Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Nationalrat

Ökosteuerreform beschlossen

Vor der derzeit dominierenden Impfpflicht hat der Nationalrat eines der größten Prestigeprojekte der ÖVP-Grünen-Koalition beschlossen – die ökosoziale Steuerreform. Sie bringt die CO2-Bepreisung, die beim Erreichen des Ziels der CO2-Neutralität bis 2030 helfen soll. Im Gegenzug wurde der Klimabonus als soziale Ausgleichsmaßnahme fixiert – und viele weitere Maßnahmen. Die Regierungsparteien lobten eine 18-Milliarden-Entlastung, die Opposition übte teils scharfe Kritik und sieht die Entlastung durch die Inflation quasi bereits aufgefressen.

Von der Systematik her bedeutendster Schritt ist die CO2-Bepreisung. Die Einführungsphase erfolgt mit Juli und dauert bis Dezember 2023. Als Ausgleichsmaßnahme ist ein regionaler Klimabonus vorgesehen. Dieser beträgt je nach Region zwischen 100 und 200 Euro pro Kopf. Die zweite Einkommensteuer-Tarifstufe wird von 35 Prozent auf 30 Prozent gesenkt, auch die Körperschaftssteuer sinkt, und zwar stufenweise von 25 auf 24 Prozent im Jahr 2023 und auf 23 Prozent 2024.

Letzterer Punkt war jener, der die SPÖ an der Reform am meisten störte. Finanzsprecher Kai Jan Krainer fragte: „Warum machen Sie die Welt schlimmer?“ Mit der Senkung der Konzernsteuer bekämen zwei Prozent der größten Betriebe 80 Prozent des Entlastungsvolumens: „Sie machen Politik für die ganz großen Konzerne.“ Würde es der Koalition um die Kleinen gehen, würde sie die Mindest-KöSt senken.

ÖVP: „Größte Steuerentlastung“

ÖVP-Klubobmann August Wöginger wies diese Kritik zurück. Seiner Ansicht nach geht es bei der Maßnahme darum, über eine Unterstützung für Leitbetriebe Hunderttausende Arbeitsplätze zu sichern. Lieber feiere er ohnehin die „größte Steuerentlastung der Zweiten Republik“, speziell für Familien, verbunden mit einer neuen Systematik mit Ökologisierung: „Eine breite Entlastung für alle plus Klimaschutz mit Hausverstand“.

Nationalrat beschließt Steuerreform

Die türkis-grüne Koalition senkt die Lohn- und Einkommensteuer und schrittweise auch die Körperschaftssteuer für Unternehmen. Mit der Steuerreform kommt auch der Einstieg in die CO2-Besteuerung, die fossile Energieträger weiter verteuern wird.

FPÖ sieht „Bürokratiemonster“

Dem schloss sich Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) nicht an. Mehrfach prangerte er die CO2-„Strafsteuer“ an, die 2025 bereits 13 bzw. 14,8 Cent pro Liter betragen werde. Dazu komme noch ein „Bürokratiemonster“ bei der Abwicklung des Klimabonus, das auch von NEOS-Mandatar Gerald Loacker angeprangert wurde. Für Fuchs wird das ganze System durch die Reform komplizierter und ungerechter.

NEOS: Klimabonus „missglückt“

Wieder einmal vermisst wurde von NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer die Abschaffung der kalten Progression. Immerhin begrüßte sie wie auch die anderen Oppositionsvertreter die Senkung der Lohnsteuer. „Missglückt“ ist für Doppelbauer der Klimabonus, es werde auch der notwendige Umschwung in Sachen CO2-Emissionen sicher nicht erreicht werden.

Brunner: „Das ist schon gewaltig“

Natürlich könne man über die Höhe des Einstiegspreises bei der CO2-Bepreisung sprechen, doch: „Wir schaffen die grüne Transformation nicht gegen den Menschen“, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und ergänzte, die Menschen auf dem Land seien nun einmal mehr auf das Auto angewiesen. Zum Ziel der Abschaffung der kalten Progression stehe er, sagte Brunner, nun habe man aber andere Schwerpunkte gesetzt.

Der Finanzminister meinte, sonst kein Freund von Superlativen zu sein: „Aber das ist schon gewaltig, eine unglaubliche Steuerreform.“ Gemeinsam mit ökologischen Anreizen werde die heimische Wirtschaft um 18 Milliarden entlastet, eine sechsmal höhere Entlastung, als sie in Deutschland geplant sei.

