Filmszene aus The Battle at Lake Changjin
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China

Action macht Propaganda zu Kinohit

China hat erst unlängst die USA als größten Filmmarkt der Welt abgelöst: Mit „The Battle at Lake Changjin“ feierte auch erstmals ein Propagandastreifen einen überragenden Erfolg an den chinesischen Kinokassen. Doch das war nicht immer so. Die aufwendig produzierten Filme waren oftmals mehr Kassengift als Kassenmagnete.

Action und auch politisches Nachhelfen, wie etwa der Ausschluss von westlicher Konkurrenz, machte den Propagandafilm erst zu dem von der Führungsspitze erwarteten Kinohit, wie der britische „Economist“ schreibt. 2021 waren in chinesischen Kinos nur elf Prozent internationale Produktionen zu sehen, so der „Economist“ in seiner Analyse über die chinesische Filmlandschaft der letzten Jahre.

Hintergrund sind politische Spannungen nicht nur mit den USA. Streitigkeiten behinderten auch Filme aus Indien, Südkorea und Japan, so das Wirtschaftsmagazin. Auch diese Entwicklung half „The Battle at Lake Changjin“. Der Film wurde vom Militär und der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei des Landes in Auftrag gegeben. Es ist der bisher teuerste chinesische Film und kostete angeblich über 200 Millionen Dollar (180 Mio. Euro).

Eine Kinobesucherin vor einem Plakat des chinesischen Films „The Battle at Lake Changjin“
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Ein Plakat zu „The Battle at Lake Changjin“

Fortsetzung soll Ergebnis noch übertrumpfen

Für „The Battle at Lake Changjin“ holte man sich mit Chen Kaige und die durch ihre rasanten Hongkong-Produktionen bekannten Tsui Hark und Dante Lam gleich drei auch international bekannte chinesische Regiealtmeister. Hark und Lam waren offenbar für die Actionszenen zuständig. Zehntausende Soldaten der chinesischen Volksarmee wurden als Statisten herangezogen. Der Film spiegle das Gefühl einer Nation wider, so der Tenor.

Der Film wurde nach den Einnahmen von über 900 Millionen Dollar (809 Mio. Euro) der bisher erfolgreichste chinesische Film. In der internationalen Statistik für das Kinojahr 2021 reichte das für den zweiten Platz und damit den erfolgreichsten nicht englischsprachigen Film. Auf Platz eins der internationalen Hitliste: „Spider-Man: No Way Home“, der rund 1,7 Milliarden Dollar (1,5 Mrd. Euro) einspielte. „The Battle at Lake Changjin II.“ soll jetzt den Erfolg des ersten Teiles wiederholen oder gar übertrumpfen.

Film zeigt Niederlage der USA

In der dem chinesischen Blockbuster titelgebenden Schlacht von 1950 wurde während des Korea-Krieges den USA von der Armee Maos eine schwere Niederlage beigebracht. Und der Film hat dadurch auch starke politische Anknüpfungspunkte an die Weltpolitik über 70 Jahre danach. In der letzten Zeit hat sich das Verhältnis zwischen den USA und China deutlich verschlechtert, wie etwa der schwelende Handelskrieg und die Auseinandersetzungen um die Vormacht im Südchinesischen Meer zeigen.

Kinogäste in einem chinesischen Kino in der Provinz Hubei
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Ein Saal in einem chinesischen Kino – auch hier gelten die strengen CoV-Regeln

Der Film begeisterte daher offenbar das Publikum: So wurden hymnische Kritiken von Usern und Userinnen auf chinesischen sozialen Netzwerken gepostet. Fans stellten auch Videos online, in denen sie etwa gefrorene Kartoffeln aßen wie die Soldaten im Film. Sie wollten damit offenbar der Kriegsgeneration ihre Reverenz erweisen, so der „Economist“.

Zusammenarbeit mit Propagandaabteilung

„The Battle at Lake Changjin“ gilt auch als Wendepunkt durch die direkte und enge Zusammenarbeit mit der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei, wie der „Economist“ schreibt. Alle Filme müssen in China der Zensur vorgelegt werden. Vor allem leichte Komödien und Dramen waren die bisherigen Kassenschlager.

Filme, die Propaganda für die Kommunistische Partei machten, galten meist als langweilig und daher dem Publikum schwer verkäuflich. So wurde etwa „Die Gründung einer Republik“ 2009 als erster Teil einer Trilogie zum 60. Jahrestag der Gründung des kommunistischen Chinas ein Flop. Der Film war ein derartiger Misserfolg, dass die chinesische Filmratingseite Douban die Bewertung für den Film nicht zuließ.

