Das Emblem der CIA
AP/Carolyn Kaster
„Havanna-Syndrom“

Laut CIA nur noch rund 20 Fälle ungeklärt

Die meisten Fälle des bei US-Diplomaten aufgetretenen „Havanna-Syndroms“ lassen sich laut Medienberichten nicht auf einen ausländischen Angriff zurückführen. Wie die „New York Times“ und der Sender NBC unter Berufung auf einen CIA-Zwischenbericht meldeten, seien in Hunderten Fällen „plausible und alternative Erklärungen“ gefunden worden. Die Ermittlungen zu etwa 20 bisher ungeklärten Fällen dauern demzufolge jedoch an.

„Obwohl wir zu wichtigen Zwischenergebnissen gekommen sind, sind wir noch nicht fertig“, wurde CIA-Direktor William J. Burns von der „New York Times“ zitiert. Die Mehrheit der rund 1.000 untersuchten Fälle ließe sich durch umweltbedingte Ursachen, nicht diagnostizierte Krankheiten oder Stress erklären, berichtete die „New York Times“ am Donnerstag unter Berufung auf Zwischenergebnisse des US-Geheimdienstes CIA.

Für die meisten der mysteriösen Gesundheitsprobleme bei US-Diplomaten und Angehörigen seien wohl weder Russland noch eine andere ausländische Macht verantwortlich.

Erstmals 2016 aufgetreten

Die mysteriösen Krankheitsfälle wurden erstmals 2016 bei Dutzenden Diplomaten in der US-Botschaft in der kubanischen Hauptstadt Havanna öffentlich bekannt. Danach wurden unter anderem auch Fälle aus Paris und Genf gemeldet. 2021 hieß es dann, besonders viele Fälle seien in Wien aufgetreten.

US-Botschaft in Havanna
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Zunächst trat die Erkrankung bei US-Diplomaten in Kuba auf – hier die US-Botschaft in Havanna

Zu den Symptomen gehören Kopfschmerzen, Übelkeit, Gedächtnislücken und Schwindelgefühl. In den USA, insbesondere aus dem Pentagon, wurde immer wieder der Verdacht geäußert, dass die Betroffenen mit Funk- oder Mikrowellen angegriffen worden seien und dass womöglich Russland dahinterstecke. Die Regierung in Moskau hat das zurückgewiesen.

Betroffene unzufrieden

Die vorläufigen Ergebnisse ließen viele Opfer unzufrieden zurück, insbesondere derzeitige und ehemalige Beamte, die seit Jahren mit chronischen Beschwerden zu kämpfen haben, ohne eine klare Erklärung dafür zu haben. In einer Erklärung sagte eine Gruppe von Opfern, dass die Zwischenergebnisse der CIA „nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit sein können und dürfen“. Die Veröffentlichung der Ergebnisse, so die Opfer, sei ein Vertrauensbruch.

„Der neue Bericht der CIA mag als ‚vorläufig‘ bezeichnet werden und in einigen Fällen die Tür für alternative Erklärungen offen lassen, aber für zahlreiche engagierte Beamte, ihre Familien und ihre Kollegen hat er den Klang von Endgültigkeit und Ablehnung“, heißt es in der Erklärung.

Meldeaufruf kontraproduktiv?

Kritik kam aber auch von anderer Seite: Ein Betroffener, der anonym bleiben wollte, beklagte laut „New York Times“, dass die US-Regierung offen dazu aufgerufen hatte, dass sich Menschen mit mysteriösen Syndromen melden sollten. Dadurch seien Tausende von Fällen hinzugekommen, was es den Analytikern der CIA erschwert habe, sich auf die wirklichen Fälle zu konzentrieren. Offiziell wurde die Kritik zurückgewiesen: In vielen Fällen habe man dadurch Menschen mit zuvor nicht diagnostizierten Krankheiten die notwendige Behandlung zukommen lassen können.

Abenteuerliche Erklärungen

Das „Havanna-Syndrom“ sorgte nicht nur wegen der mysteriösen Erkrankungen für Schlagzeilen, sondern vor allem auch wegen der abenteuerlichen Erklärungsversuche. So wird laut „New Yorker“ vermutet, dass der russische Geheimdienst Strahlung auf US-Beamte richte, um Daten von ihren Computern und Smartphones zu stehlen. Von Mikrowellenstrahlungen ist etwa die Rede, manche sprachen von „elektromagnetischen Wellen“. Das würden dann die Symptome auslösen. Wie das technisch möglich sein soll, ist allerdings völlig offen. Mit Spannung wird der CIA-Endbericht erwartet, weil man davon ausgeht, dass auch zu diesen Thesen Erörterungen folgen.

Psychogenes Massenleiden

Der nunmehrige CIA-Zwischenbericht bestätigt aber in weiten Teilen die Annahmen des Neurologen Robert Baloh und des Medizinsoziologen Robert Bartholomew. Diese gingen zunächst in einem Aufsatz und später in ihrem Buch „Havana Syndrome“ davon aus, dass es sich um psychogenes Massenleiden handle, die Erkrankten also nur glauben, dass sie erkrankt sind.

Sie belegen die These mit weiteren Beispielen, bei denen Menschen beschriebene Symptome dann bei sich entdecken, wenn sie angeblich bei anderen auftreten, mit denen sie Gemeinsamkeiten haben. Sie gehen davon aus, dass es sich bei den Beschwerden vor allem um Stresssymptome handelt.