Ausschreitungen vor dem Kapitol am 6. Jänner 2021
AP/Julio Cortez
Sturm auf US-Kapitol

Republikaner sehen „Meinungsäußerung“

Die US-Republikaner haben die gewaltsame Erstürmung des Kapitols als „legitime politische Meinungsäußerung“ bezeichnet. Ein Parteitag in Salt Lake City stimmte US-Medien zufolge am Freitag einer Resolution zu, mit der die republikanischen Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger wegen ihrer Mitarbeit im Untersuchungsausschuss zum Kapitol-Angriff formell gerügt wurden.

Cheney und Kinzinger beteiligten sich an einer von den Demokraten angeführten „Verfolgung einfacher Bürger“, die von ihrem Recht auf legitime politische Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hätten, hieß es in der Resolution. Die beiden Republikaner hätten mit ihrer Arbeit den Missbrauch der Aufklärungsarbeit durch die Demokraten für politische Zwecke unterstützt.

Cheney und Kinzinger sind die einzigen Republikaner in dem Gremium des Repräsentantenhauses. Die Führung der Republikaner im Parlament weigerte sich, für die Aufklärung des Angriffs mit den Demokraten zusammenzuarbeiten.

Fünf Tote, Dutzende Verletzte

Nach einer anstachelnden Rede des damaligen republikanischen Präsidenten Donald Trump hatten dessen Anhänger am 6. Jänner 2021 den Sitz des Kongresses in der Hauptstadt Washington erstürmt. Sie wollten damit die Bestätigung des Wahlsiegs des Demokraten Joe Biden verhindern. Bei dem Angriff starben fünf Menschen, Dutzende wurden verletzt.

Cheney sieht Partei in Geiselhaft

Vor der Abstimmung erklärte Cheney mit Blick auf Trump, die Partei habe sich willentlich zur „Geisel“ eines Mannes gemacht, der das Ergebnis einer Präsidentenwahl kippen wollte und der suggeriert habe, die Angreifer des 6. Jänners sollten begnadigt werden. Sie sei konservativ und halte sich an die Verfassung, schrieb sie auf Twitter weiter.

Liz Cheney und Adam Kinzinger
APA/AFP/Drew Angerer
Cheney und Kinzinger wurden von ihrer eigenen Partei abgemahnt

Kinzinger kritisierte, die Republikaner verlören angesichts von „Verschwörungstheorien“ und einer „toxischen“ Kultur des Gehorsams den Blick für die Realität. Der Trump-kritische republikanische Senator Mitt Romney sagte, das Vorgehen gegen Cheney und Kinzinger sei eine „Schande“.

Pence widerspricht Trump

Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence hat Ex-Präsident Trump indes mit Blick auf die Wahl 2020 mit deutlichen Worten widersprochen. „Ich habe diese Woche gehört, dass Präsident Trump gesagt hat, ich hätte das Recht, die Wahl zu kippen. Präsident Trump hat unrecht, ich hatte kein Recht, die Wahl zu kippen“, sagte Pence bei einem Auftritt im US-Bundesstaat Florida.

„Nach der Verfassung hatte ich kein Recht, das Ergebnis unserer Wahl zu ändern“, so der Republikaner weiter. Und Vizepräsidentin Kamala Harris werde kein Recht haben, das Wahlergebnis zu kippen, wenn die Republikaner die Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2024 schlagen würden. Pence hatte sich geweigert, Trumps Druck nachzugeben und die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom 3. November im Kongress zu verhindern.

Bilder gingen um die Welt

Die Bilder des Kapitol-Sturmes gingen um die Welt. An dem Tag war der Kongress zu einem Formalakt zusammengekommen, nämlich den Wahlerfolg Bidens bei der Präsidentenwahl offiziell zu bestätigen. Bei einer Rede wiegelte Trump seine Anhänger auf, zum Kapitol zu marschieren und „wie der Teufel“ zu kämpfen.

Trump-Anhänger stürmen am 6. Jänner 2021 das Kapitol in Washington
AP/John Minchillo
Viele der Randalierer schwenkten Trump-Fahnen

Wie damals spricht Trump heute noch von einem „gestohlenen Wahlsieg“. Beweise dafür hatte er damals genauso wenig wie heute. Bei einer Gedenkveranstaltung Anfang dieses Jahres kritisierte Biden Trump scharf: Es gebe ein „Netz der Lügen“ rund um die Wahl 2020, noch nie habe ein US-Präsident versucht, „eine friedliche Machtübergabe zu verhindern“.

Hunderte Verfahren laufen

Strafrechtlich wurden bald Mammutermittlungen des FBI gestartet. Mehr als 720 Menschen wurden festgenommen und angeklagt, und die Zahl steigt immer weiter. Es gab auch schon Dutzende Urteile, praktischerweise hatten sich viele der Randalierer bei ihren Taten selbst fotografiert und gefilmt und die Dokumente in sozialen Netzwerken geteilt.

Mitte November wurde etwa der mit seiner Büffelhornfellmütze als „QAnon-Schamane“ bekannt gewordene Jacob Chansley wegen Behinderung eines offiziellen Vorgangs zu knapp dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Trump-Anhänger im Kapitol
AP/Manuel Balce Ceneta
Der Sturm lieferte mitunter bizarre Bilder

Bisher gab es vor allem Urteile wegen Vergehen wie Hausfriedensbruch und Störung der öffentlichen Ordnung. In den Fällen, in denen Angreifern schwere Gewalttaten – unter anderem gegen Polizisten – zur Last gelegt werden, dürften im Februar die ersten Prozesse beginnen. Das betrifft unter anderen Mitglieder rechtsradikaler Gruppen wie der Proud Boys und der Oath Keepers.