Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
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UNO-Sicherheitsrat

Heftiger Schlagabtausch zu Ukraine-Krise

Die USA und Russland haben sich im UNO-Sicherheitsrat einen heftigen Schlagabtausch zum Ukraine-Konflikt geliefert. Der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensia warf dem Westen in der Sitzung am Montag in New York vor, Kriegshysterie zu verbreiten. US-Vertreterin Linda Thomas-Greenfield entgegnete, dass der internationale Frieden gefährdet sei. Indes laufen weiterhin hektische diplomatische Versuche, die Lage zu entspannen.

Die USA ließen die Ukraine-Krise gegen den Widerstand Russlands auf die Tagesordnung der UNO-Sicherheitsratssitzung setzen. Die USA und ihre westlichen Verbündeten befürchten eine russische Invasion in der Ukraine. Sie verlangen einen Rückzug der an der gesamten ukrainischen Grenze versammelten 100.000 russischen Soldaten.

Die Fronten waren schon zu Beginn der Sitzung verhärtet, die USA beschuldigten den Kreml, weiterhin eine Aufstockung seiner Truppen in Belarus zu planen. „Wir haben Beweise gesehen, dass Russland beabsichtigt, diese Präsenz auf mehr als 30.000 Soldaten“ bis Anfang Februar auszuweiten, sagte die US-Botschafterin bei der UNO, Linda Thomas-Greenfield.

Die UNO-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield
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Die UNO-Botschafterin der USA, Linda Thomas-Greenfield, ortet die größte „Mobilisierung von Truppen in Europa seit Jahrzehnten“

„Das ist die größte – hören Sie mich laut und deutlich – Mobilisierung von Truppen in Europa seit Jahrzehnten“, sagte Thomas-Greenfield. Es handle sich um Kampfeinheiten, „die bereit sind, Offensivaktionen in der Ukraine durchzuführen“. Washington wolle keine Konfrontation, aber im Falle einer Invasion der Ukraine würden die USA schnell handeln. Die USA und Großbritannien weiten inzwischen ihr militärisches Engagement in Osteuropa aus: Washington will zusätzliche US-Truppen in osteuropäische NATO-Staaten verlegen. London plant, die Zahl britischer Soldaten in der Region zu verdoppeln und Estland Waffen zur Selbstverteidigung zu liefern.

Russland ortet „Hysterie“

Thomas-Greenfields russisches Pendant, Wassili Nebensia, warf wiederum dem Westen vor, „die internationale Gemeinschaft zu täuschen“. Stationierte Soldaten befänden sich im Hoheitsgebiet Russlands, was bei ähnlichen Vorgängen in der Vergangenheit nicht zu einer Hysterie geführt hätte, sagte Nebensia. Stattdessen würden die Ukrainer gegenwärtig einer Gehirnwäsche unterzogen und mit Russland-Phobie und radikalem Denken gefüttert. Der UNO-Botschafter bestritt, dass tatsächlich 100.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen worden seien. Er machte keine Zugeständnisse für eine Entspannung der Lage.

Der UNO-Botschafter Russlands, Wassili Nebensia
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Russlands UNO-Botschafter Wassili Nebensia verließ den Raum, als sein ukrainischer Kollege das Wort ergriff

Ukraine mit schweren Vorwürfen

Dagegen erhob der ukrainische UNO-Botschafter Sergij Kyslytsja schwere Vorwürfe gegen das Nachbarland. Die Ukraine werde von etwa 130.000 russischen Militärpersonen bedroht, sagte er. Auch im Donbass befänden sich etwa 3.000 russische Soldaten. Mit Blick auf die russischen Dementis sagte der Diplomat, dass er selbst nur Taten wie einem Truppenabzug Glauben schenken könne. Die Ukraine habe jedenfalls keine aggressiven Pläne und sei dem Frieden verpflichtet, schloss Kyslytsja konkret eine Militäroffensive gegen die prorussischen Separatistengebiete im Osten des Landes oder auch die – von Russland völkerrechtswidrig annektierte – Halbinsel Krim aus.

Nebensia hatte die Sitzung verlassen, ehe sein ukrainischer Kollege das Wort ergriff. Die Umstände der Sitzung zeigten, wie isoliert Russland mit seiner Position international ist. Neben drei Enthaltungen hatte nur China mit seinem Partner Russland gegen die Beratungen gestimmt. Angesichts von Moskaus Dementi bezüglich der Vorwürfe gebe es keine Grundlage für das öffentliche Treffen, sagte UNO-Botschafter Zhang Jun: „Was wir jetzt dringend brauchen, ist stille Diplomatie.“

NATO-Kampfeinsatz ausgeschlossen

Der Kreml bestreitet die Absicht eines Einmarschs. Moskau will seinerseits eine Aufnahme der Ukraine in die NATO verhindern und begründet das mit eigenen Sicherheitsinteressen. Welche Pläne der russische Präsident Wladimir Putin tatsächlich mit der Truppenverstärkung nahe der Ukraine verfolgt, ist unklar.

Das sagte am Sonntag auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in der BBC: Es gebe „keine Gewissheit“ über Russlands Intentionen. Allerdings sei ein erheblicher russischer Aufmarsch mit vielen Soldaten und schwerer Militärtechnik zu beobachten, der von „drohender Rhetorik“ begleitet werde. „Es gibt ein reales Risiko, und das ist genau der Grund, warum die NATO-Partner ihre Unterstützung für die Ukraine erhöhen.“

NATO-Kampftruppen in der Ukraine schloss Stoltenberg aber aus. Es seien dort NATO-Militärausbildner im Einsatz, zudem helfe das Bündnis dabei, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken, und liefere militärische Ausrüstung. Da die Ukraine aber kein NATO-Staat sei, gelte die Garantie 100-prozentiger Sicherheit, die Mitglieder in Anspruch nehmen können, nicht für das Land, so Stoltenberg.

Forderungen und Absagen

NATO und USA hatten vergangene Woche jeweils schriftlich auf die russischen Forderungen geantwortet. Vor allem mit Blick auf verbindliche Zusagen für ein Ende der NATO-Osterweiterung zeigten beide Seiten aber keine Verhandlungsbereitschaft. Russland wiederum forderte weitere Erklärungen: Das Vorgehen Moskaus in der Ukraine-Krise hänge auch von Antworten der Mitgliedsstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ab, wie Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte.

Russland hatte den OSZE-Ländern schriftlich die Frage gestellt, wie sie gewährleisten wollten, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Interessen eines anderen Staates zu festigen. Sollten sie das nicht beabsichtigen, „sollten sie erklären, warum. Das wird eine Schlüsselfrage bei der Bestimmung unserer zukünftigen Vorschläge sein, die wir dem russischen Präsidenten Wladimir Putin melden werden“, sagte Lawrow. Russland werde vom Westen nicht nur Versprechen, sondern rechtlich bindende Sicherheitsgarantien erbitten.