Aussicht aus dem Fahrersitz in einem Auto
Getty Images/Douglas Sacha
Rasen mit 414 km/h

Kurioses Video sorgt in Deutschland für Ärger

Auf vielen Autobahnabschnitten in Deutschland gilt keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Das nutzte ein tschechischer Millionär, um seinen Luxussportwagen zum Äußersten zu treiben. Der Bugatti schaffte 414 km/h. Ein Video der rasanten Fahrt rief aber die Polizei auf den Plan – und die Debatte über neue Regeln auf den Autobahnen ist wieder eröffnet.

Freie Fahrt für freie Bürger? Das Mantra der deutschen Autofans scheint an seine Grenzen gelangt. Anlass ist das Video des tschechischen Multimillionärs Radim Passer, das er im vergangenen Sommer auf einer deutschen Autobahn aufgenommen hatte.

Der hochwertig produzierte Clip, den Passer vor zwei Wochen auf seinem eigenen YouTube-Kanal veröffentlichte, zeigt ihn dabei, wie er die höchstmögliche Geschwindigkeit seines Bugatti erreicht: 414 Kilometer pro Stunde. Das Video soll auf der A2 zwischen Berlin und Hannover entstanden sein, auf einem Abschnitt ohne Tempolimit.

Es löste eine Vielzahl von Reaktionen aus und wurde zahlreich geteilt. Auch die Polizei wurde aufmerksam: Sie leitete am Montag Ermittlungen wegen eines mutmaßlichen illegalen Straßenrennens ein, sagte eine Sprecherin in Magdeburg. Dieses Verhalten sei nicht zu verantworten. Die Staatsanwaltschaft werde den Fall prüfen. Nach dem Strafgesetzbuch ist auch ein „Alleinrennen“ strafbar, wenn sich der Fahrer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Außerdem heißt es in der deutschen Straßenverkehrsordnung: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird.“

Das deutsche Verkehrsministerium äußerte sich nur kritisch. Jegliches Verhalten im Straßenverkehr, das zu einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern führe oder führen könne, werde abgelehnt, teilte eine Ressortsprecherin mit.

Bremsweg wächst exponentiell

Passer ist in Tschechien als Freund schneller Autos bekannt, aber auch für seine Millionen. Die tschechische Ausgabe der Wirtschaftszeitung „Forbes“ schätzt das Vermögen des Immobilienunternehmers auf umgerechnet rund 270 Millionen Euro.

„Wollen wir Multimillionären erlauben, auf öffentlichen Straßen ihre Späße zu treiben, die Menschenleben gefährden können?“, kritisierte der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Eine Fahrt mit mehr als 400 km/h sei höchst gefährlich. „Je höher die Geschwindigkeit ist, desto länger ist der Bremsweg. Und zwar nicht nur linear, sondern exponentiell, sprich bei doppelter Geschwindigkeit wird er mehr als doppelt so lang“, so Dudenhöffer zur dpa.

Das Video sollte seiner Meinung nach der Anlass sein, darüber nachzudenken, was eigentlich auf deutschen Autobahnen erlaubt sein sollte und was nicht. Das Verkehrsministerium könne etwa per Gesetz nur noch Autos zulassen, die eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht erreichen.

Bugatti Chiron als Piechs Erbe

Mehrere deutsche Autohersteller wie BMW, Audi und Mercedes-Benz hatten sich bereits 1987 auf eine freiwillige Selbstbeschränkung und auf eine Tempoabriegelung bei 250 km/h geeinigt. Andere Hersteller gingen nicht mit. Der in dem Video gezeigte Bugatti Chiron wurde 2016 vorgestellt. Er verfügt nach den Informationen auf den Internetseiten des Herstellers über einen 16-Zylinder-Mittelmotor mit 1.500 PS.

Tschechischer Millionär Radim Passer
AP/CTK/Roman Vondrous
Radim Passer

Die Entwicklung des Supersportwagens geht Dudenhöffer zufolge auf die Zeit zurück, als Volkswagen unter dem damaligen Chef Ferdinand Karl Piech die Luxusmarke erworben hatte. „Ingenieure wollen ja immer zeigen, dass es möglich ist, Grenzleistungsbereiche zu überschreiten. Und das hat er mit dem Chiron gemacht.“ Im Sommer verkaufte VW die Marke mehrheitlich an den kroatischen Elektrospezialisten Rimac.

Für ein Umdenken sprach sich auch die Deutsche Umwelthilfe aus. „Die Bundesregierung erlaubt mit ihrem Nein zum Tempolimit explizit diese Ultraraserei auf 70 Prozent der Autobahnstrecken“, hieß es. „Wir brauchen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen jetzt – für Klimaschutz und Sicherheit“, sagte Jürgen Resch von der Umwelthilfe.

Kein Kommentar

In Tschechien wiederum kam in Medien die Frage auf, wie Passers Fahrt mit seinen christlichen Überzeugungen zu vereinbaren sei. Passer gilt als streng gläubig und gehört den „Siebenten-Tags-Adventisten“ an, die an eine baldige Wiederkehr Jesu Christi glauben. Er gründete auch die christliche Organisation Maranatha.

Der Unternehmer selbst schwieg bisher zu all diesen Fragen. Einer Sprecherin zufolge will er sich über die Angaben in seinem YouTube-Kanal hinaus nicht äußern.