Menschen in einer Bar in Groningen in den Niederlanden.
APA/AFP/ANP/Remko De Waal
Mitten in Omikron-Welle

Teile Europas wagen Lockerungen

Fast ganz Europa leuchtet auf der EU-Ampel-Landkarte dunkelrot – und trotzdem scheint die Zeit von Lockdowns und strikten Maßnahmen vorbei zu sein. Omikron sorgt weiter für sehr hohe Fallzahlen, die Hospitalisierungen bleiben aber deutlich unter jenen früherer CoV-Wellen zurück. In vielen Ländern werden Lockerungen angekündigt oder diskutiert, Dänemark prescht voraus und will schon kommende Woche alle Restriktionen aufheben.

Er wolle, dass die Einstufung von Covid-19 als Bedrohung für die Gesellschaft ab dem 1. Februar gestrichen werde, verkündete der dänische Gesundheitsminister Magnus Heunicke in einem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben an Abgeordnete. Das würde de facto die Aufhebung der derzeit geltenden nationalen CoV-Restriktionen bedeuten, wie etwa die Maskenpflicht und verkürzte Öffnungszeiten für Lokale. Auch entfalle die Prüfung der Impfnachweise, wie die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte.

Der Gesundheitsminister begründete sein Vorhaben mit der hohen CoV-Impfquote in Dänemark. Obwohl sich dort die hochansteckende Omikron-Variante des Coronavirus früh ausgebreitet hat und die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf neue Höchststände hat ansteigen lassen, registrierte das 5,8-Millionen-Einwohner-Land am Dienstag erneut rund 46.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die Regierung gehe derzeit aber davon aus, dass der Höhepunkt der CoV-Welle in Dänemark bald erreicht sei, hob Heunicke im Onlinedienst Twitter hervor.

Immer mehr CoV-Maßnahmen fallen

Trotz Infektionsrekorden in vielen Ländern Europas wollen mehrere Regierungen Lockerungen zulassen. Dänemark hebt sogar alle Pandemie-Maßnahmen auf.

„Wir haben gute Kontrolle über die Hospitalisierungsraten“, fügte der Minister hinzu. Dass die Krankenhäuser nicht überlastet seien, sei darauf zurückzuführen, dass Omikron weniger schwere Krankheitsverläufe verursache und 3,5 Millionen Menschen – und damit mit mehr als 60 Prozent der Bevölkerung – in Dänemark bereits eine Booster-Impfung erhalten hätten. Damit liegt das Land deutlich über den Plänen der Gesundheitsbehörden.

Niederlande öffnen Gastronomie und Kultur wieder

Auch in den Niederlanden werden nach gut einem Monat die strikten CoV-Auflagen wieder gelockert. Wie Regierungschef Mark Rutte am Dienstag bekanntgab, dürfen Restaurants, Bars und Museen ab Mittwoch wieder bis 22.00 Uhr öffnen. Damit reagiere seine Regierung auf die „großen Spannungen“, welche die Beschränkungen im Kultursektor und im Gastgewerbe ausgelöst hätten.

„Wir unternehmen heute einen großen Schritt, um die Niederlande wieder zu öffnen“, sagte Rutte. Zugleich verwies er darauf, dass das angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen ein Risiko bedeute: „Das scheint widersprüchlich vor dem Hintergrund, dass die Infektionszahlen durch die Decke gehen“, sagte Rutte. „Wir müssen klar sagen, dass wir ein Risiko dabei eingehen.“

Reaktion auf Unmut und Proteste

Der erneute Lockdown war in den Niederlanden am 19. Dezember verhängt worden; alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte, Restaurants, Bars, Kinos, Museen und Theater mussten schließen. Dass am 15. Jänner Geschäfte, Fitnessstudios, Friseure und Sexshops wieder öffnen durften, während Bars, Restaurants, Cafes und kulturelle Einrichtungen geschlossen blieben, hatte zu großem Unmut und Protesten geführt.

