U-Ausschuss-Tagungsraum Lokal VII
ORF.at/Lukas Krummholz
Start mit Nehammer

Erste Ladungsliste für ÖVP-U-Ausschuss fix

Für den Anfang März beginnenden U-Ausschuss zu den Korruptionsvorwürfen gegen die ÖVP, kurz ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, wurden Mittwochabend die ersten 24 Zeugenladungen beschlossen. Zum Start geladen sind Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Unternehmer Siegfried Wolf und Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, dessen zahlreiche Chats viele Ermittlungen ins Rollen gebracht haben.

Nehammer sei im relevanten Zeitraum Innenminister sowie Generalsekretär der Bundes-ÖVP gewesen, hieß es zu seiner Ladung. Befragt werden soll der Nachfolger von Sebastian Kurz (ÖVP) zu den vier Bereichen des Untersuchungsgegenstands: Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren, mögliche Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes, mutmaßliche Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit sowie vermutete Begünstigung bei der Personalwahl, kurz: Korruption und Postenschacher, bis in die Spitzen der Justiz.

Wolf, bereits erfolglos für den „Ibiza“-U-Ausschuss geladen, sei ein bekannter Kurz-Unterstützer gewesen, hieß es, er habe „Sponsoren-Rallyes“ organisiert und sei von Kurz auch als möglicher Aufsichtsratsvorsitzender der ÖBAG vorgeschlagen worden. Wolf wird auch Fragen zu seinem Abgabenverfahren beantworten müssen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet einen verbotenen Deal zwischen ihm und einer Finanzbeamtin.

Neuerliche Ladung für Schmid

Sollte Wolf nicht kommen, ist auch Schmid geladen. Viele Ermittlungen wurden durch die auf seinem Handy gefunden Chatnachrichten angestoßen, mittlerweile waren aber auch einige andere Handys Quellen für die mittlerweile zahlreichen Ermittlungen.

SPÖ, FPÖ und NEOS wollen im Ausschuss den Zeitraum zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 beleuchten – also jene Zeit, in der Kurz mit Unterbrechung Bundeskanzler war. Zudem sollen auch Vorbereitungshandlungen während der Phase des Machtwechsels in der ÖVP von Ex-Vizekanzler und -Klubchef Reinhold Mitterlehner zu Kurz – Stichwort „Projekt Ballhausplatz“ – einbezogen werden.

Wie brisant wird der U-Ausschuss?

In den nächsten Monaten sollen im ÖVP-U-Ausschuss mögliche Fälle von Korruption und Postenschacher durch die ÖVP untersucht werden. Neu aufgetauchte Handychats verleihen dem U-Ausschuss zusätzliche Brisanz.

Wiedersehen mit Zadic und Vrabl-Sanda

Für die weiteren Sitzungen ist Justizministerin Alma Zadic (Grüne) geladen, sie soll Fragen zur möglichen Beeinflussung von Ermittlungen beantworten. Ebenfalls Rede und Antwort stehen soll auch ihr Vorgänger Wolfgang Brandstetter, der zu seinem Verhältnis zum suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek befragt werden soll. Im Zuge der Veröffentlichung von Chats der beiden war der frühere ÖVP-Justizminister von seiner Position beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Juni 2021 zurückgetreten. Gegen Pilnacek laufen einige Verfahren.

Auch in diesen Ausschuss geladen ist WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, ebenso wie Andreas Holzer, früherer Leiter der „SoKo Tape“ und nunmehriger Bundeskriminalamtschef. Erstmals auf Seite der Befragten sitzt der einstige Grün-Politiker und nunmehrige Journalist Peter Pilz.

Pilz will Chats zu Sobotka vorlegen

Pilz kündigte an, Chats vorzulegen, die Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, ehemals Innenminister der ÖVP, belasten würden. Sobotka leitet als Nationalratspräsident den Ausschuss, ist aber wegen möglicher Verstrickungen sehr umstritten – auch bei den Grünen. Michael Kloibmüller, dessen Handychats zuletzt für Aufregung und Degradierungen sorgten, war jahrelang Kabinettschef im Innenministerium, auch unter Sobotka. Befragen wollen die Abgeordneten weiters den Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, und den ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP).

