Bundeskanzler Karl Nehammer und Israels Außenminister Jair Lapid im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
APA/Roland Schlager
Holocaust-Gedenktag

Mahnende Worte wider das Vergessen

Zum Internationalen Holocaust-Gedenktag anlässlich der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz haben am Donnerstag zahlreiche Politikerinnen und Politiker die Erinnerung an die Opfer eingemahnt. Man müsse dafür sorgen, „dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden“, sagte etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

„Wir gedenken heute der Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten vertrieben, gefoltert und ermordet wurden“, schrieb Van der Bellen anlässlich des Gedenktags auf Facebook. Es sei „unser Wille und unsere Verpflichtung, die Erinnerung an die Opfer zu bewahren“ und daran zu erinnern, dass „nicht nur die Opfer, sondern auch die Täter und Täterinnen Teil unserer Gesellschaft und von ihr geprägt waren“. Man werde dem Andenken der Opfer nur gerecht, wenn man Antisemitismus und Rassismus entschieden entgegentrete.

Man werde weiterhin gegen jede Form des Antisemitismus kämpfen, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich wie andere Regierungsmitglieder von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) abwärts mit „We remember“-Schildern in sozialen Netzwerken zeigte. „Die Zeit des grausamen NS-Terrorregimes zählt zu den dunkelsten Kapiteln der österreichischen und europäischen Geschichte“, so Nehammer auf Facebook. „Die Gräueltaten des Nationalsozialismus dürfen sich nie mehr wiederholen. Daher ist es die Pflicht, neu aufkeimendem Antisemitismus und Hass Einhalt zu gebieten“, so Kogler.

Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
APA/Roland Schlager
Nehammer, Schallenberg und Lapid beim Besuch in Mauthausen

Nehammer besuchte am Donnerstag gemeinsam mit Israels Außenminister Jair Lapid und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) auch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Oberösterreich. Gemeinsam legten sie dort einen Kranz zum Gedenken nieder – mehr dazu in ooe.ORF.at. Für Lapid war es auch ein sehr persönliches Gedenken an seinen dort zu Tode gekommenen Großvater Bela Lampel. Im Rahmen einer Zeremonie wurden auch in Wien am Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah auf dem Judenplatz Kränze niedergelegt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Bekenntnis zu Verantwortung

Aus Anlass des Gedenktags wurde auch eine von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) initiierte Erklärung verabschiedet. Darin bekennen sich die österreichische Staats- und Regierungsspitze sowie die heimischen Oppositionsparteien zur Verantwortung, die sich aus dem Holocaust-Gedenken ableitet. „Wir alle sind gefordert, Zivilcourage zu zeigen, zu widersprechen, wenn antisemitische, romafeindliche oder fremdenfeindliche Worte fallen“, heißt es in der Erklärung.

Sie wurde vom Bundespräsidenten, den Parteispitzen, Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), IKG-Präsident Oskar Deutsch sowie dem Obmann des Roma-Service, Emmerich Gärtner-Horvath, unterzeichnet. Sie nahmen an einer Gedenkfeier bei der Schoah-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien teil – mit Ehrengast Lapid. Vertreter der FPÖ wurden von der IKG nicht als Unterzeichner genannt.

Gedenktag seit 2005

Die UNO hatte den internationalen Gedenktag 2005 ins Leben gerufen. Am 27. Jänner 1945 befreiten Angehörige der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auschwitz. Bis heute gilt das NS-Vernichtungslager als Symbol für den Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden und Millionen anderen Menschen, die von den Nazis verfolgt wurden, wie Roma und Homosexuelle. Zahlreiche Veranstaltungen am Donnerstag sollen daran erinnern.

Zeremonien wurden etwa auf dem ehemaligen Lagergelände in Auschwitz, im deutschen Bundestag in Berlin und im EU-Parlament abgehalten. An einer Onlinegedenkfeier der israelischen Vertretung bei den Vereinten Nationen nehmen UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und der israelische Botschafter in Wien, Mordechai Rodgold, teil. Man beobachte „mit Schrecken, wie Xenophobie und Hass erneut um sich greifen“, so Guterres in einer Stellungnahme. „Wer Hass stillschweigend hinnimmt, macht sich mitschuldig“, sagte er und rief zu Wachsamkeit auf.

Weltweite Kampagne „#WeRemember“

In einer Debatte mit Experten und Expertinnen in Wien sagte Nationalratspräsident Sobotka, Antisemitismus sei nicht nur eine Bedrohung von Jüdinnen und Juden, er sei auch eine Gefahr für die Demokratie insgesamt. Es sei zudem nicht damit getan, einmal nach Mauthausen zu fahren oder einen Gedenktag abzuhalten, sondern es brauche eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema.

