Arbeiter vor dem Nationalstadion in Peking
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Olympische Spiele

Sponsoren in der Zwickmühle

In knapp zwei Wochen beginnen die Olympischen Spiele in China – mitten in der weltweiten Pandemie und Aufrufen zum diplomatischen Boykott wegen Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen an der in China beheimateten Minderheit der Uiguren und Uigurinnen. Vor allem Letzteres bringt die Sponsoren von Visa bis Coca-Cola in eine ziemliche Zwickmühle, wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) schreibt.

Mehrere Sponsoren würden ihre sonst in den letzten Wochen vor Beginn der Spiele stakkatoartigen Werbekampagnen so gut wie auslassen, so das „WSJ“. Vor allem in den USA beheimatete Konzerne befänden sich ob der angespannten politischen Lage zwischen Peking und Washington zwischen den Stühlen.

So würden etwa der Finanzdienstleister Visa, der Konsumgüterkonzern Procter und Gamble (P&G) und der Getränkehersteller Coca-Cola ob der Kritik der USA an den Menschenrechtsverletzungen in China ein relativ niedriges Profil in Sachen Sponsoring suchen, so die Zeitung weiter.

Proteste gegen die chinesischen Umerziehungslager für Uiguren
AP/Tatan Syuflana
Proteste Mitte Jänner gegen die Umerziehungslager für Uiguren und Uigurinnen und gegen die Olympischen Spiele in Peking

China sieht „Diffamierung und Stigmatisierung“

Menschenrechtsorganisationen wie etwa Amnesty International, westliche Staaten, aber auch Politiker und Politikerinnen hatten bereits des Öfteren an die internationale Gemeinschaft appelliert, China daran zu hindern, durch die Olympischen Spiele von den Menschenrechtsverletzungen in der mehrheitlich von Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang abzulenken.

China sieht das hingegen als eine „Diffamierung und Stigmatisierung“ des Landes und spricht von einer „Einmischung in innere Angelegenheiten“. Es seien keine ethnischen, religiösen oder Menschenrechtsfragen, sondern es gehe um den Kampf gegen den Terrorismus, Radikalismus und Separatismus, heißt es etwa aus der chinesischen Botschaft in Paris, nachdem Frankreich am Donnerstag eine entsprechende Resolution beschlossen hatte.

Diplomatischen Boykott ausgerufen

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden Uiguren und andere Muslime in der chinesischen Provinz Xinjiang mit drakonischen Mitteln überwacht, unter anderem durch DNA-Proben und Software zur Gesichtserkennung. Mehr als eine Million Angehörige der Minderheiten werden demnach in Haftlagern zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch körperlich misshandelt. Die chinesische Regierung spricht von „Bildungszentren“, die dem Kampf gegen islamistische Radikalisierung dienten.

Olympische Ringe und Dutzende goldene Dosen von Coca Cola
Reuters/Tingshu Wang
Olympische Ringe und Dutzende goldene Coca-Cola-Dosen in einem chinesischen Supermarkt

Die USA, Australien, Kanada und Großbritannien riefen zu einem diplomatischen Boykott auf, sie verzichten auf die Entsendung offizieller Vertreter und Vertreterinnen nach Peking, um gegen „Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu protestieren. Zumindest indirekt sind davon auch die Sponsoren betroffen. Man ist um den guten Ruf besorgt. China will unterdessen nur die sportliche Seite sehen und protestiert gegen eine „Politisierung“ der Spiele. Doch Peking bestrafte bereits ausländische Konzerne, die den Umgang Chinas mit den Uiguren und Uigurinnen öffentlich kritisierten, etwa mit schikanösen behördlichen Überprüfungen und Aufrufen zum Kaufboykott, wohl wissend, welch großen und bedeutenden Absatzmarkt China für westliche Konzerne darstellt.

