Ukrainische Soldaten in einern Hausruine
Reuters/Oleksandr Klymenko
Konflikt mit Russland

EU unterstützt Ukraine bei Militärausbildung

Im Ukraine-Konflikt haben die EU-Staaten am Montag Kiew Hilfe bei der Ausbildung des Militärs in Aussicht gestellt. Zudem wolle man die Ukraine bei der Bekämpfung von Cyber- und Hybridgefahren sowie im Kampf gegen Desinformation unterstützen. Auch am Montag war der Ton rau – am Abend rief die Ukraine allerdings zu Ruhe auf.

Die EU sei dabei, Modalitäten für die Hilfe festzulegen, heißt es in einer am Montag bei einem Treffen in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Schon im Vorfeld hatten sich Länder wie Schweden klar für eine Trainingsmission in der EU ausgesprochen. Sie soll nach den jüngsten Planungen des Auswärtigen Dienstes der EU speziell für das Führungspersonal der ukrainischen Streitkräfte konzipiert werden.

Zum aktuellen Kurs der Regierung in Moskau heißt es in der Erklärung, der Ministerrat verurteile die fortgesetzten aggressiven Handlungen und Drohungen Russlands gegenüber der Ukraine und fordere dazu auf, Deeskalation zu üben, das Völkerrecht einzuhalten und konstruktiv über die etablierten internationalen Mechanismen in den Dialog einzutreten. Vorstellungen von „Einflusssphären“ hätten im 21. Jahrhundert keinen Platz.

Kiew: Keine Anhaltspunkte für Einmarsch

Angesichts westlicher Berichte über einen drohenden russischen Einmarsch in die Ukraine und mit Blick auf den Abzug von Diplomaten riefen Regierungsvertreter in Kiew unterdessen zu Ruhe auf. „Wir sehen zum heutigen Tag überhaupt keine Anhaltspunkte für die Behauptung eines großflächigen Angriffs auf unser Land“, sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, am Montag vor Journalisten nach einer Sitzung des Gremiums.

Für Kiew seien Truppenbewegungen auf russischer Seite im Gegensatz zum Westen keine erstaunliche Angelegenheit. Die ganze Aufregung habe erst mit einem Artikel in der „Washington Post“ Mitte Oktober begonnen. Die Lage sei für die Ukraine aber bereits seit 2014 schwierig.

EU erweitert Finanzmittel für Ukraine

Inmitten des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine will die EU-Kommission auch die Finanzmittel für Kiew deutlich ausweiten. Die Hilfen sollen um 1,2 Milliarden Euro aufgestockt werden, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag an.

Das durch von der Leyen präsentierte „Nothilfepaket“ muss noch von den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament bestätigt werden. Es solle der Ukraine helfen, „ihren konfliktbedingten Finanzierungsbedarf schon jetzt zu decken“, sagte die Kommissionschefin. Die neue Hilfe soll in mehreren Schritten bereitgestellt werden. Seit dem Beginn des Konflikts um die Ostukraine 2014 habe die EU bereits „17 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen“ für die Ukraine mobilisiert, so von der Leyen.

Außenminister drohen mit Vergeltung

Zudem drohten die Ministerinnen und Minister für den Fall eines russischen Angriffs erneut mit Vergeltung. Jede weitere militärische Aggression gegen die Ukraine werde „massive Konsequenzen und hohe Kosten“ nach sich ziehen. Dazu gehöre eine breite Palette an Sanktionen gegen Wirtschaftssektoren und Personen. Die vorbereitenden Arbeiten seien zuletzt beschleunigt worden, hieß es.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) warnte vor einer weiteren Eskalation. „Die Drohkulisse ist leider sehr real und in einer Art und Weise sehr erschreckend“, sagte Schallenberg zu Ö1. Pläne, Botschaftspersonal aus Kiew abzuziehen, gebe es, momentan sei es aber wichtig, „unsere Augen und Ohren genau jetzt in dieser Phase so stark präsent zu haben wie möglich“. Falls sich die Gefahrensituation ändern sollte, werde man „natürlich die entsprechenden Schritte in Gange“ setzen.

Derzeit liegen in Brüssel neue Wirtschaftssanktionen auf dem Tisch. Schallenberg zeigte sich überzeugt, dass es auch Strafmaßnahmen gegen Russland geben könnte, ohne dass die Energiesicherheit Europas gefährdet wäre. Eine „gewisse Abhängigkeit“ sei aber da, räumte der Außenminister ein. „Fakt ist einfach, dass 40 Prozent des Gases aus Russland kommen.“

Litauen pessimistisch zu friedlicher Lösung

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis äußerte sich am Montag pessimistisch über die Perspektiven einer friedlichen Lösung des Konflikts. „Wir sind davon überzeugt, dass ein echter Krieg von hoher Wahrscheinlichkeit ist.“ Der Rumäne Bogdan Aurescu sagte, die Sicherheitssituation in Europa verschlechtere sich wegen des russischen Truppenaufmarsches in der Nähe zur Ukraine und in der Schwarzmeerregion. Die EU müsse nun sichtbar und laut sein.

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Grafik zu EU-Russland-Sanktionen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Rat
Grafik zu EU-Russland-Sanktionen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Rat

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sicherte dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal unterdessen in einem Telefonat die Unterstützung Österreichs zu. Österreich sei ein „Freund und Partner“ der Ukraine. „Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine darf von Russland keinesfalls verletzt werden. Sollte es trotzdem dazu kommen, so wird es eine klare europäische Antwort geben“, so Nehammer.

NATO will Präsenz in Osteuropa stärken

Die NATO-Mitgliedsstaaten wollen unterdessen ihre Militärpräsenz in Osteuropa stärken. Die Truppen der NATO-Staaten würden in Bereitschaft versetzt, und man entsende weitere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in den Osten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag.