Das Ladungsverlangen der Oppositionsparteien umfasst vorerst nur den Monat März. An den Befragungstagen sollen maximal zwei Auskunftspersonen befragt werden, das ist eine weniger als beim „Ibiza“-U-Ausschuss. Drei Personen an einem Tag zu befragen hatte sich als zu ehrgeizig herausgestellt. Der Ausschuss wird wie der erst im September offiziell zu Ende gegangene „Ibiza“-U-Ausschuss im Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek stattfinden. Derzeit sind 25 Befragungstage geplant.

„Problembären gleich am Anfang“

Unmittelbar vor der Ladungssitzung äußerten sich die Fraktionsführerinnen und Fraktionsführer der Opposition: Kai Jan Krainer von der SPÖ sagte, dass man mit den „Problembären beginnen“ werde, damit man genügend Zeit habe, um sie (bei möglichem Nichterscheinen) wiederholt laden zu können bzw. falls nötig rechtliche Schritte setzen können. Generell solle der Ausschuss dazu dienen, „systematisch Korruption in der ÖVP aufzudecken“, ein Beispiel sei hier die Causa Wolf.

„ÖVP versucht uns mit Akten zuzumüllen“

Bei der Befragung Nehammers wolle man herausarbeiten, was er unternehme, „um diese ÖVP-Korruption abzustellen und um die aufzuklären“, wie Krainer sagte. Man wolle dem Kanzler „die Bühne für die Aufklärung geben“. Generell versuche die ÖVP derzeit, den Ausschuss „mit Akten zuzumüllen“. Ganz im Gegensatz zum „Ibiza“-Ausschuss werde nun viel wertloses Material geliefert, das man gar nicht wolle. Bisher seien nämlich 800 gar nicht angeforderte Akten in Papier geliefert worden, was mehrere 100.000 Seiten bedeute. „Die ÖVP versucht, uns die Arbeit schwerzumachen“, so Krainer.

Die Klubobmann-Stellvertreterin der FPÖ, Susanne Fürst, sprach angesichts der letzten Chatveröffentlichungen von einem „Sittenbild“ der Vorgänge in der ÖVP. Entsprechend seien „Schlüsselpersonen der ÖVP-Landschaft“ geladen. Die Ladung Nehammers zum Start sei „keine Effekthascherei“, versicherte Fürst, es gehe lediglich darum, dass der nunmehrige Kanzler im Untersuchungszeitraum in einigen für den Untersuchungsgegenstand relevanten Positionen war.

Krisper: „Best of Korruption“

Auch NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper äußerte sich ähnlich: Es gehe nicht um Personen, wie die ÖVP das „als Opfernarrativ trommelt“, sondern darum, „ein System aufzuzeigen“. Es handle sich um ein „Best of Korruption“, einige Akteure hätten sich „mit Dreistigkeit bedient“. Österreich sei „kein Selbstbedienungsladen“. Es stelle sich die Frage, was zu ändern sei, „damit so etwas nicht mehr passiert“. Auch hole man jetzt Ladungen von Personen nach, die „uns abhandengekommen sind beim letzten U-Ausschuss“, so Krisper.

Hanger sieht Ausschuss „gelassen“

Der ÖVP-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Andreas Hanger, sieht den Befragungen gelassen entgegen. Er sei sich sicher, dass die Ministerien im Untersuchungszeitraum korrekt gearbeitet hätten, so Hanger am Mittwoch. Sollte es doch zu Verfehlungen gekommen sein, müssten aber auch entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Die ÖVP stehe für „volle Transparenz und volle Aufklärung“, beteuerte Hanger.

Dass seine Partei, die ÖVP, im Untersuchungsausschuss „pauschal verunglimpft“ werde, will er aber nicht zulassen. Wichtig ist dem Abgeordneten, der sich bereits im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss einige Wortgefechte mit der Opposition geliefert hatte, dass die Aktenlieferungen vonseiten der Ministerien und Behörden in vollem Umfang erfolgen. Das betreffe auch etwa Förderverträge und Personalentscheidungen.

25. Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist der 25. Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik. Zum fünften Mal seit der großen Reform vor sieben Jahren hat eine parlamentarische Minderheit getragen von SPÖ, FPÖ und NEOS den Ausschuss ins Leben gerufen. Grüne und ÖVP mussten allerdings noch ihr geschäftsordnungsmäßiges Okay geben. Bei einem „Minderheitsausschuss“ ist ein „Abdrehen“ durch die Mehrheit nicht möglich. Bisher wurden der Hypo-, der zweite Eurofighter-, der BVT- und der „Ibiza“-U-Ausschuss von einer parlamentarischen Minderheit eingesetzt.