Silhouette einer Justitia-Statue
APA/dpa/Arne Dedert
Sideletter

Justiz will Reform bei Postenvergabe

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hat am Mittwoch in Reaktion auf die Sideletter-Absprachen zur Postenvergabe in der Justiz Reformen angekündigt. Das forderte auch die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka. Die Absprachen würden sie „fassungslos“ machen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte, dass es in Zukunft keine geheimen Nebenvereinbarungen mehr geben werde.

Die Regierung habe ein Vorschlagsrecht, aber wenn schon lange vor Ausschreibungen Namen bekannt sind, verkomme der Bestellungsvorgang zur Farce und zeuge das von Respektlosigkeit, sagte Matejka am Mittwochabend in der ZIB2. Den Kandidaten müsse zumindest die Möglichkeit gegeben werden, sich zu bewerben. Erst dann sei eine Auswahl zu treffen.

In Hinblick auf die Bestellung der OGH-Vizepräsidentin Eva Marek stellte Matejka fest, dass dies im derzeitigen System nicht zu verhindern sei. De facto müsse die Ministerin oder der Minister Vorschlägen nicht folgen und könne einfach jemanden ernennen. „Dabei gehören allerdings immer zwei dazu: jemanden, der es anbietet, und jemanden, der mitspielt.“

Matejka zu Sideletter

Kürzlich bekanntgewordene Chats und Sideletters lassen politische Einflussnahme auch im Justizbereich vermuten. Dazu ist Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, zu Gast. Sie spricht darüber, wie solche Postenvergaben verhindert werden könnten, und über politische Besetzungen an Gerichten.

Offener Brief an Regierung

Alle Ernennungen sollten nur noch auf Basis verbindlicher Vorschläge richterlicher Gremien erfolgen, sagte Matejka. Auch bei der Staatsanwaltschaft ortete sie Reformbedarf. Es gelte, „jeden Anschein einer Möglichkeit, aus parteipolitischen bzw. unsachlichen Erwägungen Einfluss auf solche Besetzungen nehmen zu können“, auszuschließen – indem die Rolle unabhängiger Kollegialorgane bei allen Bestellungsvorgängen in der Gerichtsbarkeit gestärkt werde, insbesondere auch bei jenen für Präsidenten und Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs und der Verwaltungsgerichte, heißt es in einem von Matejka und Martin Ulrich, dem Chef der Justizgewerkschaft, unterzeichneten offenen Brief an die Regierung.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hält „noch Detailabstimmung“ für nötig. Das müsse man sich noch „ganz genau anschauen“, sagte Edtstadler Mittwochabend gegenüber der ZIB2. Denn derzeit gebe es im Bereich der Obersten Organe keine Personalsenate.

Zadic kündigt Reformen an

Zuvor hatte Zadic eine Reform der Postenbesetzung in der Justiz angekündigt. „Wir müssen Postenbesetzungen in der Justiz neu denken. Das gilt auch für die Bestellung der Präsidentin und der Vizepräsidentinnen des OGH. Ich setze mich deshalb dafür ein, entsprechende Personalgremien zu schaffen, die eine Reihung der Kandidatinnen nach objektiven Kriterien vornehmen. Dadurch sollen Postenbesetzungen transparenter und objektiv nachvollziehbarer werden“, sagte Zadic.

Gleichzeitig verwies die Ministerin in ihrer Erklärung darauf, dass sie bereits nach ihrem Amtsantritt eine neue Transparenzbestimmung für Postenbesetzungen eingeführt habe. Diese habe erstmals gesetzlich sichergestellt, dass die Justizministerin „gegenüber der Personalkommission Rechenschaft für jede Umreihung ablegen und diese gegenüber der Personalkommission schriftlich begründen muss“.

Unterstützung bekamen die Standesvertreter am Mittwoch neuerlich von der SPÖ. Laut Justizsprecherin Selma Yildirim hat die SPÖ bereits einen Antrag im Nationalrat zur Entpolitisierung eingebracht, um die Justiz vor parteipolitischer Einflussnahme zu schützen. NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter forderte Zadic auf, ihren „schönen Worten“ auch „Taten folgen zu lassen“.

