Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
APA/Roland Schlager
Impfpflicht

Auch „Anreiz- und Belohnungspaket“ kommt

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Donnerstag vor der im Nationalrat anstehenden Abstimmung über die Impfpflicht ein „Anreiz- und Belohnungspaket“ angekündigt. Das zusammen mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner skizzierte Paket umfasst finanzielle Unterstützung für Gemeinden – und eine Impflotterie mit hoher Trefferquote, bei der Gutscheine im Wert von 500 Euro warten.

Mit der Impflotterie soll jeder zehnte Geimpfte eine Chance haben zu gewinnen. Das gilt für jene, die schon geimpft sind, und jene, die sich erst impfen lassen. Konkret gibt es für jede Teilimpfung eine Gewinnmöglichkeit – wer dreimal geimpft ist, kann also auch dreimal gewinnen. Start der Lotterie soll am 15. März sein, so Nehammer – also parallel zum Inkrafttreten der Kontrollen der Impfpflicht.

Die zu gewinnenden Gutscheine im Wert von 500 Euro sollen bei österreichischen Betrieben einzulösen sein – im Handel, der Gastronomie, in Hotels, Kultur- und Sporteinrichtungen. Der Onlinehandel soll möglichst ausgenommen werden. Abwickeln soll die Lotterie der ORF gemeinsam mit Partnern.

Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) zum „Anreizpaket“

Zusätzlich zur Coronavirus-Impfpflicht wird es künftig auch ein „Anreiz- und Belohnungspaket“ geben. Das kündigte Bundeskanzler Karl Nehammmer (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner an.

„Es ist kein Oder, es ist ein Und“

Für die Gemeinden soll es ein finanzielles Anreizsystem geben. Bei einer Impfquote von 80 Prozent wird ein Basisbetrag von insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet, bei 85 Prozent sind es insgesamt 150 Millionen und bei 90 Prozent insgesamt 300 Millionen. Als Beispiel nannte Nehammer eine durchschnittliche Gemeinde mit 3.000 Einwohnern, die bei 80 Prozent 30.000 Euro bekommen soll, bei 85 Prozent 60.000 Euro und bei 90 Prozent 120.000 Euro.

Das Paket ist laut Nehammer eine Belohnung für alle, die schon geimpft sind. Zusätzlich soll es einen Anreiz darstellen für alle, die noch unsicher und noch nicht geimpft sind. „Es ist kein Oder, es ist ein Und.“ Insgesamt sind für die Maßnahmen bis zu 1,4 Milliarden Euro reserviert – bis zu eine Mrd. Euro für die Lotterie und bis zu 400 Mio. Euro für die Gemeinden.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
APA/Roland Schlager
Das „Anreizsystem“ stellte die Regierungsspitze gemeinsam mit SPÖ-Chefin Rendi-Wagner vor

„Weiterentwickelte Form“

So wie Nehammer verteidigte auch Kogler einmal mehr die Impfpflicht: „Auf diese Weise wird die Freiheit der vielen geschützt – das erfordert den Eingriff in individuelle Rechte, damit wir aus der Dauerschleife Lockdown bzw. massive Eingriffe und Lockerungen herauskommen.“ Man sei sich auch klar, dass man nicht alle erreichen werde: „Man muss nicht jedem Neonazi hinterherrennen.“ Wichtig ist laut Kogler, dass es sich um ein Impfpflichtrahmengesetz handelt, „das immer wieder angepasst werden kann“.

„Wir müssen uns aus der ständigen Gefährdung des Gesundheitssystems, der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes mittelfristig und nachhaltig befreien“, begründete Rendi-Wagner die Maßnahmen. Mit Verweis auf den von der SPÖ geforderten 500-Euro-Impfgutschein zeigte sich Rendi-Wagner erfreut, „dass die Bundesregierung diesen Vorschlag aufgenommen hat und in einer weiterentwickelten Form umsetzen wird“.

Lob von WKÖ und Gemeindebund

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sieht in dem Paket Forderungen der Wirtschaftskammer (WKO) aufgegriffen. WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf sagte, dass es auch um die Boosterimpfung gehe. Denn die Impfzertifikate von knapp 900.000 Menschen würden im Februar ablaufen. Positiv sei, dass es Anreize und Belohnungen für Gemeinden und Einzelpersonen gebe und dass Gewinne der Impflotterie in Form von Gutscheinen ausbezahlt werden. Auch der Handelsverband sieht eine schon länger gestellte Forderung „doch noch“ vor der Umsetzung, wenn auch „nicht für alle“.

