Ein Blick in die Reihen der Abgeordneten bei einer Abstimmung im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates
APA/Roland Schlager
Vor NR-Abstimmung

Impfpflicht sorgt für heftige Debatte

Im Nationalrat wird am Donnerstagabend über das Gesetz zur Impfpflicht abgestimmt. Die Debatte darüber wurde mitunter intensiv geführt. Regierung und SPÖ verkündeten am Donnerstag gemeinsam ein Impfanreizpaket.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach gleich als erster Redner von einer „historischen Debatte“. „Ich bin entsetzt, ich bin fassungslos, ich bin erschüttert und ich bin schockiert“, wetterte er gegen das Gesetz, das ein „Attentat auf die Bevölkerung“ sei. Die Menschen würden zu „Knechten und Leibeigenen downgegradet“, so Kickl. Mit der Maßnahme werde dem Totalitarismus der Weg bereitet, es handle sich um die „Einführung des Gesundheitskommunismus“.

Er sei stolz, Klubobmann der einzigen Fraktion zu sein, die „bei diesem Irrsinn nicht mitmacht“, sagte Kickl. Er zeigte sich auch sicher, dass die Gegner der Impfpflicht im Nationalrat zwar in der Minderheit seien, nicht aber außerhalb des Hohen Hauses, wo man das Gesetz durch Behördenwege und Wahlen kippen werde: Die Regierung werde ihrer „gerechten Strafe“ nicht entkommen, so Kickl. Zum Schluss kündigte er noch in eigener Sache Gesetzesbruch an. Er werde ungeimpft bleiben, sagte er.

Mückstein tritt falschen Behauptungen entgegen

Ebenso intensiv wurde der Ton fortgesetzt. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer meinte in Richtung Kickl: „Schämen Sie sich!“ Das Verhalten des Freiheitlichen sei „absolut zynisch“, dessen Politik schuld an der niedrigen Impfquote. „Die Impfung ist auch ein Siegeszug der Wissenschaft gegen die Leugnung von Fakten und Empirie“, entgegnete Maurer zudem. Man sei im Hohen Haus versammelt, um den Ausweg aus der Pandemie zu beschreiten, befand die grüne Klubobfrau.

Maurer zu Kickl: „Schämen Sie sich“

Die Debatte über das Gesetz zur Impfpflicht ist intensiv geführt worden. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach gar von einer „historischen Debatte“. „Ich bin entsetzt, ich bin fassungslos, ich bin erschüttert und ich bin schockiert“, wetterte er gegen das Gesetz. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer meinte in Richtung Kickl: „Schämen Sie sich!“ Das Verhalten des Freiheitlichen sei „absolut zynisch“, dessen Politik schuld an der niedrigen Impfquote sei.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) trat noch einmal falschen Behauptungen zur Impfung selbst entgegen und versuchte, Zweifel an der Impfung selbst auszuräumen: „Alle Evidenz spricht dafür, dass alle in Österreich erhältliche Präparate sicher sind.“ Die Covid-19-Schutzimpfung sei sicher, man brauche eine hohe Durchimpfungsrate, um das Virus einzudämmen. Gegenteilige Behauptungen dienten auch dazu, die Gesellschaft zu spalten, das Verbreiten von Fake News sei gefährlich. „Ich appelliere an jede Bürgerin und Bürger, Impfmythen zu hinterfragen“, so Mückstein.

ÖVP spricht von „Fremdschämen“

Werner Saxinger von der ÖVP fühlte sich durch die Redebeiträge der Freiheitlichen an das Jugendwort des vergangenen Jahres erinnert, wie er sagte: „Cringe“. Dieses sei ein Ausdruck fürs Fremdschämen, sagte er. Er habe viel Verständnis für die Ängste der Menschen, beteuerte der Mediziner. Man habe aber mittlerweile 14.000 Covid-19-Tote, „und das ist sehr traurig“. In der öffentlichen Debatte würden Hausverstand und Wissenschaft als Konkurrenten dargestellt, obwohl das nicht vergleichbar sei. Es würden sich auch oft Widersprüche ergeben, „aber die Wissenschaft lügt nicht“, so Saxinger.

