Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser
APA/Roland Schlager
BUWOG-Prozess

Schriftliches Urteil liegt vor

Am 4. Dezember 2020 wurden Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere Angeklagte – darunter die Ex-Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger – von Richterin Marion Hohenecker im BUWOG-Prozess in erster Instanz nicht rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nun liegt das schriftliche Urteil vor, es wurde Freitagfrüh zugestellt.

Auf knapp 1.300 Seiten begründet Hohenecker ihr Urteil, nun ist die Verteidigung mit allfälligen Einsprüchen am Zug. Grasser hatte bereits nach der Urteilsverkündung den Gang in die Berufung angekündigt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Grasser durch Untreue rund um Millionenzahlungen bei der Privatisierung der Bundeswohnungen BUWOG im Jahr 2004 und des Linzer Bürohauses Terminal Tower der Republik Schaden verursacht hatte.

Aufgrund der angemeldeten Rechtsmittel von acht Angeklagten ist das Urteil nicht rechtskräftig, hieß es am Freitag seitens des Landesgerichts für Strafsachen Wien in einer Aussendung. Zur Entscheidung darüber sei nun der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien zuständig. Die zu sechs Angeklagten ergangenen Freisprüche seien in Rechtskraft erwachsen, die Anklagebehörde habe die Senatsentscheidung akzeptiert, wurde erinnert.

Gerichtssaal
APA/Helmut Fohringer
Nach fast drei Jahren kam der Prozess gegen Grasser und andere im Dezember 2020 zu einem Ende

Grassers Anwalt Manfred Ainedter kündigte am Freitag an, eine Fristverlängerung zu beantragen. Er kritisierte das „seltsame Versteckspiel mit der Zustellung“, das „passt zum Verfahren“. Das schriftlich zugestellte Urteil ist, wie üblich und dem Rechtsrahmen entsprechend, nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Es lag aber mehreren Medien vor.

„Gleichgültige Einstellung“

„Aus seinen Tathandlungen erhellt, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser gegenüber rechtlich geschützten Werten eine besonders gleichgültige Einstellung hegt“, schreibt darin Richterin Hohenecker. Der Ex-Minister sei schuldig, seine Befugnisse über fremdes Vermögen wissentlich missbraucht zu haben, er habe dadurch der Republik Österreich einen Vermögensschaden in der Causa BUWOG von insgesamt 9,6 Mio. Euro und in der Anklage Terminal Tower Linz von 200.000 Euro verursacht.

Grasser habe das Verbrechen der Untreue, das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels und das Verbrechen der Geschenkannahme durch Beamte begangen. Grassers ebenfalls verurteilter Trauzeuge Meischberger habe sich um die „Errichtung eines der Verschleierung dienenden Vertragswerkes zur diskreten Abwicklung der Provisionszahlungen bemüht“. Er habe dem ehemaligen Minister auch „psychischen Rückhalt“ geboten.

Schriftliches Urteil liegt vor

Am 4. Dezember 2020 wurden Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere Angeklagte – darunter die Ex-Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger – von Richterin Marion Hohenecker im BUWOG-Prozess in erster Instanz nicht rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nun liegt das schriftliche Urteil vor.

Zum Tatplan der nicht rechtskräftig Verurteilten heißt es: „Im Jahr 2000 kamen Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, Dr. Peter Hochegger und KR Ernst Karl Plech überein, aus dem Umstand, der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs, aber insbesondere aus der Ministertätigkeit von Mag. Karl-Heinz Grasser, privaten Profit zu schlagen.“

Urteil mit Vorbildwirkung

Als erschwerend für die Strafzumessung habe sich bei Grasser unter anderem das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum und die sorgfältige Planung der Taten ausgewirkt. Als mildernd werden der bisherige ordentliche Lebenswandel sowie das lange Zurückliegen der Taten und das seitherige Wohlverhalten angeführt.

