Erkältungssymptome, Kopf- und Gliederschmerzen, in manchen Fällen Fieber – auch dreifach Geimpfte sind nicht vor einer deutlich spürbaren Omikron-Infektion gefeit. Dass im Moment vermehrt Durchbruchsinfektionen verzeichnet werden, hat zwei Gründe. Da wären einmal die hohen Infektionszahlen. „Bei hoher Inzidenz auch mehr Durchbruchsinfektionen – bedingt dadurch, dass sehr viel Virus zirkuliert“, so die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien gegenüber ORF.at.
Der zweite Grund liegt in den Eigenschaften des Virus und der Immunantwort des Menschen. Omikron kann die Antikörperantwort – die erste Verteidigungslinie des Immunsystems – effizienter umgehen als bisherige Virusvarianten. Hinzu kommt: An den Schleimhäuten im Nasen-Rachen-Raum, der Eintrittspforte für das Virus, ist laut Redlberger-Fritz nur eine begrenzte Zahl der nach der Impfung gebildeten Antikörper vorhanden.
Omikron: „Mildere“ Verläufe mit Einschränkung
Wenn man – wie im Fall Omikrons – „mit exorbitant hohen Viruslasten konfrontiert ist, ist es ein Problem der Zahlen“, sagt die Virologin. So kommt es dazu, dass Viren andocken, eine Wirtszelle befallen und in den oberen Atemwegen eine Infektion hervorrufen.
Da die Mehrzahl der Antikörper im Blut zirkuliert, verhindere die Impfung, dass „sich das Virus in die Tiefe ausbreitet und eine schwere Lungenentzündung verursacht“, so Redlberger-Fritz, „deswegen haben Geimpfte den Vorteil, geschützt zu sein vor schweren Infektionen“.
Ungeimpfte genießen keinen derartigen Schutz. Zwar ist immer wieder die Rede davon, eine Omikron-Infektion verlaufe „milder“ – doch die zentrale Frage lautet: „Milder“ im Verhältnis wozu? „Diese vermeintlich milderen Verläufe sind nur im Vergleich zur Delta-Variante milder. Bei der Schwere der Erkrankung bewegen wir uns bei Ungeimpften in der Größenordnung von Alpha“, sagt die Medizinerin, die Mitglied des Nationalen Impfgremiums (NIG) ist.
Drei Spike-Kontakte für gute Immunantwort
Mit der weltweiten Verbreitung Omikrons rückt eine andere Art des Schutzes gegen SARS-CoV-2 in den Fokus: die hybride Immunität. Sie tritt bei Menschen auf, die sowohl geimpft als auch genesen sind. Laut einer aktuellen Forschungsarbeit aus Deutschland muss das Immunsystem dreimal mit dem Spike-Protein in Kontakt gekommen sein, um eine qualitativ hochwertige Immunantwort aufzubauen – auch gegen die Omikron-Variante.
Das gilt laut Studie für Genesene, die zweimal geimpft sind, dreifach Geimpfte sowie Personen, die nach doppelter Impfung an einer Durchbruchsinfektion litten. Die an der Studie beteiligte Virologin Ulrike Protzer forderte angesichts der Erkenntnisse, eine Durchbruchsinfektion nach zwei Stichen als „Booster“ anzuerkennen.
Qualität und Quantität
Protzer verwies auf Twitter sinngemäß auch auf das Verhältnis zwischen Qualität und Quantität: Ihre Arbeit habe gezeigt, dass das Immunsystem Zeit braucht, „um qualitativ hochwertige Antikörper auszubilden, die eine starke Bindung zeigen“. Diese starke Bindung sei mindestens genauso wichtig wie hohe Antikörperzahlen, sprich ein hoher Antikörpertiter.
Von großer Bedeutung ist laut Redlberger-Fritz daher der Abstand zwischen den Impfungen. „Wenn man zu früh hineinboostert, bringt das fürs Immunsystem relativ wenig“, sagt die Virologin. Denn die Antikörper brauchen Zeit zum Reifen. Zwischen zweiter und dritter Impfung sollten laut Nationalem Impfgremium mindestens vier Monate liegen.
Antikörper verschwinden, Gedächtniszellen bleiben
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Zahl der Antikörper sowohl nach Genesung als auch nach dreifacher Impfung mit der Zeit deutlich abnimmt. Beständiger fällt dagegen die Antwort der Gedächtniszellen aus. Sie werden nach Impfung oder Infektion gebildet, erkennen den Krankheitserreger wieder und setzen Abwehrmechanismen in Gang – etwa die Bildung von Antikörpern. Der Vorgang nimmt mehrere Stunden in Anspruch. Eine Infektion können daher auch diese Zellen nicht verhindern, sehr wohl aber die Ausbreitung der Viren im Körper. Ein schwerer Verlauf kann dadurch meist unterbunden werden.
Die Kombination aus Impfung und durchgemachter Infektionen dürfte einigen Studien zufolge dazu führen, dass langlebige B-Gedächtniszellen hochwertigere Antikörper bilden, die auch auf verschiedene Varianten reagieren. Bei Personen, die geimpft und genesen sind, fiel die Immunantwort auf Omikron stärker aus als bei jenen, die nur geimpft waren. Das zeigt eine kürzlich von der Medizinischen Universität Innsbruck veröffentlichte Studie, die noch nicht von der Fachwelt begutachtet ist.
Eine Durchbruchsinfektion mit Omikron dürfte wiederum auch vor anderen Varianten schützen. „Wer geimpft ist und Omikron-infiziert, hat nicht nur Antikörper gegen alle bekannten Varianten, sondern auch sehr hohe Spiegel davon“, sagte die an der Innsbrucker Studie beteiligte Virologin Dorothee von Laer dem „Kurier“.
Ungeimpfte, die nach einer Omikron-Infektion genasen, hätten hingegen „keine besonders guten Antikörperspiegel, und die Antikörper, die wir nachweisen konnten, konnten auch nur Omikron inaktivieren, neutralisieren, und nicht andere Varianten“, so von Laer weiter. Der Immunisierungsgrad gegen Omikron in der Bevölkerung lag in Österreich laut dem Simulationsforscher Niki Popper mit Stand 1. Februar bei etwas über 67 Prozent. 16 Prozent davon sind Genesene, die laut Modellrechnung nicht geimpft sind.
Reinfektion mit Omikron nicht ausgeschlossen
Schwer abzuschätzen sind die Auswirkungen des Omikron-Subtyps BA.2, der in Österreich auf dem Vormarsch ist. Bei Omikron-Genesenen ohne Impfung sei eine Reinfektion mit Omikron „etwas, womit man rechnen muss“, so die Virologin zum „Kurier“. „Generell sind BA.1 und BA.2 nahe verwandt, und wahrscheinlich schützen bei Geimpften Antikörper gegen BA.1 auch gegen BA.2, aber noch gibt es keine endgültige Antwort darauf.“
Ist die Pandemie nun für dreifach Geimpfte mit Durchbruchsinfektion vorbei? Das lasse sich nicht vorhersehen, so Virologin Redlberger-Fritz gegenüber ORF.at: „Es wäre unethisch zu sagen: Wenn man jetzt die Infektion durchgemacht hat, ist man fürs nächste Jahr immun. Man kann nur versuchen, durch die Impfung die schweren Verläufe zu verhindern – und das funktioniert bis jetzt sehr gut.“