Rendi-Wagner und Meinl-Resinger: „Notwendig“

SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner unterstrich die sensible, aber wichtige Entscheidung, die am Donnerstag im Plenum getroffen wird. „Die verpflichtende Schutzimpfung gegen Corona, die wir uns alle nicht gewünscht haben, ist leider notwendig geworden“, weil die Regierung nicht genügend Menschen zur Impfung mobilisieren konnte. Sie sei ein „Notausgang“ aus den ständigen Beschränkungen der Freiheitsrechte.

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger machte es sich offensichtlich nicht leicht. Man sei mittlerweile durch eine „umfassende Müdigkeit“ geeint, die vergangenen Jahre seien enorm anstrengend gewesen, weswegen es wichtig sei, diese Zeiten endlich hinter sich zu bringen. Nie wieder dürfe es zu Freiheitsbeschränkungen kommen, wie sie es durch die vergangenen Lockdowns gegeben habe. Auch Meinl-Reisinger kritisierte – wie viele ihrer Vorredner und Vorrednerinnen unterschiedlicher Fraktionen – die „Agitation“ der FPÖ gegen die Impfung.

NEOS-Pandemiesprecher Gerald Loacker argumentierte dagegen damit, dass die Pflicht für Omikron zu spät komme und Fachleute davon ausgingen, dass CoV nach der Welle mit der Grippe vergleichbar sei. Auch werde Vertrauen in die Politik verspielt und die Gesellschaft gespalten.

Abweichler bei Grünen, SPÖ und NEOS

Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic ist der Sitzung ferngeblieben, weil sie der Vorlage nicht zustimmen will. Zwei weitere grüne Abgeordnete waren laut „Standard“ nicht anwesend, weil sie krank seien. Sonst unterstützen alle Abgeordnete des Klubs die Impfpflicht ausdrücklich, ebenso alle grünen Regierungsmitglieder, der Bundesvorstand sowie alle Landesorganisationen der Grünen, hieß es in einer Stellungnahme des Parlamentsklubs.

„Wir wissen, dass die Impfung sicher ist und wirkt. Sie schützt unsere Gesundheit und die unserer Mitmenschen“, hieß es. Die aktuelle Durchimpfungsrate in Österreich sei noch zu gering, um mögliche weitere Wellen ohne weitere Lockdowns zu überstehen. Bei der ÖVP dürften alle Abgeordneten zustimmen.

Bei der SPÖ könnte es einzelne Abweichler geben, als Kandidat galt Sozialsprecher Josef Muchitsch. Bei NEOS werden fix drei bis vier Mandatare gegen die Impfpflicht votieren. Seitens der Freiheitlichen wird es geschlossene Ablehnung geben. Insgesamt mehr als zehn Abgeordnete waren bei der Sitzung entschuldigt, einige sind in CoV-Quarantäne, bei manch anderem wird das Fernbleiben mit der Impfpflicht in Verbindung gebracht. Einschlägig geäußert hat sich bisher aber nur Ernst-Dziedzic.

Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) zum „Anreizpaket“

Zusätzlich zur Coronavirus-Impfpflicht wird es künftig auch ein „Anreiz- und Belohnungspaket“ geben. Das kündigte Bundeskanzler Karl Nehammmer (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner an.

