Ein Herz mit einer rot-weiß-roten Flagge auf der Verpackung muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Produkt auch tatsächlich aus Österreich stammt. Ähnlich irritierend wirkt die Herkunftsbezeichnung „Aus EU und Nicht-EU-Ländern“. Und was zu Mittag wirklich auf dem Teller in der Kantine liegt, weiß meist auch niemand so genau. Diesem Rätselraten soll ein Ende gesetzt werden.
Die Forderung „gute Lebensmittel für alle und Transparenz für Bürgerinnen und Bürger“, findet sich, in verschiedenen Formulierungen, bereits seit 2017 in Regierungsprogrammen. Lange habe man an einer nationalen Herkunftsbezeichnung gearbeitet, schließlich handle es sich dabei um ein Projekt, das europarechtlich „nicht ganz einfach“ umsetzbar ist, wie es aus dem Landwirtschaftsministerium heißt. Doch nun befinde sich das Projekt „in den finalen Zügen“.

Herkunftskennzeichnung „bereits im heurigen Jahr“
„In Österreich werden wir diese verpflichtende Herkunftskennzeichnung bereits im heurigen Jahr umsetzen“, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) beim informellen Agrarrat in Straßburg am Mittwoch. In Zukunft soll in Österreich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier erfolgen. Sowohl bei verarbeiteten Lebensmittel wie Nudeln, Wurst und Käse als auch bei Gemeinschaftsverpflegung wie in Kantinen und Mensen.
„Wir halten in Österreich eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung von verarbeiteten Lebensmittel für unverzichtbar. Das heißt, vor allem im Bereich der Industrie muss die Herkunft von Milch, Fleisch und Eiern künftig gekennzeichnet sein“, so Köstinger. Der Gesundheitsminister sei hier gefordert, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen, „damit soll Transparenz bei Konsumenten und Konsumentinnen und vor allem auch faire Wertschöpfung bei Landwirtinnen und Landwirten ankommen“.

Zwei Verordnungen für Käse bis Kantine
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es gegenüber ORF.at, der Entwurf für die Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln sei bereits fertig ausgearbeitet. Jener zu den Gemeinschaftsküchen liege dem Landwirtschaftsministerium vor. „Um Bewegung in die Angelegenheit zu bringen“, habe man einen Entwurf vorgelegt, der als ersten Schritt eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Eiern, Milch und Fleisch in allen Gemeinschaftsverpflegungen der öffentlichen Hand vorsieht.
„Die entsprechende Regelung würde Mensen, staatliche Krankenhäuser sowie Schul- und Kindergartenküchen bis hin zu Ministeriumskantinen und Kantinen von Unternehmen in öffentlicher Hand betreffen.“ Man setze auf eine stufenweise Ausweitung der Transparenz, so soll künftig auch die Gastronomie von einer Kennzeichnungspflicht umfasst werden.
Gastro: Grüne für Pflicht, ÖVP für Freiwilligkeit
Während in Österreich die Grünen neben einer Kennzeichnung in Kantinen ebenso für eine Kennzeichnung in der Gastro eintreten, spricht sich die ÖVP hier für Freiwilligkeit aus. In Krisenzeiten solle die Gastro nicht zusätzlich überfordert werden, so das Argument. Die Grünen meinen: Bei der Herkunftskennzeichnung gehe es um Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten vor Täuschung, und der müsse gelten, „egal, wo man isst“.