Auch der Gemeindebund begrüßte wenig überraschend das Vorhaben. „Als Gemeindebund waren wir auch in die Vorberatungen intensiv eingebunden. Diese Anreize sollen nun noch mehr Menschen zur wichtigen Corona-Schutzimpfung motivieren“, sagte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP).

„Auf letzten Metern entgegengekommen“

ORF-Reporter Fritz Jungmayr berichtet aus dem Parlament über die Nationalratssitzung, bei der die Impfpflicht beschlossen wird. Was das nun angekündigte Gutscheinsystem betrifft, sind einander Regierung und SPÖ „auf den letzten Metern auf halbem Weg noch entgegengekommen“.

Breite Mehrheit für Impfpflicht erwartet

Über den Antrag auf das angekündigte „Anreiz- und Belohnungspaket“ stimmt der Nationalrat noch am Donnerstag ab. Im Plenum wird zudem eine breite Mehrheit für das ebenfalls zur Abstimmung stehende Impfpflichtgesetz erwartet. Die ÖVP werde Nehammer zufolge geschlossen für die Impfpflicht stimmen.

Rendi-Wagner und Kogler schlossen einzelne Gegenstimmen aus ihren Fraktionen nicht aus. Bei den Grünen bleibt etwa die Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic der Nationalratssitzung fern, weil sie der Vorlage nicht zustimmen will.

Das Thema Impfung lässt die Wogen nach wie vor hochgehen. Erwartet wird eine turbulente Debatte im Plenum – erwartet werden aber auch Proteste um das Parlamentsausweichquartier in der Hofburg. Die Polizei erinnerte im Vorfeld an die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes: Während der Zusammenkunft des Nationalrates, Bundesrates und auch eines Landtages dürfen im Umkreis von 300 Metern keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden. In der Früh versammelten sich dort dennoch einige Impfgegnerinnen und -gegner – mehr dazu in wien.ORF.at.

Impfpflichtgegner demonstrieren in Wien

Wie angekündigt haben sich Impfgegner und Impfgegnerinnen in Wien versammelt, um gegen den Beschluss der CoV-Impfpflicht im Nationalrat zu demonstrieren.

NEOS fordert Lockerungen

Erklärtes Ziel des Gesetzes ist die Steigerung der Durchimpfungsrate. Hier sei eine Impfpflicht „ein gelinderes Mittel, um die unkontrollierte Virusverbreitung zu verhindern, als Betretungsverbote“, wie die Parlamentskorrespondenz die Argumentation der Regierungsfraktionen per Aussendung zusammenfasste.

NEOS-Klubobmann Gerald Loacker drängte im Vorfeld der Parlamentsdebatte indes auf eine mit der Impfpflicht einhergehende stufenweise Lockerung der CoV-Maßnahmen. „Die Bundesregierung muss rasch einen Fahrplan auf den Tisch legen, um die massiven Einschränkungen unseres täglichen Lebens zurückzufahren“, verlangte Loacker in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Das Gesetzesvorhaben wurde nach einem dreistündigen Expertenhearing bereits am Montag im Gesundheitsausschuss von einer breiten Mehrheit abgesegnet. Neben der ÖVP und den Grünen gab es auch von der SPÖ und Teilen von NEOS grünes Licht. Gänzlich abgelehnt wird das Impfpflichtgesetz von der FPÖ.

Festhalten am Fahrplan

Im parlamentarischen Gesundheitsausschuss wurden noch wesentliche Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Impfpflicht-Gesetzesentwurf vorgenommen, wie unter anderem die Anhebung der Altersgrenze für die Impfpflicht auf 18 Jahre, die Umsetzung im Rahmen eines Stufenmodells und die Etablierung eines begleitenden Monitorings des Gesetzes durch eine neue Kommission im Bundeskanzleramt.

Am generellen Fahrplan, also der Einführung der Impfpflicht ab Anfang Februar, wird trotz vieler kritischer Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren festgehalten. Bis 15. März gibt es eine „Eingangsphase“, in der noch keine Strafen verhängt werden sollen. Ab dann drohen für das Fehlen eines Impfnachweises Strafen von 600 bis 3.600 Euro. Ausnahmen sind etwa für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, vorgesehen. Auch Genesene werden der Gesetzesvorlage zufolge für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgenommen.

