Putin: Westen ignoriert russische Interessen

Kreml-Chef Wladimir Putin hat dem Westen vorgeworfen, Russlands Sicherheitsinteressen zu ignorieren. Der russische Präsident beklagte heute nach einem Treffen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban im Kreml, dass der Westen keine Rücksicht nehme auf das Prinzip der „Unteilbarkeit der Sicherheit“ in Europa.

Viktor Orbán und Vladimir Putin
AP/Pool Photo/Yuri Kochetkov

Erstes Statement Putins seit der Eskalation

Putin mahnte erneut, dass ein Land seine eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Interessen eines anderen Landes durchsetzen könne. Putin äußerte sich heute zum ersten Mal in der aktuellen Eskalation der Ukraine-Krise zu den Spannungen zwischen Russland und dem Westen. Er kritisierte, dass Russlands Forderung nach einem Ende der NATO-Osterweiterung abgelehnt worden sei.

Russland will verhindern, dass die Ukraine NATO-Mitglied wird. Putin hatte auch gefordert, dass sich die NATO auf ihre Positionen von 1997 zurückziehen und auf die Stationierung von Raketensystem in der Nähe von Russlands Grenzen verzichten soll.

Westen befürchtet Einmarsch

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch planen könnte. Moskau bestreitet das. Für möglich gehalten wird auch, dass Ängste geschürt werden sollen, um die NATO-Staaten zu Zugeständnissen bei neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.

„Mein Besuch hat einen friedensstiftenden Zweck“, sagte Orban nach dem fast fünfstündigen Treffen. Er warnte vor einem neuen Kalten Krieg. „In dieser Situation ist Dialog notwendig.“ Er begrüße deshalb Gespräche zwischen Russland und den westlichen Verbündeten.

Blinken ruft Moskau zu sofortigem Truppenabzug auf

Unterdessen rief US-Außenminister Antony Blinken Russland in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zu einem sofortigen Abzug der an den Grenzen zur Ukraine aufmarschierten Truppen auf. Blinken habe auf eine „sofortige russische Deeskalation und den Rückzug von Soldaten und Ausrüstung von den Grenzen zur Ukraine“ gepocht, erklärte US-Außenamtssprecher Ned Price heute nach dem Telefonat.

Neue Warnung vor „ernsthaften Konsequenzen“

Ein russischer Einmarsch im Nachbarland hätte „rasche und ernsthafte Konsequenzen“, warnte Blinken demnach. In der Krise müsse Russland weiter „einen diplomatischen Weg verfolgen“.

Blinken bekräftigte in dem Telefonat den Angaben zufolge erneut die Unterstützung der USA für die „Souveränität und territoriale Integrität“ der Ukraine sowie für das Recht eines jeden Landes, selbst über seine „Außenpolitik und Bündnisse“ zu entscheiden. Letzteres ist ein Verweis auf die Ambitionen der Ukraine auf einen Beitritt zur NATO, der von Russland strikt abgelehnt wird. Blinken betonte zugleich die Bereitschaft der US-Regierung zu weiteren Beratungen mit Russland über Sicherheitsfragen.

Lawrow: „Bestehen auf ehrlicher Erklärung“

„Wir werden auf einem ehrlichen Gespräch und einer ehrlichen Erklärung bestehen, warum der Westen seine Verpflichtungen nicht oder nur selektiv zu seinen Gunsten erfüllen will“, sagte Lawrow in einer Videobotschaft nach dem Gespräch. Der US-Außenminister habe ihm zugestimmt, „dass es weiteren Gesprächsbedarf gibt“.

Ein Vertreter des US-Außenministeriums, der anonym bleiben wollte, erklärte, im Gespräch mit Lawrow habe es keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass Russland zu einer Deeskalation der Lage bereit sei. „Nichts von dem, was wir gehört haben, deutet darauf hin, dass es in den nächsten Tagen zu einer Deeskalation kommen wird.“