Weiters heißt es in dem der APA vorliegenden Urteil: „Ebenso zu berücksichtigen war, dass es zur Stärkung des Vertrauens in demokratische Institutionen erforderlich ist, potentiellen Straftätern im Bereich der Korruptionsdelikte deutlich vor Augen zu führen, dass diesbezügliche Verfehlungen auch höchster Organwalter entsprechende Sanktionen nach sich ziehen; denn nur so kann die Normtreue sichergestellt werden.“

Grasser: „Ich weiß, dass ich unschuldig bin“

Eine Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen vier Wochen ab Zustellung des schriftlichen Urteils einzubringen. Im Falle extremen Umfangs des Verfahrens habe das Landesgericht diese Frist über Antrag zu verlängern, heißt es. „Ich weiß, dass ich unschuldig bin“, hatte Grasser seinerzeit gesagt, der sich nach dem Urteil „traurig, schockiert und erschrocken“ zeigte.

Grasser wurde wegen der Verbrechen der Untreue und der Geschenkannahme durch Beamte sowie der Vergehen der Beweismittelfälschung zu acht Jahren Haft verurteilt, Meischberger erhielt sieben und der teilgeständige Hochegger sechs Jahre Gefängnis, nicht rechtskräftig.

Prozess und Ermittlungen dauerten Jahre

Der Prozess gegen Grasser und insgesamt 14 weitere Angeklagte (einer verstarb mittlerweile) hatte bereits am 12. Dezember 2017 begonnen. Zuvor war sieben Jahre lang ermittelt worden. Wegen der Pandemie war das Verfahren im Frühling ausgesetzt worden. In seinem Urteil war das Gericht über weite Strecken der Anklage gefolgt.

Die Richterin nahm in ihrem Urteil auch zur Dauer des Verfahrens Stellung. Es habe sich nicht um ein im juristischen Sinn unverhältnismäßig langes Verfahren, das zu einer Strafmilderung führen würde, gehandelt, argumentierte sie. Denn eine überlange Verfahrensdauer liege nur vor, wenn man den Behörden eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung vorwerfen könne.

Zu berücksichtigen sei, dass Ermittlungen gegen mehr als 40 Beschuldigte geführt wurden. Im Ermittlungsverfahren seien über 150 Zeugen einvernommen worden, 110 Ermittlungsanordnungen wie Hausdurchsuchungen, Kontoöffnungen und Telefonüberwachungen durchgeführt worden, darunter auch im Ausland. „Überdies wurde eine Vielzahl an Beschwerden und Einsprüchen von der Verteidigung eingebracht“, heißt es im Urteil. Dennoch sei bei allen Angeklagten die lange Verfahrensdauer als mildernd veranschlagt worden.

Frage zu Geheiminfos stand im Zentrum

Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob bei der BUWOG-Privatisierung geheime Informationen von Grasser über Meischberger und Hochegger an die letztlich siegreichen Bieter Immofinanz und RLB OÖ geflossen waren. Grasser und Meischberger hatten das bestritten, laut dem Gericht kam allerdings nur Grasser infrage. Mittels eines Tipps von Hochegger und Meischberger überboten Immofinanz/RLB OÖ die mitbietende CA Immo knapp um eine Million und gewannen mit 961 Mio. Euro den Zuschlag für die Bundeswohnungen.

Neben der Anklage zu Korruptionsverdacht bei der BUWOG und dem Linzer Bürohaus Terminal Tower wurden auch andere Anklagen in den Prozess aufgenommen, unter anderem zur Causa Telekom-Valora-Parteienfinanzierung.

Neues Verfahren steht bevor

Unabhängig von diesem Verfahren wird Grasser schon bald wieder im Wiener Straflandesgericht auf der Anklagebank sitzen. Dabei geht es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Auch hier bestreitet der ehemalige Star der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sämtliche Vorwürfe. Dieses Steuerverfahren führt allerdings nicht Hohenecker, sie ist von der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen in eine allgemeine Abteilung gewechselt.