Nehammer: Keine Nebenabsprachen mehr

Geht es nach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), sollen Nebenabsprachen zu Koalitionsvereinbarungen der Vergangenheit angehören. „Es wird keine geheimen Sideletter mehr geben“, sagte er der „Kronen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe). Den Grünen ist das zu wenig. Vizekanzler Werner Kogler drängt in einer Aussendung auf den Beschluss von Informationsfreiheitsgesetz und Antikorruptionspaket.

Es gebe zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses einen fixfertigen Gesetzesvorschlag, der schon in Begutachtung gewesen sei und jetzt bei der ÖVP liege, um umgesetzt zu werden. Auch die Verhandlungen zur Parteienfinanzierung seien mit der Volkspartei erfolgreich abgeschlossen: „Jetzt werden die Gesetzestexte finalisiert und dann der Opposition übermittelt“, so Kogler.

Damit könne das Ende des Amtsgeheimnisses mit den gläsernen Parteikassen beschlossen werden. Auch das Antikorruptionsgesetz liegt als Entwurf seit November beim Koalitionspartner, und hier sei ebenfalls eine rasche Umsetzung möglich und notwendig. Als neuen Punkt bringt Kogler ein, die Kontrollrechte des Parlaments zu stärken.

Transparenz bei Postenbesetzungen

Nehammer bezog sich seinerseits nur auf Nebenabsprachen, die der Vergangenheit angehören sollen. Gelten soll das für alle künftigen Regierungskoalitionen mit ÖVP-Beteiligung, egal wer der Partner ist. Er stehe zu den Absprachen über Postenbesetzungen, das sei auch die Aufgabe einer Regierung, wenn es ein Vorschlagsrecht gebe.

Nehammer und Kogler zu Sideletters

Nach Bekanntwerden der Nebenabsprachen bei den Regierungsverhandlungen der ÖVP sowohl mit der FPÖ als auch mit den Grünen beteuern Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), dass es solche in Zukunft nicht mehr geben soll.

Aber: „Das muss öffentlich und transparent gemacht werden. Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen außerhalb des Regierungsprogramms geben.“ Man werde alle Arbeitsweisen, die für Personalbesetzungen notwendig seien und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags bestehen, transparent im Regierungsprogramm vereinbaren. „Es muss allen klar sein, dass geheime Absprachen das Vertrauen in die Politik beschädigen.“

SPÖ erneuert Kritik

Trotz aller guten Vorsätze setzte die Opposition ihre Kritik an der Koalition fort. „Wir haben eine Regierung, in der es eigentlich an allen Ecken und Enden kracht“, befand der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried in einer Pressekonferenz. Vor allem die Grünen hätten als „selbst ernannte Sauberkeitspartei“ schon sehr viel an Glaubwürdigkeit verloren.

Ob es auch bei der SPÖ derartige Sideletter bei Koalitionsbildungen gab, konnte Leichtfried laut eigener Aussage nicht beantworten. Zumindest sei er bei derartigen Vorgängen nicht eingebunden gewesen, beteuerte er. Zumindest so viel: „Ich gehe davon aus, dass es auch bei vorigen Wahlen politische Absprachen gegeben hat.“

NEOS-Chefin kritisiert Grüne

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger findet Sideletter „nicht normal. Wir haben auch keine in Wien und auch in Salzburg nicht in dieser Art.“ Es könne kein Argument sein, dass „es immer so war“, das heiße ja nicht, dass es gut ist. Sie verstehe zwar Nominierungsrechte, aber man könne sich in Österreich mittlerweile ein offenes, transparentes Ausschreibungsverfahren erwarten.

Ihr sei vor ihrem Einstieg bei NEOS von einem ÖVP-Politiker ein Job als Abteilungsleiterin in einem Ministerium angeboten worden – mit den Worten: „Wir wollen da eine von uns.“ Sie wolle aber nicht in einem Land leben, wo „die allererste Kategorie“ die Suche nach „einem von uns“ sei. Sie kritisierte, dass es „neben dem Regierungsprogramm inhaltliche Abmachungen gibt, wo man zu feig ist, an die Öffentlichkeit zu gehen“ – das wundere sie gerade bei den Grünen, „die ständig in einer moralischen Selbstüberhöhung mit dem Zeigefinger Politik machen“.