Bild zeigt Erde
APA/AFP/KCNA VIA KNS
Großer Raketentest

Nordkorea veröffentlicht Weltraumbilder

Einen Tag nach Bekanntwerden des größten nordkoreanischen Raketentests seit Jahren hat Pjöngjang Bilder aus dem Weltraum veröffentlicht. Die potenziell atomwaffenfähige Mittelstreckenrakete soll eine Flughöhe von 2.000 Kilometern erreicht haben und war offenbar mit einer Kamera ausgestattet. Die Bilder aus dem Weltraum zeigen Teile der Koreanischen Halbinsel und umliegende Gebiete.

Der Test einer ballistischen Rakete vom Typ Hwasong-12 habe die Genauigkeit und Wirksamkeit für einen Einsatz belegt, berichteten nordkoreanische Staatsmedien am Montag – damit bestätigte das Regime den Test einen Tag nach entsprechenden Berichten aus Südkorea. Die „ballistische Mittelstrecken- und Langstrecken-Boden-Boden-Rakete“ befinde sich in der Produktion, hieß es gleichzeitig.

Nach Einschätzung von Fachleuten hat die schon mehrfach getestete Hwasong-12 eine Reichweite von 4.500 Kilometern und könnte damit theoretisch die 3.400 Kilometer entfernte US-Pazifikinsel Guam erreichen, auf der die USA einen Militärstützpunkt haben. Es war der siebente Raketentest Nordkoreas im laufenden Jahr. Mit dem Test einer Mittelstreckenrakete geht Nordkorea über seine sechs vorangegangenen Waffentests in diesem Jahr hinaus.

Das Land hatte davor ballistische Raketen von kurzer Reichweite, Marschflugkörper und eigenen Angaben zufolge auch Hyperschallraketen getestet, die mit mehr als fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegen können. Der Test einer Hwasong-12 stellt nach Einschätzung von Fachleuten aber kein grundlegend neues Bedrohungsszenario dar. Nordkorea hatte eine solche Rakete vor fünf Jahren schon mehrfach getestet.

Südkorea: Norden kommt Langstreckentests näher

Nach Darstellung Südkoreas kommt der verfeindete Norden nun einer Wiederaufnahme von Langstreckentests näher. Dem südkoreanischen Generalstab zufolge handelte es sich um eine ballistische Rakete, die Sonntagfrüh aus der Provinz Jagang nach Osten über das Meer abgefeuert worden sei. Das Geschoß habe eine Höhe von 2.000 Kilometern erreicht – bei einer Reichweite von 800 Kilometern. Das sei der erste Test einer derartigen Mittelstreckenrakete (IRBM) seit 2017.

Passanten in Seoul (Südkorea) betrachten die TV-Übertragung vom nordkoreanischen Raketenstart
AP/Ahn Young-joon
Südkoreanische TV-Sender zeigten am Sonntag Archivbilder eines nordkoreanischen Raketenstarts

Verstoß gegen Testmoratorium

Südkorea und die USA verurteilten den Test. Südkoreas Präsident Moon Jae In berief eine Notsitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein, ein seltener Vorgang in Südkorea. Der Raketentest sei ein Schritt Nordkoreas hin zur Aufgabe eines selbstauferlegten Moratoriums für Tests von interkontinentalen ballistischen Raketen (ICBM), sagte er.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hatte erklärt, er sehe sich nicht mehr an das Moratorium gebunden. Es war 2018 im Zuge von Gipfeltreffen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump ausgerufen worden. Die Regierung in Pjöngjang warf vor einigen Tagen den USA und deren Verbündeten vor, ihre „feindliche Politik“ fortzusetzen.

Verschiedene Beweggründe vermutet

Hinter den Tests werden verschiedene Beweggründe vermutet. Die Starts enthielten auch eine Botschaft an ausländisches und einheimisches Publikum, schrieb der Militärexperte Vann van Diepen von der auf Nordkorea spezialisierten Nachrichtenseite 38 North des Stimson Center in den USA noch kurz vor dem Test der Mittelstreckenrakete. Es gehe Pjöngjang darum, „Trotzhaltung, militärische Stärke und technologische Errungenschaften zu zeigen“. So sei etwa der Test einer KN-23-Kurzstreckenrakete im Jänner klar als Reaktion auf neue Sanktionen der USA beabsichtigt gewesen.

In Südkorea wird vermutet, das Nachbarland wolle nicht nur die Modernisierung seiner Waffen vorantreiben, sondern auch die innere Einheit stärken. Durch frühzeitige Grenzschließungen wegen der Pandemie hatten sich vor allem die Versorgungsprobleme des Landes verschärft, der Handel mit China brach ein.

Ablenken von Schwächen

Nordkorea hat seit Jahresbeginn eine Reihe von Raketentests vorgenommen und damit gegen UNO-Auflagen verstoßen. Ein Experte sprach nun von einer neuen Qualität. „Ungeachtet dessen, ob es sich um eine IRBM oder ICBM handelt, es ist eine irgendwie geartete strategische Rakete“, schrieb George William Herbert vom Center for Nonproliferation Studies am Sonntag auf Twitter.

Dem Politikwissenschaftler Leif-Eric Easley von der Ewha University zufolge dürfte die Testreihe unter anderem das Ziel haben, ein Zeichen der Stärke zu setzen. „Das Kim-Regime hört die Diskussionen im Ausland über seine innenpolitischen Schwächen und sieht die wachsende Stärke Südkoreas“, sagte Easley. „Damit will es Washington und Seoul daran erinnern, dass ein Versuch, es zu stürzen, zu kostspielig wäre.“