Luftaufnahme von den Wassertanks in Fukushima
Reuters/Kyodo
Kühlwasser ins Meer

Aufregung über Plan für Fukushima

Japan will riesige Mengen radioaktiven Kühlwassers aus der Atomruine Fukushima ins Meer leiten. Diese Pläne sollen nun von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) begutachtet werden. Gerade im Rahmen der Entscheidung der EU-Kommission, Atomenergie als grün und nachhaltig für Investitionen einzustufen, wirkt die Idee Japans nahezu absurd.

Elf Jahre nach dem Super-GAU am 11. März 2011 infolge eines Seebebens und eines Tsunamis müssen die zerstörten Reaktoren immer noch mit Wasser gekühlt werden. Dabei fallen jeden Tag rund 140 Tonnen an verstrahltem Wasser an, das gefiltert in mehr als 1.000 Tanks gelagert wird. Der Betreiberkonzern TEPCO sagt, dass im Herbst der Platz für Tanks erschöpft sein werde.

Aus diesem Grund hat die japanische Regierung entschieden, dass das Wasser gefiltert und verdünnt ab Frühjahr nächsten Jahres ins Meer geleitet werden soll. TEPCO plant, hierzu einen rund einen Kilometer langen Tunnel auf dem Meeresboden zu bauen, durch den das Kühlwasser aus der Atomruine verklappt werden soll.

Die Meeresküste vor dem Atomkraftwerk
APA/AFP/Kazuhiro Nogi
Dass das Kühlwasser gefiltert und verdünnt ins Meer geleitet werden soll, sorgt für Aufregung

Unter Verklappung versteht man die Entsorgung von Abfällen in Gewässern. Ein IAEA-Team unter der Leitung von Direktor Gustavo Caruso werde von 14. bis 18. Februar nach Japan kommen und die Sicherheit des gefilterten Kühlwassers überprüfen, teilte das japanische Außenministerium am Montag mit.

Viele Gegnerinnen und Gegner

Alleine in Japan selbst gibt es viele Gegnerinnen und Gegner der Verklappungsidee. Örtliche Fischereiverbände etwa befürchten Schaden für ihr Geschäft. Auch Umweltschützerinnen und Umweltschützer sowie Japans Nachbarländer wie China und Südkorea sind empört und fordern eine Streichung der Pläne.

Im europäischen Kontext wird das Erdbeben von Fukushima immer wieder als Argument herangezogen, Atomkraft nicht als klimafreundlich einzustufen. Doch genau das entschied die EU-Kommission letzte Woche, indem sie Kernenergie und Gas offiziell in ihre Taxonomie aufgenommen hatte, welche Finanzinvestitionen als klimafreundlich gelten.

Gas und Kernkraft würden einen Beitrag zum „schwierigen Übergang zur Klimaneutralität“ leisten, so EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness. 13 von 27 EU-Mitgliedsstaaten betreiben derzeit Kernkraftwerke. Der Rest ist allerdings ebenfalls von Atomstrom in Form von Importen abhängig.

Fukushima als mahnendes Negativbeispiel

Österreich ist ein klarer Gegner der Kernenergie, importiert aber derzeit auch Atomstrom. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezeichnete die Entscheidung der EU-Kommission etwa als juristisch falsch. Atomkraft erfülle nicht die Voraussetzungen.

Zerstörter Reaktor in 2011
AP/David Guttenfelder
Das AKW wurde durch ein Erdbeben völlig zerstört, Tausende Menschen mussten aus dem verstrahlten Gebiet fliehen

„Grüne Technologien dürfen keine signifikanten Umweltschäden anrichten“, was etwa durch Fukushima bei Atomkraft dokumentiert werde. Wer das leugne, „lügt sich in die Tasche“. Die EU-Entscheidung gefährde die Zukunft. „Wir geben den Kindern einen Rucksack voller Probleme mit“, warnte die Klimaministerin. Sie will klagen, sollte der Akt in Kraft treten.

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich zu den Plänen der EU-Kommission und nannte Fukushima neben der Kernreaktorkatastrophe von Tschernobyl als Negativbeispiel mit ungeahnten Folgen. „Ich bin überzeugt, dass wir alles tun müssen, um für unsere Kinder und Enkelkinder eine lebenswerte Welt zu schaffen. Wir müssen die Klimakrise gemeinsam meistern“, so Van der Bellen. „Aber sicher nicht Atomenergie. Denn diese ist erwiesenermaßen weder nachhaltig noch sicher. Schauen wir nach Tschernobyl, schauen wir nach Fukushima.“

Materialbeschaffenheit unklar

Mehr als eine Million Tonnen Wasser lagern bereits in den Tanks auf dem Gelände der Atomruine Fukushima Daiichi, und die Aufräumarbeiten sind noch nicht besonders weit fortgeschritten. Das Kühlwasser wird zwar zuvor behandelt, doch das Filtersystem ALPS kann das Isotop Tritium nicht herausfiltern. Die japanische Regierung und auch TEPCO argumentieren jedoch, Tritium sei in geringen Mengen nicht schädlich für die menschliche Gesundheit. Zudem solle das Wasser vor der geplanten Verklappung bis unter die Richtwerte verdünnt werden.

Weil der Platz zur Lagerung des Kühlwassers knapp wird, überlegt ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI), das radioaktive Material zu bergen, anstatt im havarierten Kraftwerk zu kühlen. Doch bis heute gebe es kaum gesicherte Kenntnisse über die bei der Kernschmelze entstandenen Materialien, so Umweltwissenschaftler Daniel Grolimund vom PSI. Zumindest in einem Modell gelang es den Forscherinnen und Forschern aber schon, das Material genauer unter die Lupe zu nehmen. So schafften sie es, die potenzielle Verteilung von Plutonium und anderen radioaktiven Elementen in den Trümmermaterialien zu bestimmen.

19.000 Tote, Zehntausende vertrieben

Für robotergestützte Rückholaktionen sei das von größter Bedeutung, sagte Grolimund. Denn selbst Roboter können sich nicht lange in den hochradioaktiven Trümmern aufhalten, ohne dass die Elektronik versagt. Mit dem Wissen, welche Trümmerteile viel radioaktives Material enthielten, könne man diese gezielt und effizient bergen. „Andere Teile hingegen, die radioaktiv harmlos sind, kann der Roboter vorerst liegen lassen und spart somit Zeit“, so der PSI-Forscher.

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima war das folgenschwerste Atomunglück seit dem Unfall von Tschernobyl 1986. Die Umgebung wurde weiträumig radioaktiv verstrahlt. Bei dem Erdbeben und Tsunami kamen etwa 19.000 Menschen ums Leben. Zehntausende Menschen aus der Umgebung des Atomkraftwerks mussten damals das Gebiet verlassen oder taten das freiwillig.