Die Gasleitung Nord Stream 2
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USA warnen Moskau

Bei Einmarsch kein „Nord Stream 2“

In der Ukraine-Krise laufen derzeit parallel viele internationale Bemühungen, einen militärischen Konflikt zu verhindern. Die russische Reaktion auf die aus seiner Sicht unzureichende US-Antwort auf das Verlangen nach Sicherheitsgarantien fiel unerwartet zurückhaltend aus. Zugleich geht zumindest laut US-Angaben der Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine weiter. Washington warnte Moskau: Im Fall eines Einmarschs werde die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ keine Zukunft haben.

„Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird ‚Nord Stream 2‘ nicht in Betrieb gehen“, sagte die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland am Donnerstag vor Journalisten. „Ich denke, die Aussagen, die – auch heute – aus Berlin kommen, sind sehr, sehr deutlich.“ Washington setze seine Gespräche mit der deutschen Regierung diesbezüglich fort, so Nuland. Sie verwies zudem darauf, dass die Pipeline noch nicht von den deutschen Aufsichtsbehörden getestet oder zertifiziert worden sei.

„Nord Stream 2“ war zuletzt ins Zentrum der Debatten über mögliche Sanktionen gegen Russland gerückt. Innerhalb der Regierung in Berlin gibt es unterschiedliche Positionen zu der Pipeline. Insbesondere die Grünen bewerten das Vorhaben kritisch, während der Koalitionspartner SPD eine Abkehr von dem Projekt bisher ablehnte.

Baerbock stellt „harte Antwort“ in Aussicht

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte für den Fall eines russischen Einmarschs in die Ukraine wiederholt vor Konsequenzen für die Pipeline. Bei einer Debatte zum Ukraine-Konflikt im Bundestag drohte Baerbock Moskau am Donnerstag erneut mit einer „harten Antwort“ auf eine mögliche Eskalation des Konflikts. „Bei einer neuen Aggression steht uns eine breite Bandbreite an Antworten zur Verfügung, inklusive ‚Nord Stream 2‘“, sagte sie mit Blick auf die russisch-deutsche Gaspipeline.

Nuland forderte in ihrer Rede zudem China auf, seinen Einfluss auf Russland in dem Konflikt zu nutzen. „Wenn es in der Ukraine zu einem Konflikt kommt, ist das auch für China nicht gut“, betonte die hochrangige Vertreterin des US-Außenministeriums. Peking müsse bei seinem Verbündeten auf eine diplomatische Lösung pochen. Peking hatte zuletzt an alle Seiten appelliert, vor und während der Olympischen Winterspiele in China den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.

Grafik zeigt den Verlauf der Ostsee-Gas-Pipelines Nord Stream I und II
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa

Österreich würde westliche Sanktionen gegen Russland unterstützen, wenn das Land in die Ukraine eindringt, selbst wenn sie die „Nord Stream 2“-Gaspipeline in der Ostsee umfassen. Das sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegenüber „Politico“ (Onlineausgabe). „Hier braucht es eine klare Position – und wir unterstützen auf jeden Fall Sanktionen bis einschließlich Nord Stream und natürlich Gas“, sagte Sobotka bei einem Besuch in Berlin.

Österreich sei in den letzten Tagen hinter den Kulissen in Europa kritisiert worden, nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer und sein Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) signalisiert hatten, dass Wien die Verknüpfung von Russlands Vorgehen in der Ukraine mit Sanktionen gegen die Pipeline nicht unterstütze, kommentierte „Politico“ Sobotkas Aussagen.

Macron will Putin Deeskalationsweg vorschlagen

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will seinem russischen Kollegen Wladimir Putin unterdessen einen Weg der Deeskalation im Konflikt mit der Ukraine vorschlagen. Am Freitag wollen die beiden Staatschefs dazu telefonieren. Macron sieht das Gespräch auch als Anlass, zu schauen, wo genau man in der aktuellen Situation stehe. In einigen Punkten erhofft er sich zudem Klarstellungen von russischer Seite.

Erst am Mittwoch hatte es in Paris ein Treffen im Normandie-Format gegeben, dem neben der Ukraine und Russland auch Vermittler aus Frankreich und Deutschland angehören. Substanzielle Fortschritte blieben dabei nach deutscher Darstellung aber aus.

USA: Russland setzt Aufmarsch fort

Die Stärke der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze hat nach Angaben der US-Regierung „in den vergangenen 24 Stunden“ weiter zugenommen. „Was die russischen Aufrüstungen betrifft, so sehen wir – auch in den vergangenen 24 Stunden – eine weitere Ansammlung von (…) Kampftruppen, die von den Russen im westlichen Teil ihres Landes und in Belarus aufgestellt wurden“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstag.

Kirby wollte nicht sagen, wie viele bewaffnete Kräfte zuletzt hinzugekommen seien. Die Aufrüstung sei nicht „dramatisch“ gewesen, aber auch nicht „erstarrt“. Kirby kündigte seinerseits weitere Militärhilfe für die Ukraine an. Die nächsten Lieferungen sollen bald an Ort und Stelle eintreffen.

US-Präsident Joe Biden warnte am Donnerstag in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski, dass die „eindeutige Möglichkeit“ bestehe, „dass die Russen im Februar in die Ukraine einmarschieren könnten“. Zudem sagte das Weiße Haus, „zusätzliche makroökonomische Unterstützung“ prüfen zu wollen. Laut Selenski wurde über die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung für die Ukraine gesprochen.

USA beantragen Sicherheitsratssitzung

Der UNO-Sicherheitsrat soll sich zum ersten Mal mit der gegenwärtigen Ukraine-Krise beschäftigen. Die Vereinigten Staaten beantragten am Donnerstag ein Treffen des mächtigsten UNO-Gremiums für Montag, wie die dpa aus Diplomatenkreisen erfuhr. Die Beratungen in New York sollen öffentlich abgehalten werden.

Streit um Einflusssphäre Ukraine

Die NATO-Staaten und zahlreiche andere Länder kritisieren den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine seit Wochen. Westliche Geheimdienste befürchten einen russischen Einmarsch in das Nachbarland. Für denkbar wird aber auch gehalten, dass der Aufmarsch vor allem ein Druckmittel sein soll, um die NATO-Staaten dazu zu bringen, russische Vorschläge für neue Sicherheitsvereinbarungen zu akzeptieren.

Moskau will verhindern, dass die NATO direkt an Russland angrenzt und verlangt daher von den USA eine Garantie, dass die Ukraine nie NATO-Mitglied werden kann. Ein Beitritt steht derzeit nicht zur Debatte. Baerbock etwa wies die Forderungen Moskaus als grundlos zurück: „Dass das (NATO-Beitritt der Ukraine, Anm.) derzeit nicht auf der Tagesordnung steht, weiß jeder, auch Russland“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitag-Ausgaben). Eine Garantieerklärung lehnen die USA allerdings ab.