Bobby-Car-Spielzeugautos der Firma BIG
AP/Frank Boxler
Bobby-Car

Mit 50 auf der Überholspur

Für viele ist das Bobby-Car das erste Auto im Leben – und das seit Generationen. Nun feiert das kultige Rutschauto seinen 50. Geburtstag. Dem „hässlichen Entlein“ sei es gelungen, eine „Marktlücke zu füllen“, sagte der inzwischen verstorbene Bobby-Car-Schöpfer Ernst A. Bettag einst. Für Faszination sorgt das Gefährt aber längst nicht nur bei den Kleinsten: Neben Kinderzimmern erobert das Bobby-Car heutzutage auch Rennpisten.

Der Bobby-Car-Hype scheint immer noch ungebrochen. Deutlich über 20 Millionen Exemplare des kleinen Flitzers liefen bereits vom Band des Herstellers BIG – und die Produktion geht ungebremst weiter. Denn in dem Werk im deutschen Burghaslach zwischen Nürnberg und Würzburg werden auch 2022 noch täglich 2.000 Bobby-Cars produziert. Mehr als 100 verschiedene, zum Teil limitierte Modelle gab es bisher. Auch Kreativköpfe wie James Rizzi und Philippe Starck holte sich das Unternehmen für Sondermodelle seines Verkaufsschlagers ins Boot.

Dem kleinen Rutschauto gelingt es damit, in einer Welt des Spielzeugüberflusses zu bestehen. Selbstverständlich ist das nicht: Nachdem das Bobby-Car 1972 erstmals auf der Spielwarenmesse in Nürnberg vorgestellt worden war, wurde es zunächst teils skeptisch beäugt. Und das, obwohl es fast keine Konkurrenz gab.

Verschiedene Bobby-Cars in einem Regal
APA/dpa/A3609 Daniel Karmann
Mehr als 100 verschiedene, zum Teil limitierte Modelle des Bobby-Cars gibt es bereits

„Hässliches Entlein“ wird Verkaufsschlager

Selbst dessen Erfinder schien nicht überzeugt: „Ich habe das Bobby-Car am Anfang als hässliches Entlein angesehen“, meinte der frühere BIG-Boss Bettag anlässlich seines 70. Geburtstags am 18. April 1999. Er hielt es für „eher altmodisch im Design. Aber das Publikum hat es gemocht. Und es war eine Marktlücke.“ Bei der Umsetzung seiner Idee für das Kindermobil in Oldtimer-Optik holte sich der Spielwarenhersteller einst die Hilfe des Bildhauers Christian Meyer. Und so bestand der Prototyp auch nicht aus Kunststoff, sondern aus Holz.

Das Bobby-Car sollte schon bald zum fixen Bestandteil vieler Kinderzimmer, Garagen oder auch Vorgärten werden. Dessen Produktion nahm ab 1972 rasch an Fahrt auf: Bis zu einem verheerenden Brand 1998 wurde es in einem Werk im deutschen Fürth hergestellt. Weil der Produktionsstandort komplett zerstört wurde, musste ein neues Werk in Burghaslach aufgebaut werden. Nach dem Tod Bettags 2003 übernahm die Simba-Dickie-Group das Unternehmen.

Kunstinstallation mit von der Decke hängenden Bobby-Cars
picturedesk.com/Action Press/TRAX
Bobby-Cars in der Kunst: Installation mit von der Decke hängenden Rutschautos

Von Kunststoff zum Kultgefährt

An dem Fahrgestell des Kultautos sollte aber nichts verändert werden: Das Gefährt besteht aus rund 1,5 Kilogramm eingefärbtem Polyethylen-Granulat – also thermoplastischem Kunststoff. Das Granulat wird erhitzt und dann in Form geblasen.

Nach der Abkühlung werden Achsen, Räder (die inzwischen auf Wunsch von Bobby-Car-Aficionados als Flüsterreifen erhältlich sind) und Lenkrad montiert. Der Pseudokühler wird traditionell vom Wappentier des Herstellers geziert: dem BIG-Büffel. Aus insgesamt 30 Teilen besteht das kleine, robuste Fahrzeug. Auch ein Ersatzteilservice gibt es aufgrund der anhaltend großen Nachfrage.

Bobby-Car-Produktion
Simba Dickie Group
Aus 30 Teilen besteht das robuste Rutschauto

Ready, set – go!

Das Bobby-Car soll laut Herstellerangaben „ergonomisch perfekt auf die Bedürfnisse der kleinen Fahrer und Fahrerinnen abgestimmt“ sein und das Laufenlernen fördern. Empfohlen wird das Originalmodell mit einer Tragkraft von rund 50 Kilogramm für Kinder ab einem bis fünf Jahren.

Beliebt ist das Bobby-Car allerdings nicht nur bei den Kleinsten – auch Erwachsene rattern auf dem Rücken des kleinen Flitzers gerne Straßen und Wege entlang. Großgewordene Bobby-Car-Fans mit Liebe zum emissionsfreien Kleinstwagen riefen in den 90ern gar eigene Meisterschaften ins Leben.

Geschwindigkeitsrekord mit einem motorisierten Bobby-Car im Jahr 2018
Reuters/Wolfgang Rattay
119 km/h erreichte der Extremsportler Dirk Auer bei einem Rennen mit seinem aufgemotzten Bobby-Car 2018

Über 100 km/h auf dem Babymobil

Jene Meisterschaften gibt es nach wie vor: Die Rennsaison startet im Mai und endet im Herbst. Ausgetragen werden die Rennen in Deutschland, Österreich und anderen Ländern durch Vereine wie den Bobby-Car-Sport-Verband. Letzterer versorgt Fans auf seiner Website etwa mit allerlei Anleitungen zum fach- und renngerechten Bobby-Car-Tuning.

Selbst mit echten Autos hält das Rutschauto zum Teil mit: Bis zu 80 km/h kann das Bobby-Car bei der Fahrt bergab erreichen. Dem Extremsportler Dirk Auer gelang es, mit seinem aufgemotzten Bobby-Car bei einem Rennen 2018 die 119-km/h-Marke zu knacken – Weltrekord! Ganz ohne Startschwierigkeiten war das aber nicht. Bei seinem ersten Versuch ging das Triebwerk des adaptierten Kindermobils in Flammen auf.

Ein Kind auf einem Bobby-Car
APA/dpa/A3344 Stephan Jansen
Der rote Flitzer wird für Kinder ab einem Jahr empfohlen – er soll das Laufenlernen fördern

„Pionier der CO2-freien Mobilität“

Dass das Bobby-Car Kultstatus hat, wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass auch die ganz Großen der Automobilindustrie anlässlich seines Jubiläums ihren Hut ziehen: „Herzlichen Glückwunsch“, richtete der deutsche Autoriese Volkswagen via Twitter aus. Das kleine Gefährt sei ein „Pionier der CO2-freien Mobilität“. Vor allem aber ist es ein Pionier der Kinderfahrzeuge: Nach Ansicht des Branchenkenners und Chefredakteurs der Fachzeitschrift „Planet Toys“, Ulrich Texter, zählt es wie der Lego-Stein zu den Designklassikern. Und: Im Gegensatz zu anderen Kinderfahrzeugen sei das Bobby-Car alterslos.