Mann mit Maske zwischen Dekoartikeln zum chinesischen Neujahrsfest
Reuters/Athit Perawongmetha
China

Neujahrsfest, Olympia und ein Virus

Das chinesische Neujahr steht im Zeichen des Tigers – und des Coronavirus. Das dritte Jahr in Folge begeht China sein wichtigstes Familienfest in einer Pandemie. Normalerweise reisen zu diesem Anlass Hunderte Millionen in ihre Heimatstädte und -dörfer. Doch strenge Reisebeschränkungen verhindern das abermals, wenn auch nicht so stark wie im letzten Jahr. Um die Sicherheit bei Olympia wird indes weiter gebangt.

Oft werden Reise- und Ausgangsbeschränkungen über Nacht erlassen und gelten anschließend wochenlang – ein Planungsproblem für die Zivilbevölkerung. Just am Freitag verhängte die Volksrepublik einen unangekündigten Lockdown in Xiong’an, einer Großstadt südlich von Peking, nur wenige Tage vor Beginn des chinesischen neuen Jahres und eine Woche vor Start der Olympischen Winterspiele in Peking.

Die 1,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Xiong’an dürfen nun ihre Wohnviertel nicht verlassen. Der Lockdown wurde bereits am Dienstag verhängt, nachdem fünf neue positive Fälle gemeldet worden waren. Die Maßnahme soll etwa eine Woche gelten. Erst am Montag war einer der längsten Lockdowns in China beendet worden. In der seit dem 22. Dezember von einer kompletten Ausgangssperre betroffenen Stadt Xi’an im Norden des Landes hoben die Behörden die meisten Beschränkungen wieder auf.

Null-CoV-Strategie in Kritik

Die Regierung in Peking verfolgt eine strikte Null-CoV-Strategie: Der geringste Hinweis auf das Virus führt zu gezielten Lockdowns, der Rückverfolgung von Kontakten und langen Quarantänen bis hin zu Kündigung und öffentlicher Bloßstellung Einzelner. Und weil Omikron in China angekommen ist – bzw. möglicherweise schon viel länger umgeht, als öffentlich bekannt ist – drängen Behörden darauf, dass die Menschen an diesem Neujahrsfest, auch Frühlingsfest genannt, erneut vorsichtshalber da bleiben, wo sie sind.

Menschen mit Maske am südchinesischen Bahnhof Guangzhou
AP/Chinatopix
Viele Menschen, aber für chinesische Verhältnisse keine Massen wie vor der Pandemie sind derzeit zu ihren Familien unterwegs

Dennoch werden sich mehr Chinesinnen und Chinesen auf den Weg machen als vor einem Jahr. Das Transportministerium rechnet in der fünfwöchigen Saison um die Feiertage mit 1,18 Milliarden Reisen – ein Zuwachs von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber immer noch deutlich weniger als die drei Milliarden 2019, vor der Pandemie.

In der Nacht auf den 1. Februar beginnt nach dem Mondkalender das Jahr des Tigers. Es ist das dritte der zwölf Tierkreiszeichen. In diesem Jahr kommt in der chinesischen Astrologie das Element des Wassers hinzu. Der mutige Tiger steht für Energie, Tatendrang und Veränderung. Er soll das Böse fortjagen können, glauben Wahrsagerinnen und Wahrsager – in Zeiten der Pandemie wohl mehr gewünscht denn je.

Vorbereitungen auf Winterspiele

ORF-Korrespondent Josef Dollinger über Vorbereitungen auf die Olympischen Winterpiele in Peking, die durch politische Querelen und die Coronavirus-Maßnahmen im Gegensatz zum bevorstehenden Frühlingsfest auf wenig Interesse bei der Bevölkerung stoßen.

Winterspiele sollen stattfinden

Das chinesisch Gesundheitsministerium teilte am Freitag mit, es seien 39 neue inländische CoV-Fälle verzeichnet worden, darunter 22 Omikron-Infektionen in der nahe Schanghai gelegenen Provinzhauptstadt Hangzhou. Zudem wurden zwei Olympiaathleten oder -athletinnen und acht Offizielle bei ihrer Ankunft in China am Donnerstag positiv getestet. Damit erhöhte sich die Zahl der CoV-Fälle im Zusammenhang mit den Winterspielen auf 89.

Wie schon die Sommerspiele in Tokio stehen die Winterspiele im Schatten der Pandemie, sollen aber stattfinden. In Peking, dem Austragungsort, gibt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wieder Infektionen. Als Ursache werden Kühlketten mit importierten Waren verdächtigt, was Expertinnen und Experten aber für Unfug halten. Aus Angst davor, dass das Virus eingeschleppt werden könnte, können sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur in hermetisch abgeriegelten Blasen bewegen und haben fast keinen Kontakt zu Land und Leuten.

Wirtschaft beeinträchtigt

Die rigorosen Maßnahmen zur Virusprävention in China drücken auch auf das Wirtschaftswachstum. Im Jänner herrschten zeitweise Ausgangssperren für bis zu 20 Millionen Menschen in drei Metropolen. Fabriken mussten schließen. Lieferketten wurden unterbrochen. Flüge wurden gestrichen, obwohl offiziell nur einige Dutzend Infektionen täglich gemeldet wurden.

Mann mit Maske geht an Plakaten mit Tigern vorbei
AP/Chiang Ying-Ying
Das chinesische neue Jahr steht im Zeichen des Tigers

Chinas radikale Strategie ist international umstritten. Zuletzt hatte IWF-Chefin Kristalina Georgieva Chinas Führung aufgefordert, die Politik zu überdenken, weil das radikale Herunterfahren des wirtschaftlichen Lebens in Gebieten mit relativ wenigen CoV-Fällen eine Belastung sowohl für die chinesische als auch für die weltweite Wirtschaft sei.

Auch im Volk regt sich zunehmend Widerstand gegen allzu strenge Maßnahmen. So war die Empörung groß, als der Bezirksrat Dong Hong von Dancheng in der Provinz Henan ankündigte, er werde jeden „bösartigen Heimkehrer“, der aus Gebieten mit hohem oder mittlerem Risiko kommt, „in Quarantäne stecken und dann festnehmen“. Selbst Staatsmedien ging das zu weit: Es sei doch nur „menschlich“, zum Neujahrsfest heimkehren zu wollen. Doch die Tageszeitung „China Daily“ gab ihm in der Sache recht. Er habe nur die falschen Worte gewählt.