Kunstschneepiste für die Olympischen Spiele inmitten grüner Natur in China
Reuters/Pawel Kopczynski
Olympia

Fake-Winter bei Spielen in Peking

Ein Wintersportevent ohne Kunstschnee ist kaum noch vorstellbar. Was bis in die 1980er Jahre gang und gäbe war, ist in Zeiten der Klimakrise quasi nicht mehr möglich. Peking setzt für Olympia heuer in dieser Hinsicht trotzdem ganz neue Maßstäbe: 100 Prozent der weißen Unterlage sind künstlich produziert. Und auch sonst war der Austragungsort davor für vieles bekannt – nur nicht für Wintersport.

Das Beispiel Peking sollte, so eine Forschergruppe der britischen Universität Loughborough in einer aktuellen Studie, „eine Debatte über die Zukunft der Winterspiele und die Grenzen der Herstellung künstlicher natürlicher Umgebungen auslösen“.

Von den 21 Austragungsorten, die seit den Spielen im französischen Chamonix im Jahr 1924 genutzt wurden, könnten den Forschern zufolge bis 2050 nur noch zehn für eine solche Veranstaltung geeignet sein. Chamonix und andere Orte in Frankreich, Norwegen und Österreich kämen kaum noch infrage. Vancouver, Sotschi und das Squaw Valley in den USA galten als „unsichere“ Austragungsorte.

Kunstschneepiste für die Olympischen Spiele inmitten grüner Natur in China
Reuters/Pawel Kopczynski
Ein weißes Band in brauner Landschaft – die Abfahrtspiste der Winterspiele

Die klimatischen Bedingungen an den Austragungsorten rund um die chinesische Hauptstadt sind eigentlich nicht schlecht für Winterspiele – zumindest was die Temperaturen angeht: Trockene Kälte, oft unter null Grad, ist für Ski- und Eislaufbewerbe nahezu ideal. Auf natürlichen Schnee in ausreichender Menge würde man aber auch in einem niederschlagsreichen Winter vergeblich hoffen.

Kunstschnee-Kow-how aus Europa

Um die Pisten und Loipen dennoch bewerbsfähig präparieren zu können, setzt China auf Know-how aus Südtirol. Die in Bozen gegründete Firma TechnoAlpin konnte sich 2019 alle Ausschreibungen rund um die olympischen Schneesportbewerbe sichern. Das Unternehmen, das seit 2013 eine Niederlassung in China betreibt, bringt bereits einiges an Erfahrung im Bereich Großveranstaltungen mit und war bereits sechsmal bei Olympia an Bord, wie es in einer Aussendung heißt.

Alleine in Yanqing, wo die alpinen Skibewerbe ausgetragen werden, seien 170 Schneekanonen und 30 Schneelanzen im Einsatz. Dazu kämen über 100 weitere Geräte an den anderen Austragungsorten, so ein AlpineTech-Manager gegenüber dem Magazin „Sports Illustrated“.

Enormer Wasserbedarf in trockener Gegend

Der Wasserbedarf für die Schneeproduktion ist enorm – und wird über ein Netz an Rohren auf den Berg gepumpt. Für die Gegend, in der schon ohne Kunstschnee extreme Wasserknappheit herrscht, ist das ein Kraftakt. Wie das Magazin „Bloomberg“ berichtet, wurden extra für die Spiele elf gigantische Wassertanks, die Regen- und Schmelzwasser auffangen sollen, errichtet.

Dass die Wasserknappheit ein augenscheinliches Problem sein könnte, fiel schon dem Internationalen Olympischen Komitee bei der Evaluierung der Bewerbung auf: Das nördliche China leide unter enormer Wasserknappheit, und die Region Peking-Zhangjiakou zunehmend unter Trockenheit, heißt es in der Bewertung. Peking habe allerdings Studien vorgelegt, wonach die Umorientierung der Region von Landwirtschaft durch die Winterspiele in Richtung Tourismus den Wasserverbrauch in der Region reduzieren würde. Die Kommission vermutete, dass Peking die Wassermenge unterschätze, die benötigt werde, ging aber davon aus, dass es möglich sei, diese bereitzustellen.

