Umstrittene Besetzung: Aus der Pharmig in die Pharmaaufsicht

Eine brisante Personalentscheidung in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sorgt für Aufregung. Die dort angesiedelte Medizinmarktaufsicht soll eine neue Chefin bekommen, und dafür vorgesehen ist eine bisherige Pharmalobbyistin. Scharfe Kritik kommt von SPÖ und NEOS sowie von mehreren Antikorruptionsexperten, berichtet das Ö1-Morgenjournal. Bei der AGES und im Gesundheitsministerium widerspricht man: Es handle sich um die beste Bewerberin und es gebe keine Interessenskonflikte.

Die Medizinmarktaufsicht in der AGES hat mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist mit zuständig für Arzneimittelzulassungen, klinische Prüfungen und Überwachung der Arzneimittelsicherheit. Die bisherige Chefin Christa Wirthumer-Hoche geht im Sommer in Pension und ihre Nachfolgerin soll Helga Tieben werden, bisher Direktorin für Zulassungsbereich und Innovation im Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig.

Interessenkonflikte offensichtlich

Bei Transparency Österreich sieht die Gesundheitsexpertin Claudia Wild das äußerst kritisch „Diese Besetzung ist unglaublich, indem sich Österreich einfach über internationale Standards hinwegsetzt, indem eben die Interessenkonflikte, die sehr offensichtlich auf der Hand liegen, einfach ignoriert werden", sagte sie gegenüber Ö1. Das Interesse der Pharmaindustrie sei es, hilfreiche Medikamente so rasch wie möglich mit Zulassung auf den Markt zu bringen. „Dass die Medizinmarktaufsicht einen deutlich kritischeren Blick einnehmen muss, ist, glaube ich, sehr offensichtlich.“

Und Martin Kreutner, Ex-Chef der Anti-Korruptionsakademie und Initiator des Anti-Korruptions-Volksbegehrens, vermisst Sensibilität bei der Besetzung: „Wenn man einen Vergleich zieht und sagt, jemand aus der Tabakindustrie wird dann von einem Tag auf den anderen Aufsichtsorgan oder Chef einer Aufsichtsbehörde würde man auch eher sagen, das geht so eigentlich nicht.“

Ministerium und AGES verteidigen Entscheidung

Auch SPÖ-Vize-Klubobmann Jörg Leichtfried und NEOS Gesundheitssprecher Gerald Loacker sehen ein falsches Zeichen. Leichtfried schreibt in einer Aussendung, in einem aufgeheizten Klima in Österreich sei die geplante Besetzung „Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern“ – und ein „politischer Patzer“ des Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein (Grüne).

Aus Mücksteins Büro heißt es, man habe einen Bericht angefordert. Aus dem gehe hervor, dass die AGES beim Auswahlprozess mittels Ausschreibung und Hearingkommission den Vorgaben entsprochen hat. Die AGES habe auch festgestellt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen. Von der AGES selbst heißt es, Tieben habe durch ihre fachliche und persönliche Kompetenz etwa im Arzneimittelrecht im Auswahlverfahren am meisten überzeugt und sei als Expertin anerkannt.