„Stiller Streik“ am Jahrestag des Putsches in Myanmar

Am ersten Jahrestag des Militärputsches in Myanmar ist es heute in vielen Städten zu kleineren Demonstrationen gekommen, wie lokale Medien berichteten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten mit Slogans und Plakaten ihrer Wut über die Generäle Luft und forderten Freiheit und Demokratie.

Großkundgebungen wie in den ersten Wochen nach dem Umsturz gab es aber aus Angst vor Repressionen durch das Militär nicht. Stattdessen traten viele – wie bereits in den vergangenen Monaten – in einen „stillen Streik“ und blieben zu Hause, statt zur Arbeit zu gehen.

Geschäfte waren geschlossen, die Straßen auch in der größten Stadt Yangon waren teilweise verwaist, wie auf Fotos in sozialen Netzwerken zu sehen war.

„Humanitäre Katastrophe“

Die Militärführung drohte damit, Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses „stillen Streiks“ festzunehmen. Seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 und der Entmachtung der faktischen Regierungschefin Aung San Suu Kyi versinkt Myanmar in Chaos und Gewalt. Der Gefangenenhilfsorganisation AAPP zufolge wurden bereits mehr als 1.500 Menschen getötet und fast 12.000 festgenommen.

Hunderttausende leben als Vertriebene im eigenen Land, viele weitere sind in Nachbarländer wie Thailand und Indien geflohen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach heute von einer „humanitären Katastrophe“.

„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Die Umstände von mehr als 1.000 Tötungen durch die Einsatzkräfte könnten möglicherweise als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ oder „Kriegsverbrechen“ eingestuft werden, teilte der Chefermittler des Unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Myanmar (IIMM), Nicholas Koumjian, mit.

Gegen die Militärs gebe es unter anderem glaubhafte Vorwürfe willkürlicher Festnahmen, Folter und sexueller Gewalt. Auch seien wohl Zivilisten in der Haft ermordet worden. Der IIMM bemühe sich darum, die Vorwürfe zu verifizieren und zu dokumentieren, damit die Verantwortlichen eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden könnten, so Koumjian.

Putsch vor einem Jahr

Die Generäle in dem südostasiatischen Land hatten am 1. Februar 2021 gegen die Regierung von Aung San Suu Kyi geputscht. Sie begründeten den Umsturz mit angeblichem Wahlbetrug bei der Parlamentswahl im November 2020, die Suu Kyi klar gewonnen hatte – Beweise dafür legten sie nicht vor. Myanmar versinkt seither in Chaos und Gewalt.

Die Militärjunta stellte die Friedensnobelpreisträgerin unter Hausarrest und regiert mit eiserner Faust. Gegen die 76-Jährige laufen zahlreiche Gerichtsverfahren, inzwischen wurde sie bereits zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

USA verhängen Sanktionen

Die USA verhängten zum Jahrestag des Putsches neue Sanktionen gegen Angehörige der Justiz und Unterstützer der Militärführung. Betroffen seien sieben Personen und zwei Einrichtungen, teilte das Finanzministerium gestern in Washington mit.

Darunter seien zwei hochrangige Mitglieder des Justizsystems, die die Strafverfolgung gegen Suu Kyi und andere vorangetrieben hätten. Mögliches Vermögen der Betroffenen in den USA wird eingefroren, Geschäfte mit ihnen sind für US-Bürger verboten. US-Präsident Joe Biden sprach von „unsäglicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, darunter auch Kinder“. Er forderte die Freilassung aller, die zu Unrecht inhaftiert sind.

EU: „Armut und Gewalt“

Die EU berichtete in einer Mitteilung von „Armut, Nahrungsmittelknappheit, Vertreibung und Gewalt“ im Zuge des Putsches. Seit der Machtübernahme seien 400.000 Menschen im eigenen Land vertrieben worden, fast eine Million sei in Nachbarländer geflohen. Neue Sanktionen kündigte die EU aber nicht an.