„Die NATO wird alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Verbündeten zu schützen und zu verteidigen. Das schließt auch die Verstärkung des östlichen Teils unserer Allianz ein“, sagte Stoltenberg. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied, aber mehrere ihrer westlichen Nachbarländer sind es.

Wie ein NATO-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters sagte, erwägen auch die USA in den kommenden Wochen eine Truppenverlegung von West- nach Osteuropa. Die Verlegungen sollten dabei graduell erfolgen, sagt der Diplomat und bestätigt damit einen entsprechenden Bericht der „New York Times“.

Kreml ortet „Hysterie“ und „Lügen“

Einem Bericht der „New York Times“ zufolge hat auch US-Präsident Joe Biden erwogen, die Präsenz von US-Truppen in den osteuropäischen NATO-Staaten zu erhöhen. Russland warf den USA und der NATO am Montag vor, sich auf Eskalationskurs zu befinden. Nicht Russland sei der Ursprung der Spannungen, sondern die „Informationskampagne“ und „Hysterie“ der USA und der NATO, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Kampagne werde von einer Vielzahl „einfacher Lügen“ begleitet.

EU-Gipfel zu Ukraine-Krise

Die Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union beraten am Montag in Brüssel über die Ukraine-Krise. US-Außenminister Antony Blinken nimmt per Videoschaltung teil.

Russland hat in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Armeeangehörige an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet deshalb einen russischen Großangriff auf das Nachbarland. Moskau dementiert jegliche Invasionspläne.

Der britische Premierminister Boris Johnson sagte indes in London, Geheimdienstberichte zur Lage im russisch-ukrainischen Grenzgebiet seien „ziemlich düster“. „Wir müssen dem Kreml, Russland sehr deutlich machen, dass das ein desaströser Schritt wäre“, so Johnson mit Blick auf eine russische Invasion. Er warnte vor einem zweiten Tschetschenien. Allerdings halte er es immer noch für möglich, dass die Vernunft obsiege.

US-Anordnung sorgt für Nervosität

Das US-Außenministerium forderte unterdessen Familienangehörige von US-Botschaftspersonal in Kiew zum Verlassen des Landes auf. Auch Großbritannien will seine diplomatische Präsenz in der Ukraine reduzieren. Die US-Ankündigung sorgte für Nervosität. Die ukrainische Regierung sprach von „übertriebener Vorsicht“ Washingtons. Die Sicherheitslage habe sich „nicht grundlegend verändert“, hieß es.

US-Botschaft in Kiew
Reuters/Gleb Garanich
Die USA reduzieren die Präsenz in ihrer Botschaft in Kiew

Brüssel sieht anders als die USA momentan keinen Grund, diplomatisches Personal zur Ausreise aus der Ukraine aufzufordern, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Solange noch Verhandlungen mit Russland liefen, glaube er nicht, dass man die Ukraine verlassen müsse. Allerdings räumte Borrell ein, dass sich die Einschätzung der Lage ändern könne.

EU will Diplomaten nicht aus Ukraine abziehen

Die EU wird Familienangehörige von Diplomatinnen und Diplomaten in der Ukraine nicht anweisen auszureisen. Dazu gebe es derzeit keinen konkreten Anlass, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der Union.

Russland will auch bei Sanktionen Gas liefern

Befürchtungen, wonach Russland im Falle von Sanktionen Europa den Gashahn zudrehen könnte, wies Kreml-Sprecher Peskow unterdessen zurück. „Russland hat in den schwierigsten Momenten der Konfrontation zwischen Ost und West seine Vertragsverpflichtungen tadellos erfüllt“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge.

„Russland hat noch nie einen Grund gegeben, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln.“ Moskau betont immer wieder, dass auch im Kalten Krieg in der Konfrontation zwischen Sowjetunion und dem Westen das Gas immer geflossen sei.

Britische Kritik an „Nord Stream 2“

Die britische Außenministerin Liz Truss forderte unterdessen im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine ein Aus für die Erdgaspipeline „Nord Stream 2“. Das sagte sie dem Nachrichtensender Sky News. Auf die Frage, ob die Pipeline, die Russland und Deutschland auf direktem Weg durch die Ostsee verbindet, überhaupt in Betrieb genommen werden sollte, erwiderte Truss, Europa müsse seine Abhängigkeit von russischem Gas verringern.

Olexander Scherba, bis vor Kurzem ukrainischer Botschafter in Wien, sieht Österreichs Haltung unterdessen „nah am Verrat“. Im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“ (Dienstag-Ausgabe) bezeichnete es der Diplomat als „kaltherzig“, trotz des russischen Truppenaufmarschs an der Gaspipeline „Nord Stream 2“ festzuhalten.

Biden wird mit EU-Staats- und -Regierungschefs reden

Die Lage bleibt weiter angespannt – Ruhe ist auch für den Rest des Tages nicht zu erwarten: Noch am Montag wird damit gerechnet, dass US-Präsident Biden per Videokonferenz mit den EU-Staats- und -Regierungschefs über die Lage in der Ukraine-Krise berät. Man wolle das weitere Vorgehen im Konflikt koordinieren, hieß es dazu aus dem US-Präsidialamt.

Das Normandie-Format aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine wird nach Angaben aus diplomatischen Kreisen am Mittwoch zu Beratungen zusammenkommen. Das Treffen werde in Paris und auf Ebene der politischen Direktoren stattfinden, hieß es aus der russischen Delegation. Deutschland und Frankreich vermittelten bereits das Minsker Abkommen zwischen Russland und der Ukraine 2015, das die Ostukraine befrieden sollte.