Beliebte Darsteller auch Aushängeschilder für Partei

Die chinesische Regierung versucht, beim Publikum bestimmte Filme zu pushen, dazu kommt auch noch, dass die Auswahl in den Kinos begrenzt ist. So wurde 2021, um den Geburtstag der kommunistischen Partei zu feiern, angeordnet, dass jedes Kino des Landes zumindest jede Woche zwei Vorführungen „patriotischer Filme“ im Programm haben muss. Verbilligte Ticketpreise sollen zusätzlich helfen, die Kinosäle zu füllen. Auch die Bildungseinrichtungen wurden aufgefordert, sich mit ihren Schülern und Schülerinnen „The Battle at Lake Changjin“ anzusehen. Ein Journalist, der dieses Vorgehen kritisierte, wurde daraufhin verhaftet, wie der „Economist“ schreibt.

Filmzene aus „Spiderman“
©2021 CTMG
Mit „Spider-Man: No Way Home“ durfte der Film mit den international höchsten Einnahmen 2021 in China gar nicht antreten

Chinesinnen und Chinesen sollen auch durch die Auswahl der Darsteller und Darstellerinnen in die patriotischen Filme gelockt werden. So wurden für „The Battle at Lake Changjin“ Chinas bekannteste Filmstars quer durch alle Generationen verpflichtet. Viele der jüngeren Stars sind laut „Economist“ auch öffentliche Aushängeschilder der kommunistischen Partei.

Immer mehr Selbstläufer bei wichtiger Altersgruppe

Die patriotischen Filme und TV-Serien werden offenbar immer mehr ohne direktes politisches Nachhelfen zu Selbstläufern beim chinesischen Publikum. Laut dem auf Unterhaltungsmedien spezialisierten Markt- und Meinungsforschungsinstitut Endata war fast die Hälfte der Zuschauer der 45 neuen patriotischen TV-Shows in den ersten zehn Monaten 2021 in der wichtigen Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen. Die Partei will damit die für ihre Zukunft so wichtige Loyalität der Jungen weiter sichern.

Die Zahl der Kinos des Landes ist rapide gewachsen: Waren es 2005 nur 2.600 Leinwände, die bespielt wurden, sind es jetzt 82.000, doppelt so viele wie etwa in den USA. Fünf Prozent der Ticketeinnahmen patriotischer Filme wie eben „The Battle at Lake Changjin“ werden in einem Fonds gesammelt, und damit werden neue chinesische Filme finanziert.

Mit Fünfjahresplan zu „großer Filmmacht“

Die Parteispitze will nun die Filmerfolge weiter ausbauen. So wurde im November ein Fünfjahresplan für 2021 bis 2025 veröffentlicht. China will laut diesen Plänen eine „große Filmmacht“ werden. Möglich gemacht werden soll das mit „Meisterwerken, in denen sich der chinesische Geist, chinesische Werte, Macht und Ästhetik“ widerspiegeln, wie es in dem Dokument laut „Economist“ heißt.

Zehn große Filme mit Blockbusterpotenzial, die auch von der Kritik „geliebt“ werden sollen, sollten nun jedes Jahr produziert werden. Des Weiteren sollen rund 50 kleinere chinesische Filme an den Kinokassen erfreuen und Gewinne bringen. Als Quote wurde festgelegt, dass chinesische Produktionen mindestens 55 Prozent an den Kinokassen ausmachen sollen. 2021 wurde dieser Richtwert mit 89 Prozent chinesische Kinofilme laut der chinesischen Onlineticketplattform Dengta mehr als übererfüllt.

Quoten für ausländische Filme

Möglich wird diese Verzerrung des Marktes dadurch, dass China seine Filmproduktionen vor ausländischer Konkurrenz schützt. Vor allem US-Filme dürfen in China nicht aufgeführt werden, um die eigenen, politisch genehmen Filme zu pushen. Doch auch Filme aus Indien, Südkorea und Japan kommen kaum mehr auf den chinesischen Filmmarkt.

Das chinesische Quotensystem erlaubt die jährliche Aufführung von bis zu 34 Hollywood-Produktionen. 2021 erhielten jedoch nur 19 US-Filme die Aufführungserlaubnis – wenig mehr als die Hälfte der erlaubten Quote. Experten sehen das schlechte Verhältnis zwischen den USA und China als Grund dahinter, und auch die Pandemie spiele mit, da sich China immer mehr abkapsle. Doch die Behörden halten auch ausländische Blockbuster teils monatelang zurück.

Stärkste Konkurrenz ausgeschaltet

Besonders schwer betroffen sind die Marvel Studios. Kein Titel des zum Disney-Konzern gehörenden Studios wurde 2021 zugelassen. Weder der internationale Blockbuster „Spider-Man: No Way Home“ noch „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“, ein Superheldenfilm, der in China spielt, durften in chinesischen Kinos gezeigt werden. Offenbar wollte China damit Marvel bestrafen, da nationalistische Trolle chinakritische Worte des in China geborenen Stars des Films, Simu Liu, ausgegraben hatten.

Ähnliches passierte auch der in den USA tätigen, in Hongkong geborenen Regisseurin Chloe Zhao. Weder ihr international ausgezeichneter Film „Nomadland“, der 2020 den Oscar für den besten Film, die beste Regie und mit Frances McDormand auch den Oscar für die beste Hauptdarstellerin bekam, noch der Marvel-Superheldenfilm „The Eternals“ durfte in China aufgeführt werden.