat gegen den Machtapparat in Belarus bereits mehrfach Sanktionen verhängt. Das belarussische Regime ist nun noch abhängiger von der Rückendeckung Russlands als zuvor.

Das Manöver soll nach belarussischen Angaben auch im Süden und Westen der Ex-Sowjetrepublik abgehalten werden. Dort grenzt das Land etwa an Polen und die Ukraine. Ziel sei es, die Sicherheit des Unionsstaates von Belarus und Russland zu gewährleisten, sagte der Generalmajor. Das müsse regelmäßig geübt werden. In der Ukraine wird immer wieder gewarnt, dass die russischen Truppen nach den Manövern nicht wieder in ihre Kasernen zurückkehrten.