Personen in einem Restaurant in Reykjavik
APA/AFP/Halldor Kolbeins
CoV-Maßnahmen

Kehrtwende im Norden Europas

Omikron hat auch die Länder im Norden Europas fest im Griff. Doch wird dort nun reihenweise die Pandemiestrategie geändert oder zumindest eine Kehrtwende signalisiert. Island, Irland, England und Dänemark haben bereits praktisch keine CoV-Beschränkungen mehr, weitere Länder könnten bald folgen.

Seit Dienstag gelten in Dänemark bis auf vereinzelte Einreiseregeln für Ungeimpfte keine Einschränkungen mehr. Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gehört bis auf Weiteres ebenso der Vergangenheit an wie Nachweise über Impfungen, Genesungen und negative Tests. Großveranstaltungen sind ebenso erlaubt wie der Besuch von Bars und Diskotheken. Auch die verkürzten Öffnungszeiten für Lokale fielen weg.

Dänemark ist damit das erste EU-Land, das in der Omikron-Welle ein Ende aller CoV-Beschränkungen beschloss. All das geht damit einher, dass Covid-19 nicht mehr als „gesellschaftskritische Krankheit“ eingestuft wird. „Wir verabschieden uns von den Beschränkungen und begrüßen das Leben, wie wir es vor Corona kannten“, sagte Regierungschefin Mette Frederiksen.

Dänemark: Alle Maßnahmen aufgehoben

Trotz weiterhin hoher Neuinfektionszahlen sind in Dänemark am Dienstag praktisch alle CoV-Beschränkungen weggefallen. Unter anderem muss kein Mund-Nasen-Schutz mehr getragen werden. Auch Nachweise über Impfungen, Genesungen und negative Tests per CoV-Pass sind nicht mehr nötig.

Als Grund nannte Frederiksen die hohe Impfquote im Land. Diese sei eine „Superwaffe“ im Kampf gegen „noch bestehende Infektionen“. Krankenhäuser und Pflegeheime werden aber angehalten, von Besucherinnen und Besuchern weiterhin den Gebrauch von Masken und den CoV-Pass zu verlangen, um Schutzbedürftige und Ältere zu schützen.

Finnland will alle Maßnahmen aufheben

Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin will im Laufe des Februars alle CoV-Beschränkungen in ihrem Land aufheben. Über den genauen Zeitrahmen für die Abwicklung der Beschränkungen werde ihre Regierungskoalition am Mittwoch verhandeln, sagte Marin am Montag. Einige Maßnahmen wurden schon am Dienstag zurückgefahren: Unter anderem dürfen Restaurants bis 21.00 Uhr geöffnet bleiben und bis 20.00 Uhr Alkohol ausschenken.

Außerdem fallen die Grenzkontrollen zu anderen EU- und Schengen-Ländern. Sie waren im Dezember eingeführt worden, um die Ausbreitung der Omikron-Variante abzubremsen. Ein Grund für die Lockerungen ist nach Regierungsangaben, dass sich die CoV-Impfstoffe als sehr wirksam dabei erwiesen haben, schwere Krankheitsverläufe zu verringern. Für Lokale bleibt es dagegen vorerst bei einem Ausschankstopp um 17.00 Uhr und der Schließung um 18.00 Uhr.

Norwegen streicht viele Regeln

Auch Norwegen kündigte den Verzicht auf die meisten Maßnahmen an. „Wir sind durch die Impfungen gut geschützt“, erklärt Ministerpräsident Jonas Gahr Stoere. Auch wenn die Infektionszahlen deutlich anstiegen, müssten nicht mehr so viele Menschen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Ab sofort dürfen sich demnach wieder mehr als zehn Personen treffen, Arbeit im Homeoffice ist nicht mehr verpflichtend, und der Alkoholausschank in Gaststätten ist wieder auch nach 23.00 Uhr erlaubt.

Die Regierung bat die Bürger aber darum, einen Mindestabstand von einem Meter einzuhalten und in Menschenansammlungen Gesichtsmasken zu tragen. Das Institut für Volksgesundheit (FHI) sprach sich faktisch für eine Durchseuchung aus: „Es ist schwierig, sich nicht anzustecken. Und je länger wir Restriktionen beibehalten, desto länger dauert die Pandemie.“ Bereits jetzt hält die Regierung regelmäßige Tests zum Nachweis einer CoV-Erkrankung nicht mehr für angebracht.

„Stoppen Empfehlung zum regelmäßigen Testen“

Der Infektionsdruck sei auf einem so hohen Niveau, dass die bisherige Teststrategie keine Wirkung mehr zeige, teilte die Regierung mit. „Wir haben jetzt einen starken Anstieg der Infektionszahlen. Bei solch hohen Infektionsraten ist es weniger effektiv, regelmäßig zu testen. Wir passen daher die Teststrategie an und stoppen die Empfehlung zum regelmäßigen Testen“, sagte Gesundheitsministerin Ingvild Kjerkol.

