Der Inspekteur der Deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach
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Verständnis für Putin

Deutscher Marine-Chef muss zurücktreten

Die internationalen Spannungen im Ukraine-Konflikt haben nun einen hochrangigen Rücktritt in Deutschland zur Folge: Marinechef Kay-Achim Schönbach muss nach umstrittenen prorussischen Äußerungen zurücktreten. Kiew hatte zuvor aus Protest die deutsche Botschafterin einbestellt. Der Fall zeigt, wie angespannt die Nerven sind und wie heikel die Lage derzeit ist. London erhebt unterdessen neue Vorwürfe gegenüber Moskau.

Laut deutschem Verteidigungsministerium reichte Schönbach von sich aus den Rücktritt ein. Zuvor hatte das ukrainische Außenministerium die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, einbestellt. Das Verteidigungsministerium in Berlin distanzierte sich von Schönbachs Äußerungen. Dieser werde „auf eigene Bitte“ abgelöst und zunächst von Konteradmiral Jan Christian Kaack ersetzt, bis eine Nachfolge gefunden sei.

Vizeadmiral Schönbach hatte bei einem Auftritt in Indien Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. „Was er wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert – und den er vermutlich auch verdient.“

„Werden Russland brauchen“

Er sehe die größere Bedrohung in China, sagte er. „Selbst wir, Indien, Deutschland, brauchen Russland, weil wir Russland gegen China brauchen“, so Schönbach. Er sei ein strenggläubiger Katholik, und Russland sei ein christliches Land – „obwohl Putin ein Atheist ist, das ist egal. Dieses große Land, auch wenn es keine Demokratie ist, auf unserer Seite als bilateralen Partner zu haben, (…) hält möglicherweise Russland von China fern.“

„Krim ist weg“

Schönbach sagte zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: „Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen.“ 2014 hatte Russland die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert. Im Osten des Landes kämpfen seither von Moskau unterstützte Rebellen gegen die prowestliche Regierung in Kiew. Angesichts eines enormen russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Schönbach sagte, dass sich Russland ukrainisches Territorium aneignen wolle, sei „Nonsens“.

Ukraine-Krise: Deutscher Marinechef tritt ab

Der mittlerweile zurückgetretene deutsche Marinechef Kay-Achim Schönbach hat bei einem Auftritt in Indien Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. „Was er wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe“, sagte Schönbach. Es sei leicht, Putin den Respekt zu geben, „den er fordert und den er vermutlich auch verdient.“ Das Verteidigungsministerium in Berlin distanzierte sich von Schönbachs Äußerungen. Dieser werde „auf eigene Bitte“ abgelöst.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Äußerungen entsprechen in Inhalt und Wortwahl in keiner Weise der Position des Bundesverteidigungsministeriums.“

„Unbedachte Äußerungen“

Schönbach selbst teilte am Abend über die Pressestelle der Marine mit: „Ich habe soeben die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden.“ Er erklärte: „Meine in Indien gemachten unbedachten Äußerungen zu Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt. Um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, halte ich diesen Schritt für geboten.“ Ministerin Christine Lambrecht (SPD) habe sein Gesuch angenommen.

Kiew: Unannehmbare Äußerungen

Das ukrainische Außenministerium erklärte zur Einbestellung der deutschen Botschafterin in einem Schreiben, es gehe um die „Unannehmbarkeit der Äußerungen des Oberkommandierenden der Kriegsmarine Deutschlands, Kay-Achim Schönbach“. Unter anderem gehe es um dessen Aussage, „dass die Krim niemals in den Bestand der Ukraine zurückkehren wird und dass unser Staat den Mitgliedskriterien für die NATO nicht entsprechen wird“.

Ukrainer fürchten Angriff Russlands

In der Ukraine-Krise war auch diese Woche von einer starken Reisediplomatie geprägt. US-Außenminister Antony Blinken war in Kiew, in Berlin und am Freitag auch in Genf, wo er mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow über eine friedliche Beilegung der Krise verhandelte. Ob diese Gespräche zu einer Entspannung führen werden, ist offen. Nach Umfragen hält ein Drittel der Ukrainer einen Angriff Russlands für wahrscheinlich.

Die Ukraine monierte zudem noch einmal, dass Deutschland keine Verteidigungswaffen an das Land liefern wolle: „Wir drücken unsere tiefe Enttäuschung anlässlich der Position der Regierung Deutschlands über die Nichtgewährung von Verteidigungswaffen an die Ukraine aus.“

Die Ukraine hatte Deutschland wiederholt um Waffenlieferungen gebeten. Die deutsche Regierung hat bisher an ihrem klaren Nein festgehalten. Verteidigungsministerin Lambrecht sagte der „Welt am Sonntag“: „Waffenlieferungen wären da aktuell nicht hilfreich – das ist Konsens in der Bundesregierung.“

Vorwurf, Putin zu „ermutigen“

Die ukrainische Regierung wirft Berlin daher vor, den russischen Staatschef Putin in seinem Vorgehen zu „ermutigen“ und die Geschlossenheit des Westens in dem Konflikt zu „untergraben“. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen planen dagegen, der Ukraine US-amerikanische Panzer- und Kampfjetabwehrraketen zu liefern. Zustimmung und Lob gab es dazu von US-Außenminister Anthony Blinken.

Neue Vorwürfe Londons

Die britische Regierung warf unterdessen Moskau Samstagabend vor, in der Ukraine einen prorussischen Führer an die Macht bringen zu wollen. „Wir verfügen über Informationen, die darauf hindeuten, dass die russische Regierung versucht, einen prorussischen Führer in Kiew einzusetzen“, etwa Ex-Ministerpräsident Jewgeni Murajew, erklärte das britische Außenministerium am Samstag. Außerdem erwäge Moskau, die Ukraine zu besetzen.

Kurz zuvor hatte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu eine Einladung seines britischen Kollegen Ben Wallace zu einem Treffen angenommen. Die Vorwürfe des britischen Außenministeriums dürften das geplante Treffen infrage stellen.

Russland hat in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet deshalb einen russischen Großangriff auf das Nachbarland. Der Kreml dementiert Pläne für einen Einmarsch. Großbritannien gehört zu einer Handvoll westlicher Staaten, die angesichts der Lage Waffen wie Panzerabwehrraketen in die Ukraine liefern.