Nationalrat, Wien
ORF.at/Roland WInkler
Breite Mehrheit fix

Nationalrat entscheidet über Impfpflicht

Ob Ukraine, „ökosoziale Steuerreform“, Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes, aktueller Finanzausgleich, diverse Rechnungshofberichte oder ein neuerlicher Antrag zur Auslieferung von FPÖ-Chef Herbert Kickl: Am Donnerstag steht im Nationalrat ein dichtes Programm auf der Tagesordnung. Im Zentrum der 139. NR-Sitzung steht freilich die Debatte zum Covid-19-Impfpflichtgesetz.

Der Beschluss der Impfpflicht gilt nach dem grünen Licht im Gesundheitsausschuss zwar nur noch als Formsache. Das Thema lässt dennoch die Wogen nach wie vor hochgehen. Erwartet wird eine turbulente Debatte im Plenum – erwartet werden aber auch Proteste rund um das Parlamentsausweichquartier in der Hofburg. Die Polizei erinnerte jedenfalls schon an die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes. Demzufolge dürfen während der Zusammenkunft des Nationalrates, Bundesrates und auch eines Landtages im Umkreis von 300 Metern keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Das nun in Beschlussfassung vorliegende Gesetzesvorhaben wurde nach einem dreistündigen Expertenhearing bereits am Montag im Gesundheitsausschuss von einer breiten Mehrheit abgesegnet. Neben der ÖVP und den Grünen gab es auch von der SPÖ und Teilen von NEOS grünes Licht. Gänzlich abgelehnt wird das Impfpflichtgesetz von der FPÖ.

SPÖ erwartet Anreizsystem, NEOS Lockerungen

Erklärtes Ziel des Gesetz ist die Steigerung der Durchimpfungsrate. Hier sei eine Impfpflicht „ein gelinderes Mittel, um die unkontrollierte Virusverbreitung zu verhindern, als Betretungsverbote“, wie die Parlamentskorrespondenz die Argumentation der Regierungsfraktionen per Aussendung zusammenfasst.

Die SPÖ wird der Impfpflicht wohl geschlossen zustimmen. Eine entsprechende Erwartungshaltung äußerte der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Gleichzeitig berichtete er von einer gemeinsamen Initiative mit der Koalition, Anreize für die Impfung zu etablieren. Er gehe davon aus, dass ein solches Anreizsystem kommen werde, so Leichtfried. „Wir müssen auch schauen, dass wir Anreize schaffen“, sagte dazu Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal.

NEOS-Klubobmann Gerald Loacker drängte im Vorfeld der Parlamentsdebatte indes auf eine mit der Impfpflicht einhergehenden stufenweisen Lockerung der CoV-Maßnahmen. „Die Bundesregierung muss rasch einen Fahrplan auf den Tisch legen, um die massiven Einschränkungen unseres täglichen Lebens zurückzufahren“, verlangte Loacker in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Festhalten am Fahrplan

Im parlamentarischen Gesundheitsausschuss wurden am Montag noch einige wesentliche Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Impfpflicht-Gesetzesentwurf vorgenommen, wie unter anderem die Anhebung der Altersgrenze für die Impfpflicht auf 18 Jahre, die Umsetzung im Rahmen eines Stufenmodells und die Etablierung eines begleitenden Monitorings des Gesetzes durch eine neue Kommission im Bundeskanzleramt.

Am generellen Fahrplan, also der Einführung der Impfpflicht ab Anfang Februar, wird trotz vieler kritischer Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren festgehalten. Bis 15. März gibt es eine „Eingangsphase“, in der noch keine Strafen verhängt werden sollen. Ab dann drohen für das Fehlen eines Impfnachweises Strafen von 600 bis 3.600 Euro. Ausnahmen sind etwa für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, vorgesehen. Auch Genesene werden der Gesetzesvorlage zufolge für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgenommen.

Verstärkung der Kontrollen

Neben dem Impfpflichtgesetz stehen im Plenum zwei weitere mit diesem im Zusammenhang stehende Ausschussanträge zur Debatte. Einer betrifft die einstimmig angenommenen Änderungen im Impfschadengesetz. Hier geht es nach den Worten der Parlamentskorrespondenz „primär um die unmittelbare gesetzliche Verankerung der Covid-19-Impfungen, wodurch sich bei Impfschäden ein direkter Entschädigungsanspruch ergibt“.

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde im Gesundheitsausschuss zudem eine Novellierung des Covid-19-Maßnahmengesetzes und des Epidemiegesetzes abgesegnet, die eine Anhebung der Strafrahmen und der Höchststrafen sowie eine Verstärkung der Kontrollen beinhaltet.

Comeback der Wohnzimmertests

Vor der Nationalratssitzung geht es bereits im Hauptausschuss um die nächste Novelle zur CoV-Schutzmaßnahmenverordnung. Diese umfasst auch das sich in den letzten Tagen bereits abzeichnende Comeback der Wohnzimmer-CoV-Test vor. Ansonsten enthält die Verordnung keine großen Neuigkeiten. Die Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte bleiben – nunmehr mindestens bis 30. Jänner – ebenso bestehen wie die Sperrstunde in der Gastronomie.