Chinesischer Polizist vor einem Umerziehungslager in Yining in Xinjiang
Reuters/Thomas Peter
Ein chinesischer Polizist vor einem Umerziehungslager in Yining in der Provinz Xinjiang 2018

Große Investitionen für globale Marketingmöglichkeiten

Die Sponsoren versuchten nun, den Sturm so gut wie möglich zu überstehen, so Rick Burton, zuständig für Marketing im Olympischen Komittee der USA für die Sommerspiele 2008 in Peking. Die Konzerne hätten große Investitionen in die Sponsorendeals getätigt und würden riskieren, die globalen Marketingmöglichkeiten zu verpassen, die sie sich mit sehr viel Geld gekauft hätten, so Burton zum „WSJ“. „Aber sie müssen ihre Geschäfte in China betreiben“, so Burton.

Eine relative Ruhe in Sachen Marketing vor den sich rasch nähernden Spielen attestiert das „WSJ“ der Sponsorenspitzengruppe, die sich aus 13 Konzernen zusammensetzt, darunter eben Visa, P&G und Coca-Cola. Das Internationale Olympische Komitee, der IOC, erhielt von der Spitzengruppe für die Winterspiele 2014 in Sotschi und die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro in Brasilien insgesamt mehr als eine Milliarde Euro, wie die Zeitung auf Verweis auf Daten des IOC schreibt.

Auslage einer Pizza-Hut-Filiale in Peking
AP/Ng Han Guan
Auslage einer Pizza-Hut-Filiale am Rande Pekings

Im Gegenzug dürfen die Sponsoren das offizielle olympische Logo wie eben die bekannten fünf Ringe für ihre Werbung verwenden. Das IOC will von politischen Verwicklungen nichts wissen: Man anerkenne und wahre die Menschenrechte, nehme aber nicht Stellung zu politischen Strukturen, gesellschaftlichen Verhältnissen oder menschenrechtlichen Standards im Gastland, hieß es weiter. Das IOC müsse in politischen Fragen neutral bleiben, so das IOC.

Kein 100-Tage-Countdown via Twitter

2018 etwa begann der Finanzdienstleister Visa laut „WSJ“ bereits Monate vor den Winterspielen in Pyeongchang in Südkorea mit seiner Werbekampagne. Auch einen 100-Tage-Countdown via Twitter gab es. Spezielle Athleten des „Team Visa“ wurden ins Rampenlicht gerückt und tragbare digitale Zahlungschips des Unternehmens für die Spiele beworben und verwendet.

Nun verbreitete der Kreditkartenriese sein Olympiasponsoring nicht via Twitter und gab auch keine speziell für das Event designten Kreditkarten heraus, wie das „WSJ“ berichtet. Laut der Zeitung beantwortete Visa eine Bitte um Stellungnahme nicht.

Auch P&G stieg genauso wie Coca-Cola mit der Olympiawerbung, wie etwa TV-Spots, 2018 bereits 100 Tage vor Beginn der Spiele ein. Dieses Jahr launchten weder P&C noch Coca-Cola eine große US-Kampagne für die Spiele. P&G ließ Fragen über den Unterschied zwischen den Spielen in Peking und früheren Werbekampagnen laut „WSJ“ ebenfalls unbeantwortet.

Chinesischer Kunde nun im Mittelpunkt

In einem Interview erkärte allerdings laut „WSJ“ der Finanzchef von P&G, Andre Schulten, dass sich der Konzern auf Athleten und Athletinnen konzentrieren wolle und Marketingentscheidungen China und die Olympischen Spiele betreffend den einzelnen Marktführern überlasse.

Jede Marke (von P&G., Anm.) habe ihren eigenen Kontext, es gebe da keinen globalen Ansatz. Man gehe taktisch und individuell die Märkte an. Und in China stehe der Kunde im Mittelpunkt. Der US-Getränkeriese Coca-Cola lässt seine Werbekampagne nur in China laufen, so das „WSJ“ mit Verweis auf einen Konzernsprecher. Wie es zu dieser Entscheidung gekommen sei, wollte der Sprecher allerdings nicht beantworten.

Nicht alle Sponsoren agieren so. Der Schweizer Uhrenkonzern Omega, offizieller Zeitmesser der Spiele, brachte anlässlich der Spiele eine neue Uhr auf den Markt – etwas, dass sie bei den meisten Olympischen Spielen gemacht haben. Man unterstütze den olympischen Sport und gehe auf gewisse politische Themen nicht ein.