Kogler: „Großes Werk“

Nicht weniger begeistert war Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der ein „großes Werk“ geschaffen sah. Einzig dass man bei der Körperschaftssteuer als Grüne alleine anders vorgegangen wäre, gestand er zu. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sah das Versprechen der Grünen, mit dem Regierungseintritt auf das Klima aufzupassen, erfüllt. Erstmals bekomme klimaschädliches Verhalten ein Preisschild. Dazu sei die Verteilungsbilanz bei den Entlastungen besser als bei vorangegangenen Reformen unter roten Kanzlern, richtete sie der SPÖ aus.

Streit über Tonfall Koglers

Die Debatte zur Steuerreform erfolgte über weite Strecken mit spürbar angezogener Bremse – alle Fraktionen schienen sich die Kräfte für die nachfolgende Debatte über die Impfpflicht zu sparen. Für Aufregung sorgte aber eine Replik von Vizekanzler Kogler auf eine Wortmeldung der SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.

Sinngemäß warf er ihr vor, ihre Kritik an der Steuerreform mit überholten Zahlen zu untermauern. „Gehen Sie da – bei allem Respekt – nicht heraus und erzählen das, was Sie sich sowieso aufgeschrieben haben – nur hat es halt mit der Steuerreform nichts zu tun.“

Kogler-Sager sorgt für Aufregung

Eine Replik von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf die SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim löste eine kurze, aber heftige Debatte über Stil und Respekt im Hohen Haus aus.

Der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf warf Kogler herablassendes, despektierliches, stammtischartiges Verhalten gegenüber den Abgeordneten vor und forderte, der Umgangston von Regierungsmitgliedern gegenüber dem Parlament müsse in der Präsidiale besprochen werden. Auch SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte Kogler für seine Wortwahl scharf.

NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger mahnte beide Seiten zu einer Mäßigung im Ton und betonte, sie habe das auch von FPÖ-Regierungsmitgliedern in der Vergangenheit erlebt. Die FPÖ solle sich da vielmehr selbst besonders an der Nase nehmen, wenn sie selbst eben „Volksvertreter als Volksverräter bezeichnet“ habe.

Dem schloss sich Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer an, die zudem Kogler verteidigte und betonte, dieser höre den Abgeordneten zu und gehe direkt auf deren Einwendungen ein. Dass das Regierungsmitglieder oft nicht täten, sei in der Vergangenheit wiederholt im Plenum beklagt worden, so Maurer.

Weitere Steuerbeschlüsse

Neben der ökosozialen Steuerreform wurden weitere Steuerreformen beschlossen: Mit Juli soll zuerst die zweite Einkommenssteuer-Tarifstufe von 35 Prozent auf 30 Prozent gesenkt werden. Umgesetzt wird das zunächst mit einem Mischsteuersatz von 32,5 Prozent. Der Sozialversicherungsbonus wird von bisher 400 auf maximal 650 Euro pro Jahr erhöht. Für Senioren wird der Pensionistenabsetzbetrag auf künftig 825 Euro bzw. 1.214 Euro (bisher 600 Euro bzw. 964 Euro) angehoben.

Der Familienbonus wird ab Juli von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind erhöht. Für Kinder ab dem 18. Geburtstag soll er von derzeit 500 auf 650 Euro pro Jahr aufgestockt werden. Der Kindermehrbetrag wird von 250 auf 450 Euro pro Kind und Jahr angehoben. Zudem soll er auf alle wenig verdienenden Erwerbstätigen (bisher nur Alleinerzieher bzw. Alleinverdiener) mit Kindern ausgeweitet und als Negativsteuer ausbezahlt werden.

Lob und Tadel von Expertin

WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller bewertete die Einführung der CO2-Steuer als unverzichtbares Klimaschutzinstrument. Gleichzeitig betonte sie, dass der Preis zu niedrig sei, um „großartige Lenkungseffekte“ auszulösen. Sie verlangte weiters die Abschaffung des Dieselprivilegs, eine Reform der Pendlerregelung und weiterer ökologisch schädlicher Ausnahmen. Hier habe die Regierung noch „einige Hausaufgaben zu erledigen.“

Stärkere Entlastung niedriger Einkommen nötig

Zum Entlastungseffekt betonte Schratzenstaller, dass man niedrigere Einkommen noch stärker entlasten müsse. Der Budgetdienst des Parlaments war in seiner Berechnung zum Schluss gekommen, dass die mittleren Einkommen am stärksten von den Reformen profitieren werden. Für Schratzenstaller ist eine stärkere Entlastung der niedrigen Einkommen nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine „Frage der Arbeitsanreize“.

Zur Kritik der Opposition, dass die kalte Progression nicht abgeschafft wird, sagte Schratzenstaller, dass man in diesem Fall fairerweise auch über eine automatische Inflationsanpassung bei den absoluten Steuern – wie der Mineralölsteuer und der CO2-Steuer – reden müsste.