Auch Anreiz- und Belohnungssystem kommt

Am Vormittag hatte sich die Regierung mit der SPÖ auf ein Anreiz- und Belohnungspaket zur Steigerung der Impfquote verständigt, das die Impfpflicht begleitet. Kommen soll eine Impflotterie, mit der Gutscheine im Wert von 500 Euro zu gewinnen sind. Jeder zehnte Geimpfte soll eine Chance haben zu gewinnen. Start der Lotterie soll am 15. März sein, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Für die Gemeinden soll es zudem ein finanzielles Anreizsystem geben. Bei einer Impfquote von 80 Prozent wird ein Basisbetrag von insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet, bei 85 Prozent sind es 150 Millionen, und bei 90 Prozent werden 300 Millionen Euro ausgeschüttet. Nehammer sagte, dass das Paket eine Belohnung für jene sein soll, die schon geimpft sind. Zusätzlich soll es einen Anreiz darstellen für alle, die noch unsicher und noch nicht geimpft sind.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
APA/Roland Schlager
Das „Anreizsystem“ stellte die Regierungsspitze gemeinsam mit SPÖ-Chefin Rendi-Wagner vor

Insgesamt sind für die Maßnahmen bis zu 1,4 Mrd. Euro reserviert – bis zu einer Mrd. Euro für die Lotterie und bis zu 400 Mio. Euro für die Gemeinden. Der Österreichische Gemeindebund und die Wirtschaftskammer begrüßten das Paket. Parallel dazu soll die 3-G-Regel am Arbeitsplatz sowie die kostenlosen Tests dafür abgesichert werden. Durch einen Entschließungsantrag soll klargestellt werden, dass „bestehende arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Regelungen und Ansprüche durch das Covid-19-Impfpflichtgesetz unberührt bleiben“.

Lockdown für Ungeimpfte verlängert

Zugleich wurde die aktuelle Covid-Verordnung im Nationalrat verlängert – damit auch der Lockdown für Ungeimpfte. Diesem Punkt stimmten nur die ÖVP und die Grünen zu, die SPÖ lehnte die Verlängerung ab. Wohnzimmertests werden wieder als 3-G-Nachweis zugelassen. Wien und Niederösterreich wollen allerdings weiterhin auf PCR-Tests setzen.

Eine Änderung gibt es auch im Maßnahmengesetz: Bezirksverwaltungsbehörden können mit der Novelle mit Bescheid Betriebe für maximal eine Woche schließen, wenn man dreimal wegen der gleichen Nichteinhaltung der Maßnahmen (z. B. Überschreitung einer Personenbeschränkung oder fehlende Kontrolle von Nachweisen) bestraft wurde. Bei Uneinsichtigkeit kann der Betrieb sogar sofort geschlossen werden für sieben Tage.

Neu ist neben einer Anhebung der Höchststrafen, dass sowohl Arbeitsinspektorate als auch Gewerbebehörden sowie Aufsichtsorgane nach Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz im Rahmen ihrer Tätigkeiten zur Überprüfung von aktuellen CoV-Maßnahmen ermächtigt sind.

Auslieferungsantrag wegen fehlender Maske

Nach den Diskussionen über die Rechnungshof-Berichte könnte im Plenum über die Aufhebung der Immunität von FPÖ-Klubobmann Kickl abgestimmt werden. Konkret geht es um das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung. Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres wird Kickl vorgeworfen, er habe bei einer Demonstration gegen die Coronavirus-Maßnahmen die FFP2-Maskenpflicht nicht eingehalten, weswegen eine Verwaltungsstrafe droht.

Impfpflichtgegner demonstrieren in Wien

Wie angekündigt haben sich Impfgegner und Impfgegnerinnen in Wien versammelt, um gegen den Beschluss der CoV-Impfpflicht im Nationalrat zu demonstrieren.

In Wien haben sich – wie angekündigt – auch Impfgegner versammelt, um gegen den Beschluss der CoV-Impfpflicht im Nationalrat zu demonstrieren. Erschienen sind zum Auftakt deutlich weniger Menschen als an den Wochenenden zuvor, an denen zum Teil rund 40.000 Maßnahmenkritiker durch Wien gezogen waren. Anfangs wurde direkt vor der Hofburg protestiert, ab 9.00 Uhr musste das Areal jedoch geräumt werden – mehr dazu in wien.ORF.at.