Tennisspielerin Peng Shuai
AP/Eduardo Munoz Alvarez
Tennisstar Peng

Neues Interview, aber Zweifel bleiben

Monatelang hat der Fall Peng Shuai die Öffentlichkeit bewegt. Der chinesische Tennisstar hatte einen hochrangigen KP-Politiker der Vergewaltigung bezichtigt und verschwand danach für Wochen. In einem aktuellen Interview bestritt sie nun erneut die Vorwürfe, sprach von einem „enormen Missverständnis“ und kündigte das Ende ihrer Karriere an. Ihre Aussagen und die Begleitumstände des Interviews nähren jedoch Zweifel.

„Ich habe nie behauptet, dass mich jemand in irgendeiner Weise sexuell belästigt hat“, sagte Peng der französischen Sporttageszeitung „L’Equipe“ (Montag-Ausgabe). Es war Pengs erstes Interview mit einem unabhängigen Medium. Laut der Zeitung fand es in einem Hotelzimmer in Peking statt. Bei dem Interview wurde Peng vom Stabschef des Chinesischen Olympischen Komitees, Wang Kan, begleitet. „L’Equipe“ teilte mit, man habe die Fragen im Voraus einreichen müssen.

Die ehemalige Weltranglistenerste im Doppel hatte Ende des vergangenen Jahres weltweit Aufsehen erregt. Im chinesischen Onlinedienst Weibo hatte Peng Anfang November dem früheren chinesischen Vizeregierungschef Zhang Gaoli vorgeworfen, sie zum Sex gezwungen zu haben.

Der Beitrag verschwand kurze Zeit später aus dem Netz, Peng selbst wurde fast drei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit gesehen. Unter dem Hashtag „#WhereIsPengShuai“ schwappte daraufhin eine Welle der Kritik durch soziale Netzwerke, Sportstars und die Politik in mehreren Staaten schalteten sich in die Causa an. Der Frauentennisverband WTA erklärte alle Turniere in China für ausgesetzt.

„Jeder konnte mich sehen“

Sie sei niemals verschwunden gewesen, „jeder konnte mich sehen“, sagte Peng nun „L’Equipe“. „Es ist nur so, dass viele Leute, wie meine Freunde oder Leute vom IOC (Internationalen Olympischen Komitee, Anm.), mir Nachrichten geschickt haben, und es war einfach unmöglich, so viele Nachrichten zu beantworten.“

Peng Shuai bestreitet sexuelle Nötigung

Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai hat in einem Interview mit der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ bestritten, den ehemaligen Vizepremier Zhang Gaoli der sexuellen Nötigung beschuldigt zu haben. Die 36-Jährige sprach von einem „enormen Missverständnis“.

Den Eintrag bei Weibo habe sie selbst gelöscht. Auf die Frage, warum der Beitrag verschwunden sei, antwortete sie: „Ich habe ihn gelöscht.“ Auf die Frage, warum sie ihn gelöscht habe, sagte die 36-Jährige: „Warum? Weil ich es wollte.“ Ihr Wunsch sei es gewesen, dass der „Inhalt dieses Postings nicht noch weiter verdreht wird“, so Peng.

Die Mails, die sie an die Spielerinnenorganisation WTA geschickt hat, seien ebenfalls von ihr selbst verfasst worden, sagte sie in dem Interview. Hintergrund: Die WTA hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe mehrmals erfolglos versucht, mit Peng in Kontakt zu treten. Mitte November veröffentlichten chinesische Medien eine E-Mail von Peng, in der sie die Vorwürfe gegen Zhang als „unwahr“ bezeichnet und erklärte, sie sei nicht verschwunden und es gehe ihr gut. Die WTA stufte das Schreiben als „manipuliert“ ein.

Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs hatte Peng bereits Ende des Vorjahres in Abrede gestellt. In einem Videointerview der chinesischen Zeitung „Lianhe Zaobao“ aus Singapur bestritt sie, Anschuldigungen eines sexuellen Übergriffs erhoben zu haben. „Ich muss einen Punkt betonen, der äußerst wichtig ist: Ich habe niemals gesagt oder geschrieben, dass mich jemand sexuell angegriffen hat. Das muss ich mit Nachdruck feststellen“, sagte sie.

Keine Rückkehr auf die Tennistour

Mit ihrer Rückkehr auf die Tennistour rechnet die frühere Weltranglistenerste im Doppel nicht mehr, wie sie „L’Equipe“ sagte. Mit Blick auf ihr Alter, ihre zahlreichen Operationen und die Coronavirus-Pandemie sei es nur sehr schwer vorstellbar, dass sie noch einmal ihr gewohntes Niveau erreiche.

Sie habe zuletzt auch nicht mehr trainiert, bleibe „im Herzen aber immer eine professionelle Tennisspielerin“, sagte Peng. Zuletzt trat Peng im Februar 2020 in Katar im Einzel und Doppel an. Im Doppel gewann sie insgesamt 23 Turniere, darunter 2014 die French Open und 2013 Wimbledon.

Treffen mit IOC-Präsidenten

Zudem berichtete Peng „L’Equipe“ von einem Treffen mit IOC-Präsident Thomas Bach. Sie habe Bach am Samstag zum Abendessen getroffen. Das IOC bestätigte das Treffen zwischen Bach, der früheren Athletensprecherin Kirsty Coventry und Peng, bei der „die drei über ihre gemeinsamen Erfahrungen als Athleten bei Olympischen Spielen gesprochen“ hätten. Über weitere Inhalte des Gesprächs sei zwischen den drei Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart worden.

Peng Shuai
Reuters/Damir Sagolj
Peng bestritt abermals die Vorwürfe gegen den Politiker – und jemals verschwunden gewesen zu sein

„Wir haben viel besprechen und uns angenehm austauschen können“, sagte Peng gegenüber „L’Equipe“. Der IOC-Mitteilung zufolge kündigte Peng einen Besuch am IOC-Sitz in Lausanne an. Sie wolle nach Europa reisen, wenn es die CoV-Pandemie wieder möglich mache, hieß es in der Stellungnahme. Coventry und Peng hätten vereinbart, in Kontakt zu bleiben.

IOC will keine Bewertung vornehmen

Das IOC selbst will keine Bewertung vornehmen, ob Peng ihre Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker aus freien Stücken zurückgenommen hat. „Wir als Sportorganisation tun alles dafür, um sicherzustellen, dass sie glücklich und zufrieden ist. Es ist nicht unsere Aufgabe, und es ist nicht Ihre Aufgabe zu bewerten, wie ihre Position einzuschätzen ist“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Montag in Peking auf die entsprechende Frage eines Journalisten. Der mittlerweile pensionierte Vizepremier Zhang soll Medienberichten in seiner aktiven Zeit dafür verantwortlich gewesen sein, die Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking zu holen.