Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und IKG-Präsident Oskar Deutsch bei der Pressekonferenz
APA/Hans Punz
Bericht zu Antisemitismus

„Großes Problem noch größer geworden“

Die Regierung hat am Montag den ersten Umsetzungsbericht der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus präsentiert. Ein „großes Problem“ sei seit dem Start „noch größer geworden“, fasste Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das Ergebnis zusammen. Verantwortlich dafür seien auch die Demos gegen CoV-Maßnahmen. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, lobte die Initiative, sagte aber gleichzeitig: „Es ist noch viel zu tun.“

Bei den Anti-Maßnahmen-Demos werde sichtbar, dass Antisemitismus in der „Mitte der Gesellschaft“ stattfinde, so Edtstadler. Auf den Straßen fänden Dinge statt, die man nur noch in Geschichtsbüchern lesen sollte. „Einige wenige sind sehr laut und sehr extrem“, sagte die Ministerin. IKG-Präsident Deutsch wies darauf hin, dass die Anti-Maßnahmen-Demos und auch der Nahost-Konflikt hauptsächliche Gründe für steigenden Antisemitismus seien.

Zahlen wurden bei der Vorstellung des Berichts zwar nicht genannt, Deutsch erwähnte aber den letzten Bericht der Antisemitismus-Meldestelle, der bereits einen deutlichen Anstieg von Vorfällen im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres dokumentiert: Laut dem Bericht wurden von Jänner bis Juni 2021 562 Vorfälle registriert, im Vergleichszeitraum 2020 waren es 257 gewesen. Eine Bilanz für das gesamte vergangene Jahr soll es in den kommenden Wochen geben, so Deutsch.

„Zahlen werden verrückt hoch sein“

„Die Zahlen werden verrückt hoch sein“, und zwar wegen der vielen Vorfälle bei den Anti-Maßnahmen-Demos, so der IKG-Präsident. Und das, obwohl vieles gar nicht gemeldet und entsprechend erfasst werden könne. Deutsch verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, mittels Strafverfahren und Verurteilungen auch „Beispiele“ zu setzen. Edtstadler pflichtete ihm bei und ortete „offene Kanäle für antisemitisches Gedankengut“, weil die Gesellschaft gerade unter Druck stehe.

Eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen
APA/Florian Wieser
Edtstadler und Deutsch verwiesen auf die Häufung von antisemitischen Vorfällen bei CoV-Demos

Deutsch: „Beginn eines langen, steinigen Weges“

Trotz der besorgniserregenden Bilanz seien Ziele und Maßnahmen der Regierungsstrategie gegen Antisemitismus europaweit „wegweisend“, so Deutsch. „Gleichzeitig müssen wir uns deutlich machen, alles ist nur der Anfang, der Beginn eines langen, steinigen Weges“, sagte er. Gleichzeitig forderte er die Menschen zu mehr Zivilcourage im Kampf gegen Antisemitismus auf. „Widersprechen Sie bei antisemitischen Äußerungen! Zeigen Sie Zivilcourage! Stehen Sie auf, machen Sie sich stark!“, so Deutsch.

Zugleich appellierte Edtstadler an die Bevölkerung, antisemitische Vorfälle zu melden. Der drastische Anstieg sei besorgniserregend, mit Verweis auf die Anti-Maßnahmen-Demos sprach sie auch Vertreter aus der Politik an: „Wir sehen auch Politiker, die sich nicht von der Verharmlosung der Schoah distanzieren und sich feige auf die Meinungsfreiheit herausreden.“ Damit sprach sie offenbar FPÖ-Obmann Herbert Kickl an, ohne diesen namentlich zu nennen. Deutsch sprach die FPÖ hingegen offen an, sie betätige sich „kontinuierlich antisemitisch“.

Strategie gegen Antisemitismus

Der erste Regierungsbericht zur Umsetzung der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ zeigt eine Häufung von antisemitischen Fällen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sagten, wie Österreich dagegen vorgehen soll.

Mehr internationale Vernetzung angekündigt

„Kein Sprint, sondern ein Marathon“ ist für Edtstadler auch die Fortsetzung der Strategie, zu deren weiteren Umsetzung der Bericht auch ein Ansporn sei. So wolle man in diesem Jahr verstärkt mit den Kommunen zusammenarbeiten, aber auch international soll vernetzt werden. Zu diesem Zweck habe man seitens der Regierung vor, Vertreterinnen und Vertreter der EU-Staaten nach Wien einzuladen, um den Diskurs auf internationaler Ebene zu verstärken und Lösungsansätze zu diskutieren.

SPÖ: Mit Kampf gegen Rechtsextremismus verschränken

Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, verwies via Aussendung auf die Notwendigkeit der Verschränkung mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus. „Gerade im Kontext der aktuellen Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zeigt sich: Die Herausforderungen sind groß. Rechtsextreme vereinnahmen und unterwandern diese Proteste, um politische Bündnisse zu schmieden“, so Schatz. Unverhohlen passierten „antisemitische Verschwörungsmythen“ und „unerträgliche Holocaust-Verharmlosungen“, es brauche mutigere und nachhaltige Strategien.