Eine Person spielt auf einem Smartphone das Spiel Wordle
APA/AFP/Stefani Reynolds
„Wordle“-Kauf

Weltblatt wettet auf Worte

Auch wenn er sich in ganz anderen Dimensionen abspielt als die jüngste Microsoft-Übernahme des Spielekonzerns Activision, so sorgt der Übernahmedeal des gehypten Rätselspiels „Wordle“ durch die „New York Times“ in Medien und sozialen Netzwerken doch für annähernd gleich hohe Wellen. Fans bangen um die Zukunft des Spiels, für das große US-Medienhaus ist es eine Wette auf das lustvolle Spiel mit Worten – mit ganz eigenem Potenzial.

In sozialen Netzwerken sorgte die Nachricht von der Übernahme des binnen weniger Monate extrem populär gewordenen Rätselspiels durch den Mutterkonzern der „New York Times“ für helle Aufregung. In „Wordle“ geht es darum, einmal am Tag ein Wort mit fünf Buchstaben zu erraten. Dafür hat man sechs Versuche. Jeder muss aus einem existierenden Wort bestehen.

Das Spiel wurde vom New Yorker Softwareentwickler Josh Wardle im vergangenen Oktober als Webanwendung programmiert und hat seitdem das Netz im Sturm erobert. Anfang Jänner erzählte die „New York Times“ selbst unter dem Titel „Wordle ist eine Liebesgeschichte“, wie der einfache Zeitvertreib zustande kam: Wardle – der Name des Spiels ist auch eine Anspielung auf den Namen des Erfinders – programmierte das Spiel zunächst nur für seine Freundin, die Wortspiele liebt. Erst als es in der Familiengruppe auf Begeisterung stieß, kam der Programmierer auf die Idee, er könnte damit einen Nerv getroffen haben, und stellte das Spiel online.

In drei Monaten zum Millionär

Zur Popularität hat beigetragen, dass Nutzerinnen und Nutzer ihre Spielergebnisse über soziale Netzwerke wie Twitter teilen können. Nach Angaben der New York Times Company wird „Wordle“ inzwischen täglich von Millionen Menschen gespielt. Für Wardle ist es quasi die Verwirklichung des amerikanischen Mythos, es aus eigenen Kräften vom Tellerwäscher zum Millionär zu bringen. Der Verlag sagte, der Kaufpreis liege im „unteren siebenstelligen Bereich“.

Kometenhafter Aufstieg abseits aller Stores

Der Erfolg von „Wordle“ wurde in der Branche auch deshalb besonders aufmerksam betrachtet, weil er komplett außerhalb der App-Stores von Apple und Google stattfand und das Spiel als Webanwendung ins Netz gestellt wurde. Mit den wachsenden Nutzungszahlen wuchs auch die Anzahl der unautorisierten Kopien. Während „Wordle“-Klone aus den App-Stores von Apple und Google rasch entfernt wurden, finden sich im Netz bis heute etliche Angebote, die die Spielidee ohne Einverständnis von Wardle kopieren.

Teil eines Rätselkosmos

Die Übernahme soll die Onlinespielesparte der Zeitung stärken, wie die „NYT“ mitteilte. Mit der Aussage, das Spieleabonnement stehe „zunächst“ weiterhin frei zur Verfügung, zog das Unternehmen jedoch den Unmut von Nutzern auf sich. Sie fürchten, dass die Zeitung bald Gebühren verlangt, wie sie es auch bei anderen Onlinespielen macht. „Mit der Andeutung, Wordle hinter die Bezahlschranke zu stecken, wird uns in diesen dunklen, erschöpfenden Zeiten der wenige dumme Spaß genommen, den wir noch haben“, twitterte ein Nutzer.

Gewinnen und Binden von Abonnenten

Bis 2025 soll die Zahl der Digitalabonnentinnen und -abonnenten auf zehn Millionen steigen. Die Zeitung war schon 2011 – früher als viele andere Medien – ins Geschäft mit zahlenden Abonnenten für Onlinenachrichten eingestiegen und hat mehrere Onlineanbieter für Spiele und Hörbücher gekauft.

Im jüngsten vorliegenden Jahresbericht, dem zum Geschäftsjahr 2020, heißt es, das Gewinnwachstum beruhe zum Großteil auf dem Zuwachs an digitalen Abonnements. 2020 gab es hier ein Einnahmenplus von 30 Prozent. Die Abos für News, Kochen und Spiele hätten alle bisherigen Jahresrekorde gebrochen. Und man sehe „noch größere Marktchancen für Spiele und Kochen“.

Wörter, die verführen sollen

Die Strategie des Verlagshauses ist klar – mehr Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen: Seit Jahren gehört es zu den Pionieren, was Abonnements und Bezahlschranken im Onlinebereich angeht. Neben einem extrem breit gefächerten Nachrichtenangebot gehören dazu ganz zentral Themen und Bereiche, die Menschen zum Abschließen eines Abos animieren sollen. Neben Rätseln und einer auch international sehr beliebten Abteilung mit Kochrezepten gehört dazu mit Wirecutter auch ein Produktbewertungsdienst. Das Spiel „Wordle“ ist für ein Verlagshaus, dessen Geschäftsbasis Wörter und Texte sind, zweifellos eine logische Erweiterung.

„Wordle wird nun eine Rolle in der täglichen Unterhaltung spielen und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt einen weiteren Grund geben, sich an die Times zu wenden, um ihre täglichen Nachrichten und Ansprüche zu befriedigen“, erklärte die „NYT“.

Wardle selbst freute sich auf Twitter und betonte, die Spielesektion der „New York Times“ habe einen großen Anteil an der Entstehung von „Wordle“ gehabt. Daher fühle sich „dieser Schritt sehr natürlich“ für ihn an.

Man kann also davon ausgehen, dass sich die Befürchtungen von Fans, dass „Wordle“ demnächst hinter der Bezahlschranke verschwinden wird, bewahrheiten werden. Die große Unwägbarkeit an der geschäftlichen Wette der „New York Times“: Die „Wordle“-Fans müssen dabei mitmachen und die Begeisterung so groß sein, dass sie auch zu zahlen bereit sind.