Der britische Premierminister Boris Johnson
AP/Peter Byrne
„Partygate“

Johnson verliert weiter an Rückhalt

In der „Partygate“-Affäre um Lockdown-Feiern in der Downing Street hat ein weiterer konservativer Abgeordneter dem britischen Premierminister Boris Johnson sein Misstrauen ausgesprochen. Der Druck auf den Regierungschef wächst, auch angesichts von Medienberichten über neue Belege mutmaßlicher Falschaussagen.

„Um Vertrauen wiederherzustellen, müssen wir den Premierminister auswechseln“, schrieb der Politiker Nick Gibb in einem Gastbeitrag für den „Telegraph“ (Samstag-Ausgabe). Es sei leider kaum vorstellbar, dass Johnson die Wahrheit sage. „Die Wahrheit zu sagen ist wichtig – und nirgendwo so sehr wie im Unterhaus.“

Johnson hat sich zwar dafür entschuldigt, dass trotz der allgemeinen CoV-Beschränkungen im Regierungssitz Feiern stattfanden. Er vertritt aber immer noch die Meinung, selbst keine Regeln gebrochen zu haben. Daran gibt es erhebliche Zweifel. Inzwischen haben ihm nach Medienberichten mindestens 18 Abgeordnete der eigenen Partei das Vertrauen entzogen, was ein Misstrauensvotum wahrscheinlicher macht. Die Polizei ermittelt.

Neue Fotos von Johnson auf Geburtstagsparty

Neuen Zündstoff lieferte der „Mirror“: Das Blatt berichtete unter Berufung auf nicht genannte Quellen über ein der Polizei vorliegendes Foto, das zeige, wie Johnson bei einer Feier zu seinem Geburtstag 2020 eine Bierdose in der Hand halte und anderen zuproste. Der konservative Regierungschef betont immer wieder, nur kurz und im Zusammenhang mit Arbeitsterminen bei Versammlungen dabei gewesen zu sein. Ein Untersuchungsbericht hatte den Verantwortlichen in der Downing Street wegen der Partys Führungsversagen attestiert.

GB: Johnson hat BBC im Visier

Wegen der „Partygate“-Affäre ist Großbritanniens Premier Boris Johnson schwer unter Druck geraten – auch in der eigenen Partei. Um wieder mehr Rückhalt zu bekommen, greift er nun die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt BBC an.

Entziehen mindestens 54 Tory-Abgeordnete Johnson ihre Unterstützung, käme es zu einem Misstrauensvotum. Auch im Kabinett sorgt „Partygate“ für Unruhe: Finanzminister Rishi Sunak, der als möglicher Nachfolger gehandelt wird, distanzierte sich von einem Angriff Johnsons auf Oppositionschef Keir Starmer, bei dem sich der Premier einer rechten Verschwörungstheorie bedient hatte. Daraufhin sollen andere Kabinettsmitglieder der „Times“ zufolge Sunak egoistische Manöver vorgeworfen oder sich für dessen Rücktritt ausgesprochen haben.

Fünf Beraterinnen und Berater zurückgetreten

In den vergangenen Tagen traten gleich fünf Beraterinnen und Berater Johnsons zurück. Zwar lobten andere Vertraute des konservativen Regierungschefs die Abschiede am Freitag als Teil eines „Kulturwandels“. Kommentatoren sahen darin jedoch eher Anzeichen für den Anfang vom Ende des Premierministers. Es handle sich um einen „völligen Kollaps“ im Regierungssitz, zitierte die BBC am Freitag einen wichtigen konservativen Abgeordneten, der allerdings nicht genannt wurde.

Besonders der Abgang seiner wichtigsten politischen Beraterin Munira Mirza dürfte den Premierminister ins Mark treffen. Die Chefin der politischen Abteilung galt als eine seiner engsten Vertrauten. Sie hatte Johnson seit seiner Zeit als Londoner Bürgermeister begleitet.

In ihrem Abschiedsschreiben forderte Mirza ihren bisherigen Chef auf, sich doch noch zu entschuldigen. „Es ist nicht zu spät für Sie, aber – es tut mir leid, das zu sagen – es ist zu spät für mich“, schrieb sie. Mit der 44-Jährigen verliere Johnson sein „Gehirn“, hieß es in London. 2020 hatte er selbst Mirza als eine der fünf einflussreichsten Frauen in seinem Leben bezeichnet.

Die übrigen Kündigungen waren hingegen erwartet worden. So war Johnsons Büroleiter Martin Reynolds selbst in „Partygate“ verwickelt. Er hatte im Mai 2020 mit der Aufforderung „Bringt Euren eigenen Alkohol mit“ zu einer Lockdown-Feier im Garten der Downing Street eingeladen. Auch Stabschef Dan Rosenfield und Kommunikationsdirektor Jack Doyle kündigten. Inwiefern die Personalien freiwillig waren oder von Johnson erzwungen wurden, blieb offen.