Zur riesigen Wassermenge kommt ein enormer Energieaufwand, der benötigt wird, um das Wasser in die Region und auf die Berge zu pumpen und dann in Schnee zu verwandeln. Gegenüber der ARD erklärte Li Xin, für die Schneeproduktion bei Olympia zuständig, dass auch das nachhaltig realisiert werde: „Wir nutzen nur grünen Strom aus Wind- und Sonnenenergie. Und das Wasser kommt aus Flüssen, Seen und Reservoirs. Wir nutzen kein Grundwasser. Dadurch können wir sicherstellen, dass es umweltfreundliche Olympische Spiele werden.“

Olympisches Skisprungzentrum nahe Chogli in China
GEPA/Osports
Ebenfalls ganz neu: das Skisprungzentrum. Nach Olympia soll es von der Nationalmannschaft zum Training und als Touristenresort genutzt werden.

Wenig glaubwürdige Nachhaltigkeitsversprechungen

Das Nachhaltigkeitsmantra, mit dem Peking für die Spiele wirbt, wird innerhalb der autoritären Volksrepublik naturgemäß kaum laut infrage gestellt. Wie das Magazin „Nature“ berichtete, wurden entsprechende Kommentare von chinesischen Social-Media-Seiten entfernt. Schon seit der Vergabe der Spiele 2015 an Peking ist die Kritik von außerhalb dafür umso größer. Umweltschutzorganisationen kritisieren die Nachhaltigkeitsansagen als Farce.

Carmen de Jong, Professorin für Geografie an der Universität Straßburg, prognostizierte, dass Peking 2022 „die unnachhaltigsten Spiele aller Zeiten“ würden. „Es ist einfach zu viel im Spiel, was Wasser angeht, Bodenverlust, CO2-Ausstoß und so weiter.“

Grafik zeigt die Sportstätten in Peking
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Sommerspielstätten umfunktioniert

Einer der offiziellen Gründe, weshalb sich Peking als besonders nachhaltig empfindet, ist die Tatsache, dass es nun als erste Stadt Gastgeberin für sowohl Sommer- als auch Winterolympia ist. Einige Austragungsstätten, die schon im Sommer 2008 im Rampenlicht standen, werden jetzt wiederverwendet, „als Teil des Nachhaltigkeitsplans des Pekinger Organisationskomitees“, wie es im Konzept auf der Peking-2022-Website heißt. In dem als „Vogelnest“ bekannt gewordenen Nationalstadion werden Eröffnungs- und Abschlussfeier stattfinden, die Schwimmhalle wird vom „Water Cube“ zum „Ice Cube“ und damit zum Austragungsort der Curling-Bewerbe.

Die Handball-, Gymnastik- und Basketballhallen werden ebenfalls mit aufwendiger Technik vereist und dienen ab kommender Woche als Eishockeyarenen. Die einzige Indooranlage, die für die Winterspiele komplett neu gebaut wurde, steht mittlerweile komplett fertig auf dem damaligen Feldhockey- und Bogenschießareal im Olympiapark.

Olympisches Dorf nahe Yanquing
GEPA/Osports
Wettkampfmäßig gerodelt wird ab nächster Woche in Yanqing, wo neben den Sportanlagen auch ein eigenes olympisches Dorf gebaut wurde

Neue Anlagen in den Hügeln und Bergen rund um Peking

Bei den Outdoorsportarten ist die Lage freilich komplizierter. Für die Rodelbewerbe wurde in Yanqing, 75 Kilometer nordwestlich von Pekings Stadtzentrum, die erste Wettkampfrodelbahn Chinas und die erst dritte in Asien aus dem Boden gestampft.

Besonders große Zukunftshoffnung legt China auf Zhangjiakou. In wenigen Jahren wurden dort gleich mehrere Skitourismusorte von Grund auf neu gebaut. Mit schneller Zugsverbindung nach Peking – in nur 50 Minuten erreichbar – verzeichnete die Region zuletzt drei Millionen Gäste jährlich. Für die von Armut geprägte Region ist der Tourismus eine Zukunftshoffnung – ob die Wertschöpfung bei den Menschen ankommt, bleibt fraglich.