In einigen niederländischen Städten öffneten Cafes trotz des Verbots, zahlreiche Museen und Konzerthallen öffneten ihre Pforten für Aktionstage und erklärten, die Menschen könnten sich dort die Haare schneiden lassen oder Fitnesskurse absolvieren. Derzeit registrieren die Niederlande rund 60.000 CoV-Neuinfektionen täglich.

Spanien will Covid-19 wie Grippe einstufen

Die spanische Regierung setzt sich dafür ein, Covid als endemische Krankheit wie die Grippe einzustufen, mit deren saisonalen Ausbrüchen die Menschen leben können und die das Gesundheitssystem nicht überlasten. Dieser Schritt sei „an der Zeit und notwendig“, sagte Gesundheitsministerin Carolina Darias.

England lässt fast alle Maßnahmen fallen

Ähnlich argumentierte der wegen Verstößen gegen die CoV-Maßnahmen im Vorjahr schwer in die Kritik gekommene britische Premier Boris Johnson. „Da Covid endemisch wird, müssen wir die gesetzlichen Vorschriften durch Ratschläge und Empfehlungen ersetzen.“ Ab dem 27. Jänner ist in England das Tragen von Masken nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben. Auch die Arbeit im Homeoffice wird nicht mehr offiziell empfohlen, und die Vorlage des Gesundheitspasses in Clubs und bei bestimmten großen Versammlungen ist dann nicht mehr vorgeschrieben.

Für März plant die Regierung das Ende der Isolation für positiv getestete Menschen. „Wir zwingen die Menschen nicht gesetzlich dazu, sich zu isolieren, wenn sie die Grippe haben“, erklärte Johnson. Aufgrund der außerordentlichen Booster-Kampagne könnten die Maßnahmen auslaufen.

Im Vereinigten Königreich entscheidet jeder Landesteil über seine Gesundheitspolitik. Am Dienstag erst hatte die schottische Regierung angekündigt, die meisten der bestehenden Beschränkungen ab kommender Woche wieder aufzuheben. Damit dürfen unter anderem auch Diskotheken wieder öffnen. Wales hatte bereits in der vergangenen Woche ähnliche Schritte angekündigt.

I: Ende der Quarantäne für geboosterte Positive geplant

Italien plant unterdessen ein Ende der Quarantänepflicht für CoV-Infizierte, die schon drei Impfungen erhalten haben. Die Omikron-Variante sei nämlich „bei vollständig Geimpften einer schweren Form der Grippe ähnlich“, sagte Gesundheitsstaatssekretär Pierpaolo Sileri der Tageszeitung „Die Presse“ (Donnerstag-Ausgabe). Auch sei die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des Virus durch eine asymptomatische Person beim Tragen einer FFP2-Maske „äußerst gering“.

„Wenn unsere Annahmen zu den weniger schweren Verläufen durch Omikron durch Zahlen belegt werden, werden wir langsam zu einer Koexistenz mit dem Virus kommen. Dann wird es auch möglich sein, dass ein asymptomatischer Positiver alle Aktivitäten ausüben kann. Wir stehen erst am Anfang dieses Wegs, aber das sollte die Zukunft sein“, sagte der Politiker der Fünf Sterne, der sich schon seit längerer Zeit für eine Zurückdrängung der Quarantäneregeln starkmacht.

Deutschland und Schweden warten ab

In Deutschland will die Regierung noch abwarten und warnt vor Lockerungen. Die bestehenden Beschränkungen wirkten und hätten eine Entschleunigung erreicht, sodass die Omikron-Ausbreitung keine „Steilwand“ geworden sei, heißt es aus dem deutschen Gesundheitsministerium. Nichtsdestoweniger kündigten einzelne Bundesländer kleinere Lockerungsschritte im Bereich Sport- und Kulturveranstaltungen an.

Zurückhaltend zeigt sich auch Schweden. Die derzeit geltenden Einschränkungen werden um zwei Wochen verlängert, wie am Mittwoch bekanntgegeben wurde. Hintergrund sei die sich rasch ausbreitende Virusvariante Omikron, sagte Gesundheitsministerin Lena Hallengren. Bars und Restaurants müssen also weiterhin um 23.00 Uhr schließen. In größeren Veranstaltungsräumen dürfen maximal 500 Personen zusammenkommen.