Abstimmung über „ökosoziale Steuerreform“

Der erste Tagesordnungspunkt in der Nationalratssitzung widmet sich dann nicht der CoV-Pandemie, sondern der Ukraine-Krise. Konkret geht es im Rahmen einer Aktuellen Stunde um das Thema „Russland – Ukraine: Ein starkes Österreich muss die EU aktiv unterstützen, den Frieden in Europa zu erhalten.“

Unmittelbar darauf folgt mit der auf mehrere Gesetze aufgeteilte „ökosozialen Steuerreform“ der erste große Themenschwerpunkt des Tages. Das Vorhaben markiert Österreichs Einstieg in die CO2-Bepreisung. Vorgesehen ist eine mit Juli startende und bis Dezember 2023 laufende Einführungsphase. Im Rahmen des Reformvorhabens sollen unter anderem die zweite und dritte Tarifstufe der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt sowie Geringverdienerinnen über die Erhöhung des Sozialversicherungsbonus und des Pensionistenabsetzbetrags entlastet werden. Zur Abstimmung steht auch ein Klimabonus, der die neue CO2-Bepreisung abfedern soll.

Finanzausgleich bis Ende 2023 verlängert

Nächster Tagesordnungspunkt ist der aktuelle Finanzausgleich – also die Verteilung der Steuermittel zwischen den Gebietskörperschaften. Dieser wird vorerst für zwei Jahre bis Ende 2023 verlängert. Ohne eine entsprechende Regelung hätten bereits 2021 die Verhandlungen über die neue Finanzausgleichsperiode ab 2022 geführt werden müssen.

Nach einem Themenwechsel zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wechselt das Plenum schließlich auf die – ungeachtet der sich abzeichnenden breiten Zustimmung – wohl turbulent verlaufende Debatte zur Impfpflicht und weiteren CoV-Vorgangsweise. Diese umfasst auch zwei Anträge der Opposition: Die SPÖ wünscht sich zur Schutzimpfung zusätzlich noch eine Aufklärungs- und Informationskampagne, die FPÖ einen „Plan B“.

Arzneimittel, Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Petitionen

In der Folge behandeln die Abgeordneten unter anderem durch EU-Recht notwendig gewordene und im Gesundheitsausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedete Novellierungen im Arzneimittelgesetz und einzelner Bestimmungen im Gentechnikgesetz.

Mit einer breiten Mehrheit kann dann eine Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) rechnen, die unter anderem eine Aussetzung der Ökostrompauschale im Jahr 2022 mit sich bringt. Umgesetzt werden mit dem Dreiparteienantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen vor allem auch beihilferechtliche Anpassungen beim Ausbau erneuerbarer Energieformen in Bezug auf das EU-Notifikationsverfahren zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Nach einem NEOS-Entschließungsantrag betreffend ein Verbot von Konversions- und anderen reparativen Therapieformen an Minderjährigen wird sich der Nationalrat auch mit einem Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen befassen. Die insgesamt sechs Bürgeranliegen behandeln unter anderem den Erhalt von Dorfläden, die Sicherstellung regionaler Lebensmittelversorgung, Platzprobleme in Schulbussen und den Schutz von Arbeitnehmerinnen vor krebserregenden Stoffen am Arbeitsplatz.

RH-Berichte von Zentralmatura bis Smart Meter

Bevor am Ende des Sitzungstags etwaige Vorlagen des Immunitätsausschusses in Verhandlung genommen werden, befasst sich der Nationalrat mit über 20 Berichten des Rechnungshofs (RH). Diese umfassen etwa den Bereich Schule mit Zentralmatura, Schüler- und Schülerinnenbetreuung, Unterricht für Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung, zum Europäischen Sozialfonds, zur HTL Spengergasse sowie zu Erasmus+.

Weitere RH-Berichte umfassen Hochschulen und Wissenschaft. So überprüfte der RH etwa die Forschungs- und Wissenschaftskommunikation im Bildungs-, im Wissenschafts- und im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und vermisste dabei etwa eine gemeinsame Strategie.

Weitere Berichte bzw. Überprüfungen drehen sich um ausgewählte Stiftungen. Schließlich beschäftigen sich die Abgeordneten mit Rechnungshofberichten zur Landwirtschaft und Umwelt. Verbesserungsbedarf sieht der RH etwa beim Risikomanagement in der Landwirtschaft durch die öffentliche Hand. Weitere zur Debatte stehenden RH-Berichte reichen von der Finanzplanung des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrums für Wald, Naturgefahren und Landschaft bis zur Einführung intelligenter Messgeräte (Smart Meter).

Auslieferungsantrag wegen fehlender Maske

Nach den Diskussionen über die RH-Berichte könnte im Plenum über die Aufhebung der Immunität von FPÖ-Klubobmann Kickl abgestimmt werden. Konkret geht es um das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung. Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres wird Kickl vorgeworfen, er habe bei einer Demonstration gegen die Coronavirus-Maßnahmen die FFP2-Maskenpflicht nicht eingehalten, weswegen eine Verwaltungsstrafe droht.