Soldat in Bissau
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Westafrika

Von Putsch zu Putsch

Westafrika kommt nicht zur Ruhe. Seit 2020 haben sich Militärs in mehreren Staaten – konkret in Burkina Faso, Mali und Guinea – an die Macht geputscht. Ein Putschversuch in Guinea-Bissau konnte zuletzt noch verhindert werden. Die demokratisch gewählten Regierungen hätten die Erwartungen der Menschen nicht erfüllt, meinen Fachleute – entsprechend groß sei auch das Risiko für weitere Putschversuche in der Region.

Seit 18 Monaten kommen Putsche und Putschversuche in Westafrika und der Sahel-Region Schlag auf Schlag: Den Anfang machte Mali, wo im August 2020 Militärs den Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita stürzten. Im Mai 2021 setzte das Militär in Mali dann den Übergangspräsidenten ab. Im vergangenen September stürzte die Armee in Guinea Präsident Alpha Conde. Im Jänner 2022 übernahmen Militärs in Burkina Faso die Macht.

Ein Putschversuch in Guinea-Bissau endete erst am Dienstag mit etlichen Toten. Die Lage war nach Angaben von Präsident Umaro Sissoco Embalo indes wieder unter Kontrolle. Bei dem Angriff auf seinen Amtssitz sei es darum gegangen, „den Präsidenten der Republik und das gesamte Kabinett zu töten“.

Guinea-Bissau’s Präsident Umaro Sissoco Embalo
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Der Präsident von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embalo, überstand einen Putschversuch

Wer dahinter steckt, ist noch unklar. Nach übereinstimmenden Berichten wurden am frühen Dienstagnachmittag bewaffnete Männer beim Betreten des Regierungspalastes gesehen. Einige Zeugen beschrieben die Bewaffneten als Soldaten, andere als Zivilisten. Die UNO, die Afrikanische Union (AU) und die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) reagierten alarmiert auf die Gewalt.

„Das Risiko für weitere Putsche ist da“

Es werde immer deutlicher, dass ein erfolgreicher Umsturz den nächsten inspiriere, sagt Eric Humphrey-Smith, Analyst der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft, zur dpa: „Es gibt keinen Zweifel, dass sich die westafrikanischen Führer nervös über die Schulter schauen.“ Dass bald noch mehr demokratische Dominosteine in der Region fallen könnten, glaubt auch Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Das Risiko für weitere Putsche ist da.“

Je mehr der Unmut steige, desto größer sei die Gefahr einer gewaltsamen Machtübernahme, oft mit Befürwortung großer Teile der Bevölkerung, so Laessing. „Das ist ein wichtiger Realitätscheck für die schnell abnehmende Liste demokratischer Führer der Region“, sagte auch Humphrey-Smith.

ECOWAS-Vorsitzende mit dem Heerführer von Burkina Faso
Reuters/Burkina Faso Presidency
Die Staatengemeinschaft ECOWAS versuchte bei einem Treffen mit dem burkinischen Militär zu vermitteln

Sicherheitslage verschlechtert sich zunehmend

Die Sicherheitslage in der Region verschlechtert sich seit Jahren immer mehr: Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation al-Kaida die Treue geschworen haben, verüben regelmäßig Anschläge. Die Regierungen haben in den Weiten der Sahelzone indes wenig Kontrolle.

Zugleich wächst auch der Unmut der Armeen, die im Kampf gegen den Terror laufend Soldaten verlieren. Dazu kommt, dass viele Länder in Westafrika mit Dürren, Hungersnöten und weit verbreiteter Armut kämpfen. Für Verbitterung sorge auch tiefgreifende Korruption auf Regierungsebene, sagte Laessing von Konrad-Adenauer-Stiftung der dpa.

Dass die Armee als stärkere und bessere Variante zur zivilen Regierung angesehen werde, sei kaum verwunderlich, so Laessing. „Die Menschen sind nicht gegen Demokratie als Prinzip, aber sie sind sehr enttäuscht von den gewählten Politikern“, unterstrich auch Maggie Dwyer, Expertin an der Universität Edinburgh, die Militärputsche in Westafrika untersucht

Internationale Gemeinschaft bei Putschen hilflos

Allerdings, so betonte Wolfgang Lacher von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP), gibt es auch andere Gründe für die Putschwelle. Er macht eine anfangs wohlwollende Duldung des ersten Umsturzes in Mali sowie im zentralafrikanischen Tschad im April 2021 durch die internationale Gemeinschaft und besonders das in der Region tonangebende Frankreich mitverantwortlich. „Davon ging eine Signalwirkung aus.“

Die internationale Gemeinschaft steht den Putschen teils hilflos gegenüber. Appelle zur „Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung“ vonseiten der UNO und EU stoßen vielerorts auf taube Ohren. Auch Vermittlungsversuche und Sanktionen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS zeigen nur bedingt Erfolg.

Militärjunta in Bamako
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Das Militär putschte sich in Mali erst 2020 und dann erneut 2021 an die Macht

Europäische Diplomatie in der Krise

So wurde etwa der ursprüngliche Zeitplan für demokratische Wahlen in Mali abgesagt. Malis Militärregierug legte am Samstag zudem ein Gesetz vor, das eine Festigung der Macht von Junta-Chef Assimi Goita vorsieht. Der am Freitagabend vom Kabinett beschlossene Gesetzesentwurf sieht vor, das Amt des Vizepräsidenten der von Goita angeführten Übergangsregierung abzuschaffen. Faktisch festigt er damit seine Machtposition.

Diese Woche wurden zudem erst dänische Soldaten und dann der französische Botschafter aufgefordert, das Land zu verlassen. Die Militärjunta heuerte indes russische Söldner an, um sich zu schützen – zum Leidwesen der EU-Staaten.

Die wachsende diplomatische Krise könnte auch den Kampf gegen den Terrorismus untergraben, der stark von Deutschland und Frankreich unterstützt wird. Beide Länder unterstützen zusätzlich das Militärbündnis G5 Sahel in der Region. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian zweifelte den Anti-Terror-Kampf in Mali bereits an. Bis Mitte Februar will Frankreich mit seinen europäischen Partnern über die künftige Militärpräsenz dort beraten.

Auch in Deutschland wächst die Skepsis. Außenministerin Annalena Baerbock stellt laut „Süddeutscher Zeitung“ den Bundeswehr-Einsatz in Mali wegen zunehmender Spannungen mit der Junta infrage. Die Junta in Burkina Faso versprach zuletzt angesichts des Drucks aus dem Ausland hingegen die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.

Afrikanische Union verurteilt Putschwelle

Die Umstürze standen am Sonntag überdies auf der Tagesordnung eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Die AU verurteilte die jüngste „Welle“ von Militärputschen auf dem Kontinent. Alle teilnehmenden Staatschefs hätten diese Staatsstreiche in vier Ländern „unmissverständlich verurteilt“, sagte der Leiter des AU-Friedens-und Sicherheitsrats, Bankole Adeoye.

Die AU werde keinen Militärputsch hinnehmen, wie auch immer er verlaufe, betonte er. In keinem vorherigen „Moment der Geschichte der AU“ sei innerhalb von zwölf Monaten die Mitgliedschaft von vier Staaten ausgesetzt worden, so wie seit vergangenen Jahr als Reaktion auf die Umstürze in Burkina Faso, Guinea, Mali und dem Sudan, sagte Adeoye. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres erneuerte zuvor am Samstag in einer Videobotschaft seine Forderung nach einem Waffenstillstand.