Lob aus Landwirtschaft und Handel
Unterstützung für die Kennzeichnung kam vergangenes Jahr von der heimischen Landwirtschaft. Schließlich stehe diese im Preiskampf mit ausländischen Agrarprodukten, die teilweise kostengünstiger und unter geringeren Tierschutzstandards produziert würden, so die Befürworterinnen und Befürworter.
Auch der heimische Handel befürwortet eine Kennzeichnung, sei es doch „ein wichtiger Hebel, um Regionalität und heimische Landwirtschaft zu stärken.“ Diese sollte aber auch im „Außer-Haus-Verzehr“ gelten. Dabei sollte die heimische Gastronomie mit Förderungen beim Umstieg unterstützt werden, so der Handelsverband.
Köstinger will EU-weite Herkunftsbezeichnung
Bei einem Treffen mit ihren Kollegen forderte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) eine EU-weite Regelung für die Herkunftsbezeichnung von Produkten. Das EU-Recht soll zugunsten verpflichtender Bezeichnungen geändert werden.
Für die einen zu wenig, für die anderen zu viel
Für Umwelt- und Tierschutzorganisationen reichen die aktuellen Pläne indes nicht aus. Es brauche vor allem in der Gastronomie eine Kennzeichnung, da es gerade hier am meisten an Transparenz mangle. Zudem müsste die Kennzeichnung auch andere Faktoren wie das Tierwohl miteinbeziehen, so der Tenor. Eine rein geografische Herkunftskennzeichnung sei zu wenig, es brauche auch Angaben zur Aufzucht, Haltung und Fütterung.
Für die einen zu wenig, für die anderen zu viel – so kritisierte etwa die heimische Nahrungsmittelindustrie und Wirtschaftskammer das Vorhaben und spricht von zusätzlichen, bürokratischen Belastungen und Wettbewerbsnachteilen für eine ohnehin schon krisengebeutelte Branche. Zudem würden die Pläne gegen EU-Recht verstoßen.
Herkunftsangaben in der EU
Derzeit muss in der EU nur bei Obst, Gemüse, Eiern, Olivenöl, Honig, Fisch und einigen Fleischprodukten die Herkunft angegeben werden.
Verstoß gegen EU-Recht?
Die Pläne für nationale Regelungen in Einklang mit EU-Recht zu bringen, ist tatsächlich heikel. Doch laut einem vom Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenem Rechtsgutachten des Innsbrucker Europarechtsexperten Walter Obwexer könnte Österreich sehr wohl eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung einführen, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Ganz allgemein müssten die Lebensmittelinformationen „einen umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher bieten“. So sollen sie eine Grundlage für eine fundierte Wahl und sichere Verwendung von Lebensmitteln bieten. Und das „unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten“, wie es in dem Gutachten heißt.
Gutachten: Kennzeichnung nur unter Bedingungen
Das Problem bei der Kennzeichnung ist, dass in der EU der Grundsatz des freien Warenverkehrs gilt. Das führt unter anderem dazu, dass Erzeugnisse aus allen Mitgliedsstaaten gleich behandelt werden müssen. „Nationale Vorschriften mit verpflichtenden Ursprungsland- oder Herkunftsbezeichnungen führen zu einer produktbezogenen Behinderung des freien Warenverkehrs“, wie Obwexer schreibt.
Allerdings gebe es auch hier Ausnahmen. Etwa, wenn es um den Schutz der Gesundheit oder Schutz der Verbraucher geht. Bei Lebensmitteln müsse es zudem „nachweislich eine Verbindung zwischen bestimmten Qualitäten des Lebensmittels und seinem Ursprung oder seiner Herkunft bestehen“. Diese Qualitäten könnten beispielsweise auf Faktoren wie Klima, Bodenbeschaffenheit oder Erzeugungsstandards zurückzuführen sein. Auch müsse die Mehrheit der Verbraucher diesen Informationen „wesentliche Bedeutung“ zumessen.
Die Erfolgsaussichten für eine nationale Regelung stehen unter der Einhalt der Bedingungen „gut“, dennoch gebe es nach wie vor noch einige „offene Fragen“, so Obwexer.

Italien und Frankreich als Vorreiter
Einzelne Präzedenzfälle gibt es allerdings bereits. In Italien etwa gibt es eine verpflichtende Herkunftsangabe bei Schweinefleisch als Zutat bei verarbeiteten Lebensmitteln, wie Schinken und Wurst. Schweinefleisch gilt nur dann als heimisch, wenn das Tier im Heimatsstaat geboren, aufzogen und geschlachtet wurde. In Italien gilt: Alle drei Orte müssen auf dem Etikett von jenen Lebensmitteln aufscheinen, in denen Schweinefleisch verarbeitet wurde.
Zu den Vorbildern zählt auch Frankreich, wo ab März eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung umgesetzt wird. Alle Fleischsorten müssen dann mit Herkunfts- und Aufzuchtland ausgeschildert werden, in Kantinen ebenso wie in Restaurants. Der französische Landwirtschaftsminister Julien Denormandie will damit eine „regionalere und gesündere“ Ernährung erreichen. „Wenn die Hühnerbrust aus Brasilien oder der Ukraine kommt, wird das vielleicht das Kaufverhalten der Verbraucher ändern“, so Denormandie.
Druck auf EU für einheitliche Regelungen
Am Mittwoch lobte Köstinger den Vorstoß Frankreichs, kritisierte jedoch zugleich, dass die Mitgliedsstaaten eigene nationale Regelungen aufstellen müssten, da die EU-Kommission keinen eigenen Vorschlag vorbringe. Köstinger pochte daher auf EU-weit einheitliche Herkunftskennzeichnungen: „Die EU-Kommission ist hier gefordert zu handeln, einen europäischen Gesetzesvorschlag auch vorzulegen.“
„Farm to Fork“-Strategie
Die „Vom Bauernhof auf den Teller“-Strategie, ist Teil des europäischen „Green Deals“ und zielt darauf ab, durch verschiedenste Maßnahmen die Lebensmittelproduktion ökologischer und die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.
Seitens des Gesundheitsministeriums wünsche man sich ebenso „eine möglichst weitgehende Kennzeichnung“, die sowohl Gemeinschaftsverpflegung inklusive Gastronomie als auch verarbeitete Lebensmittel im Lebensmittelhandel umfasse. Neben der Herkunftskennzeichnung müsse diese auch eine Haltungskennzeichnung erarbeiten, die wie bei Frischeiern klar sichtbar mache, unter welchen Umständen das Tier gehalten worden sei.
Und: Im Rahmen der „Farm2Fork“-Strategie habe die EU-Kommission zwar bereits einen Vorschlag für eine EU-weite Lösung bei der Kennzeichnung angekündigt, doch mit dem bereits auf dem Tisch liegenden Vorschlag des Gesundheitsministeriums könne „Transparenz am Teller“ in Österreich schon früher möglich werden. Gleichwohl muss auch dieser seitens der EU erst akzeptiert werden. Bis dahin dürfte das Rätselraten um die Lebensmittelherkunft munter weitergehen.