Als Zeichen nahm das österreichische Parlament an der digitalen Kampagne „#WeRemember“ des World Jewish Congress (WJC) und der UNESCO teil. Die weltweite Gedenkkampagne soll ein Bewusstsein für die Bedeutung von Erinnerungskultur für die Gegenwart schaffen. Mit der digitalen Erinnerungsaktion wolle man Holocaust-Leugnung und Verschwörungsmythen in sozialen Netzwerken entgegenwirken. Auch viele nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten sowie das Europäische Parlament beteiligten sich.

Aufruf zu „lebendiger Erinnerungskultur“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sieht in der Errichtung einer Gedenkstätte im ehemaligen KZ Gusen eine wichtige Maßnahme zur Stärkung einer lebendigen Erinnerungskultur. Der Ankauf der verbliebenen Teile des ehemaligen KZ Gusen wurde Ende Dezember 2021 abgeschlossen, so Karner in seiner Aussendung.

„Nur durch eine lebendige Erinnerungskultur in den Schulen und auch in der Wissenschaft können wir dafür sorgen, dass sich solche Verbrechen nie wieder wiederholen“, sagte ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek. „Der Kampf gegen Antisemitismus hat leider nichts an Aktualität verloren“, verwies Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in einer Stellungnahme auf die Demonstrationen von CoV-Impfgegnern, die das „in erschreckender Art und Weise“ zeigten.

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) rief anlässlich des Holocaust-Gedenktags dazu auf, antisemitischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. Das Erinnern dürfe nicht aufhören, „denn ohne Erinnerung gibt es weder eine Überwindung des Bösen noch Lehren für die Zukunft“ – mehr dazu in religion.ORF.at.

Rendi-Wagner: Achtsam sein

Der Vergleich von CoV-Maßnahmen mit totalitärer Politik oder gar dem Faschismus komme einer Verharmlosung der Nazi-Herrschaft gleich, kritisierte auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung. „Es beginnt mit der Sprache und mit Symbolen – überall, auf der Straße, im öffentlichen Raum, im privaten Bereich, im Parlament. Wir alle sind aufgefordert, achtsam zu sein.“ Es dürfe null Toleranz gegenüber Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass geben.

„Gerade in einer Zeit der globalen Verunsicherung durch die Pandemie, in der zunehmend antisemitisches Gedankengut verbreitet wird, ist es unabdingbar, dass wir uns an den Holocaust nicht nur erinnern, sondern auch Zivilcourage zeigen und widersprechen, wenn antisemitische oder fremdenfeindliche Worte fallen“, meinte auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Hofer: Aufgabe verantwortungsvoller Politik

Seitens der FPÖ meldeten sich FPÖ-Chef Herbert Kickl und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer in einer Aussendung zu Wort. Es sei die Verpflichtung der Republik Österreich, „unsere jüdischen Mitbürger vor Angriffen und Anfeindungen zu schützen“, so Hofer. Menschen seien unter bestimmten Voraussetzungen zu unfassbaren Taten fähig – eine Mischung aus Angst, Hass und Verblendung mache solche Entwicklungen möglich. „Es ist Aufgabe verantwortungsvoller Politik, Mut zu machen, Angst zu nehmen und Verführer bloßzustellen“, so Hofer.

„Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz, und es darf ihm auch kein Raum gegeben werden“, so auch Kickl in einer Aussendung. „Nur wenn wir den Opfern dieser unbeschreiblichen Tragödie eine Stimme geben, die nie verstummt, kann ihnen auch in Zukunft ihr Platz unter uns gesichert sein. Mit der Ermordung der jüdischen Bevölkerung hat unser Land nicht nur Wissenschaft, Kunst und Kultur, sondern auch einen Teil seiner Seele verloren.“

Es sei das Gebot der Stunde, „die Demokratie zu festigen und allen Formen aufkeimender autoritärer Tendenzen in Österreich entschieden entgegenzutreten – egal, woher sie kommen“, so Kickl. Der FPÖ-Chef hatte der aktuellen Bundesregierung unter anderem wegen ihrer CoV-Politik immer wieder unterstellt, „autoritär“ zu agieren.

Pandemie „wie ein Brandbeschleuniger“

Die Pandemie verstärkt nach Einschätzung des WJC den Antisemitismus. „Die Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Menschen vergleichen den Holocaust verharmlosend mit Impfungen“, so WJC-Präsident Ronald Lauder zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Kritik an CoV-Maßnahmen sei Antisemitismus noch gesellschaftsfähiger und damit gefährlicher geworden, sagte Lauder.

Bei Protesten auch in Österreich sind immer wieder gelbe Sterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ in Erinnerung an das Zwangskennzeichen für Juden im NS-Regime zu sehen. Nationalratspräsident Sobotka will angesichts dessen den Straftatbestand zu Antisemitismus erweitern lassen, sagte er am Rande seiner letzten Berlin-Reise. „Die Verächtlichmachung der Opfer des Nazi-Regimes muss ein Straftatbestand sein.“