Der britische Premierminister Boris Johnson
AP/UK Parliament/Jessica Taylor
Johnsons „Partygate“

Bericht sieht „Führungsversagen“

Der lange erwartete Bericht der Regierungsbeamtin Sue Gray zu Lockdown-Verstößen in der Downing Street 10 liegt nun vor: Er zeichnet kein gutes Bild der britischen Regierung von Premier Boris Johnson. Einige der Lockdown-Partys stellten ein „schwerwiegendes Versäumnis“ dar, heißt es darin. Johnson musste sich – erneut – entschuldigen.

Ein Update von Grays Bericht zur „Partygate“-Affäre wurde am Montag veröffentlicht. Darin werden den Verantwortlichen am britischen Regierungssitz schwere Versäumnisse bei der Einhaltung von Regeln vorgeworfen. Das Verhalten einiger Beteiligter sei „schwer zu rechtfertigen“. Es habe in verschiedenen Bereichen von Downing Street Nummer 10 und dem angegliederten Cabinet Office, der zentralen Regierungsbehörde, ein deutliches Führungsversagen gegeben. Außerdem sei offensichtlich zu wenig darüber nachgedacht worden, welches Gesundheitsrisiko einige Versammlungen bedeutet hätten und wie sie in der Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der landesweiten Notlage erscheinen mochten.

„Zumindest einige der fraglichen Versammlungen stellen ein schwerwiegendes Versäumnis dar, nicht nur die hohen Standards einzuhalten, die von denjenigen erwartet werden, die im Herzen der Regierung arbeiten, sondern auch die Standards, die von der gesamten britischen Bevölkerung zu dieser Zeit erwartet wurden“, so die Spitzenbeamtin Gray in ihrem zwölfseitigen Bericht.

Gray fordert Konsequenzen

Einige der Treffen hätten nicht stattfinden dürfen oder sich nicht in der Weise entwickeln dürfen, wie es letztlich geschah, betonte Gray. Sie forderte: „Aus diesen Ereignissen müssen wichtige Erkenntnisse gezogen werden, die sofort regierungsweit angegangen werden müssen.“ Damit müsse nicht auf das Ende der Polizeiermittlungen gewartet werden.

Die britische Spitzenbeamtin Sue Gray
Reuters/Courtesy of GOV.UK
Die Spitzenbeamtin Sue Gray erstellte den Bericht zu „Partygate“

Gray forderte klare Regeln, die Trinkgelage am Arbeitsplatz verhindern. „Der übermäßige Konsum von Alkohol ist an einem professionellen Arbeitsplatz zu keiner Zeit angebracht.“ Zudem müssten Mitarbeiter in der Lage sein, sich über ungebührliches Verhalten zu beschweren. Einige Mitarbeiter hätten zwar Bedenken äußern wollen, seien aber davor zurückgeschreckt, schrieb Gray.

Anlass für Bericht und Ermittlungen der Polizei waren bekanntlich etliche Medienberichte über Feiern am Londoner Regierungssitz während des Lockdowns. Auch Johnson soll an einigen Partys teilgenommen haben, britische Medien hatten mehrere Fotos davon veröffentlicht. Dadurch kam Johnson stark unter Druck, auch innerhalb der eigenen Konservativen Partei. Noch immer droht ihm ein parteiinternes Misstrauensvotum, weshalb auch sein politisches Überleben vom Bericht abhängt.

„Ich möchte Entschuldigung sagen“

Entsprechend zerknirscht zeigte sich Johnson am Montag im Parlament nach Veröffentlichung des Berichts. „Ich möchte Entschuldigung sagen“, sagte er. Das sei aber nicht genug, da etliche Menschen in der Pandemie große Opfer gebracht hätten und sich an die Regeln gehalten hätten, so Johnson. Er kündigte weitreichende Umstrukturierungen und Reformen in seinem Amtssitz an: „Ich verstehe es und ich werde es in Ordnung bringen“.

Johnson entschuldigt sich

Im Parlament reagierte Johnson auf den Gray-Bericht. Dieser hatte der Regierung in der „Partygate“-Affäre Führungsversagen konstatiert. Der Premier entschuldigte sich und gelobte Besserung.

Entschärfte Version

Ungeahnte Schützenhilfe hatte der Premier zuvor von der Londoner Polizei erhalten. Die vorliegende Fassung des Gray-Berichts wurde auf Bitten der Polizei deutlich abgeschwächt. Allzu brisante Details waren daher nicht mehr zu erwarten. Die Behörde fürchtete, dass ihre Ermittlungen, die sie vor einer Woche überraschend angekündigt hatte, durch die Erkenntnisse beeinträchtigt werden könnten. Laut Gray beziehen sich die polizeilichen Untersuchungen auf zwölf der insgesamt 16 untersuchten Partys.

Gray bezieht sich im Bericht selbst auf die Hürden durch die polizeiliche Bitte. Was sie über einige Veranstaltungen sagen könne, sei „extrem eingeschränkt“, und es sei daher aktuell unmöglich, eine aussagekräftige Zusammenfassung all ihrer Informationen bereitzustellen.

Die Opposition fordert eine vollständige Veröffentlichung. Das hatte Johnson zwar zugesagt. „Wir veröffentlichen ihn so, wie wir ihn erhalten“, sagte sein Sprecher. Er wollte sich aber nicht darauf festlegen, ob nach Abschluss der Polizeiermittlungen der gesamte Bericht zugänglich gemacht wird.

Zugeständnisse an Hardliner

Johnson konnte in der Zwischenzeit viele parteiinterne Kritikerinnen und Kritiker überzeugen, sich wieder hinter ihn zu stellen. Dazu trugen auch politische Entscheidungen bei, die einflussreiche Tory-Abgeordnete gefordert hatten. So hob Johnson bereits vergangene Woche alle CoV-Regeln auf.

Zwar hält er trotz Widerstands an einer umstrittenen Steuererhöhung fest. Allerdings gab er Medienberichten zufolge dem Drängen nach, die beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte des Nationalen Gesundheitsdiensts (NHS) doch wieder zu kippen. Es wurde erwartet, dass Gesundheitsminister Sajid Javid demnächst die Kehrtwende im Parlament verkündet. Mit einem neuen „Brexit-Freiheiten-Gesetz“, das es einfacher machen soll, EU-Gesetze zu revidieren, wendet sich Johnson ebenfalls an Hardliner in seiner Partei.