Verstärkung der Kontrollen

Neben dem Impfpflichtgesetz stehen im Plenum weitere mit diesem im Zusammenhang stehende Ausschussanträge zur Debatte. Einer betrifft die einstimmig angenommenen Änderungen im Impfschadengesetz. Hier geht es nach den Worten der Parlamentskorrespondenz „primär um die unmittelbare gesetzliche Verankerung der Covid-19-Impfungen, wodurch sich bei Impfschäden ein direkter Entschädigungsanspruch ergibt“.

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde im Gesundheitsausschuss zudem eine Novellierung des Covid-19-Maßnahmengesetzes und des Epidemiegesetzes abgesegnet, die eine Anhebung der Strafrahmen und der Höchststrafen sowie eine Verstärkung der Kontrollen beinhaltet.

Comeback der Wohnzimmertests

Vor der Parlamentssitzung verlängerte der Hauptausschuss des Nationalrates die Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung mit den Stimmen der Regierungsparteien um weitere zehn Tage. Damit werden einerseits die Wohnzimmertests wieder zugelassen und andererseits der Lockdown für Ungeimpfte fortgeführt.

Im Gegensatz zur Impfpflicht und dem zuvor angekündigten „Anreiz- und Belohnungspaket“ zur Steigerung der Impfquote lehnte auch die SPÖ die Zustimmung der bisher immer mitgetragenen Verordnungen ab. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried begründete das damit, dass der Lockdown für Ungeimpfte „offenbar wirkungslos und durch die kommende Impfpflicht auch obsolet“ sei.

NEOS stimmte wie schon bei den letzten Verlängerungen auch diesmal dagegen – und die FPÖ lehnt die COV-Maßnahmen der Regierung grundsätzlich ab.

Abstimmung über „ökosoziale Steuerreform“

Im ersten Tagesordnungspunkt der im Anschluss angelaufenen Nationalratssitzung ging es um die Ukraine-Krise. Nach der Aktuellen Stunde zum Thema „Russland – Ukraine: Ein starkes Österreich muss die EU aktiv unterstützen, den Frieden in Europa zu erhalten“ stand dann die „ökosoziale Steuerreform“, der erste große Themenschwerpunkt des Tages, auf der Agenda. Das Vorhaben markiert Österreichs Einstieg in die CO2-Bepreisung.

Nach dem aktuellen Finanzausgleich und einem weiteren Themenwechsel zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wechselte das Plenum am Nachmittag auf die – ungeachtet der sich abzeichnenden breiten Zustimmung – wohl turbulent verlaufende Debatte zur Impfpflicht und weiteren CoV-Vorgangsweise. Diese umfasst unter andere auch einen FPÖ-Antrag für einen „Plan B“. Klubchef Herbert Kickl eröffnete die als „historisch“ bezeichnete Impfpflichtdebatte mit einer Schimpftirade.

Arzneimittel, Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, RH-Berichte

Als weitere Tagesordnungspunkte warten dann noch eine Novellierung des Arzneimittelgesetzes und einzelner Bestimmungen im Gentechnikgesetz. Mit einer breiten Mehrheit kann dann eine Novelle des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) rechnen, die unter anderem eine Aussetzung der Ökostrompauschale im Jahr 2022 mit sich bringt. Umgesetzt werden mit dem Dreiparteienantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen vor allem auch beihilferechtliche Anpassungen beim Ausbau erneuerbarer Energieformen in Bezug auf das EU-Notifikationsverfahren zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Nach einem NEOS-Entschließungsantrag betreffend ein Verbot von Konversions- und anderen reparativen Therapieformen an Minderjährigen wird sich der Nationalrat auch mit einem Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen befassen. Bevor am Ende des Sitzungstags etwaige Vorlagen des Immunitätsausschusses in Verhandlung genommen werden, befasst sich der Nationalrat noch mit über 20 Berichten des Rechnungshofs (RH).

Auslieferungsantrag wegen fehlender Maske

Nach den Diskussionen über die RH-Berichte könnte im Plenum über die Aufhebung der Immunität von FPÖ-Klubobmann Kickl abgestimmt werden. Konkret geht es um das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung. Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres wird Kickl vorgeworfen, er habe bei einer Demonstration gegen die Coronavirus-Maßnahmen die FFP2-Maskenpflicht nicht eingehalten, weswegen eine Verwaltungsstrafe droht.