„Jeder von uns muss künftig selbst mehr Verantwortung übernehmen, das gilt auch für den Einsatz von Selbsttests. Die Tests sollten eingesetzt werden, wenn es Gründe dafür gibt, und dann vor allem bei Symptomen“, so Kjerkol. Die Änderung sei besonders wichtig für Schulen, Kindergärten, Hochschulen und Universitäten, wo regelmäßige Tests in Kommunen empfohlen wurden.

Schweden appelliert an Bürger

Schweden ging seit dem Beginn der Pandemie einen Sonderweg: Restaurants wurden nicht geschlossen, Schulen auch nicht. Lediglich für Veranstaltungen ab 50 Personen gilt die 2-G-Regel. Eine allgemeine Maskenpflicht gibt es nicht. Die Regierung appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, sich vernünftig zu verhalten. In Schweden starben anfangs vergleichsweise viele Menschen, dafür ging das Leben weitgehend normal weiter, wenn auch gebremst.

Inzwischen ist die Regierung nicht mehr so entspannt, die Impfquote bei Booster liegt bei rund 50 Prozent. Binnen 14 Tagen wurden rund vier Prozent der Schwedinnen und Schweden positiv auf das Virus getestet, die Dunkelziffer dürfte aber weit höher liegen. Zuletzt demonstrierten Tausende in der Hauptstadt Stockholm, weil die Covid-App verpflichtend werden soll, für viele ein Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Von nicht notwendigen Reisen rät das Außenministerium ab. Verschärfungen sind in den nächsten Tagen nicht zu erwarten.

Kein Impfzertifikat in Island

Island ist eine Besonderheit innerhalb Europas: Auf der Insel im Nordatlantik ist der Impfstatus egal. Das Land will nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden, unter anderem offenbar, um die Gesellschaft nicht zu spalten. Auch ohne staatlichen Druck (oder weil es keinen gibt) lassen sich die Isländerinnen und Isländer impfen: Dreifach immunisiert sind inzwischen 62,9 Prozent der Bevölkerung.

Kaum noch Beschränkungen in England

In England wurden am Donnerstag die meisten CoV-Maßnahmen aufgehoben. Die Maskenpflicht ist weitgehend gefallen, ein Impfnachweis muss bei Besuchen von Clubs und Großveranstaltungen nicht mehr vorgezeigt werden, Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen dürfen wieder unbegrenzt Besuch empfangen. Auch die Homeoffice-Pflicht fiel weg. Statt gesetzlicher Verpflichtungen setzt die Regierung nun auf Ratschläge und Empfehlungen. Einzige Restriktion ist weiterhin, dass sich positiv Getestete isolieren müssen. Diese soll am 24. März fallen.

Premierminister Boris Johnson machte ausdrücklich die erfolgreiche Kampagne für Auffrischungsimpfungen für das weitgehende Ende der Beschränkungen verantwortlich. Gleichzeitig rief er mehr Menschen dazu auf, sich impfen zu lassen, und warnte: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Jeder sollte vorsichtig bleiben.“

Die britische Regierung peilt außerdem ein Ende der Impfpflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im englischen Gesundheitswesen an. Man werde prüfen, ob die im November ausgerufene Vorschrift noch benötigt werde, sagte Gesundheitsminister Sajid Javid am Montag. „Nach meiner Ansicht ist es nicht mehr verhältnismäßig, die Impfung als Bedingung für einen Einsatz gesetzlich vorzuschreiben.“ Die Impfung sei jedoch weiter der beste Schutz gegen Covid-19. Schottland und Wales verfolgen weiter ihre eigene, vorsichtigere CoV-Politik.

Irland: „Omikron-Sturm“ überstanden

Irland hob fast alle Maßnahmen bereits per 22. Jänner auf. Pubs und Restaurants müssen nicht mehr am frühen Abend schließen und einen Impfnachweis verlangen. Auch die Abstandsregeln wurden aufgehoben. Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen fielen ebenso weg wie Vorschriften für private Treffen und die Pflicht zum Homeoffice. Für internationale Reisen gilt allerdings noch immer die 3-G-Regel. Wer positiv auf das Coronavirus getestet wird, muss sich weiterhin isolieren. Auch die Maskenpflicht bleibt mindestens bis Ende Februar in Kraft.

„Ich bin an vielen dunklen Tagen hier gestanden, aber heute ist ein guter Tag“, sagte Regierungschef Micheal Martin. Die Regierung werde die persönlichen Freiheiten nicht mehr beschränken, wenn das nicht nötig sei. Irland habe den „Omikron-Sturm“ überstanden, sagte Martin. Wenn es keine gesundheitlichen Gründe mehr für Restriktionen gebe, bestehe auch keine politische Notwendigkeit mehr, sagte Vizeregierungschef Leo Varadkar.