Eine Schildkröte im Meer mit einem Plastiksackerl im Maul
Getty Images/Sarayut Thaneerat/Eyeem
Neue Studie

Warnung vor Plastikflut im Meer

Die Umweltschutzorganisation WWF warnt vor einer dramatisch steigenden Plastikmüllkonzentration in den Weltmeeren und fordert energische globale Maßnahmen. Die Verschmutzung der Meere mit Kunststoffen wachse angesichts einer immer weiter zunehmenden weltweiten Plastikproduktion „exponentiell“ und sei darüber hinaus „unumkehrbar“.

Bis 2050 droht laut der vom WWF beauftragten Studie des deutschen Alfred-Wegener-Instituts (AWI) eine Vervierfachung der Plastikkonzentration. „Wir erleben eine ‚Plastifizierung‘ der Ozeane. Die fatalen Folgen für marine Ökosysteme und viele Tierarten sehen wir schon heute und lassen Schlimmes befürchten“, sagte Axel Hein, Meeresexperte des WWF Österreich.

Beim Alfred-Wegener-Institut handelt es sich um ein international anerkanntes Forschungsinstitut, das sich auf die Erforschung der Polargebiete und der ihr umgebenen Meere spezialisiert hat. Die neue AWI-Auswertung fasst die Ergebnisse von insgesamt 2.592 wissenschaftlichen Einzelstudien aus den letzten 60 Jahren zu diversen Aspekten des Problems zusammen und soll so einen bisher einmaligen Überblick über den Wissensstand liefern.

Kettenreaktion prognostiziert

Die neuen Erkenntnisse liefern die Voraussage einer Kettenreaktion: „Die Kunststoffproduktion wird sich bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. In der Folge vervierfacht sich größeres Makroplastik im Ozean in den nächsten 30 Jahren. Dieses zersetzt sich in immer kleinere Teile bis hin zu Mikro- und Nanoplastik. Bis zum Ende des Jahrhunderts droht die Menge des marinen Mikroplastiks um das 50-Fache zuzunehmen“, so Meeresexperte Hain.

Ein Delfin springt mit Plastikmüll auf dem Kopf aus dem Wasser
APA/AFP/Jackson Kowalski

Auswirkungen bei neun von zehn Arten

Bereits jetzt sind bei knapp 90 Prozent der untersuchten Meeresarten Auswirkungen festgestellt worden, sagte die Meeresbiologin und Mitautorin der Studie, Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut. Allerdings seien diese Zusammenhänge noch wenig erforscht. Aber: „Die dokumentierten Auswirkungen sind äußerst beunruhigend“, so Bergmann.

In Plastikmüll könnten sich Tiere wie Robben oder Meeresschildkröten verfangen und ersticken. Das gleiche Schicksal könne Vögel ereilen, die ihre Nester aus Plastikabfall bauten. Wenn der Müll den Meeresboden bedecke, fehle Korallen und Schwämmen Licht und Sauerstoff.

Schildkröten und Raubfische oder auch Delfine und Wale verwechselten Plastikteile mit Beutetieren. Nach dem Verzehr hätten sie ein falsches Sättigungsgefühl, litten unter Verstopfung und an inneren Verletzungen. Mit dem Plastikmüll nähmen die Tiere zudem Chemikalien auf, die ihre Fortpflanzung beeinträchtigen könnten.

Immer mehr betroffene Flächen

Besonders betroffen seien das Mittelmeer, das Gelbe Meer und das Ostchinesische Meer. Korallenriffe und Mangrovenwälder seien in Gefahr. Vor der indonesischen Insel Java sei an einigen Stellen die Hälfte des Meeresbodens mit Plastikmüll bedeckt. Auch in der Tiefsee, die 70 Prozent der Erdoberfläche ausmache, sammle sich immer mehr Kunststoffabfall. Der Müll werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten der Studie zufolge Meeresgebiete von einer etwa 60-fachen Fläche Österreichs ökologisch riskante Schwellenwerte der Mikroplastikkonzentration überschreiten. Im Vorfeld des UNO-Umweltgipfels am 28. Februar in der kenianischen Hauptstadt Nairobi forderte der WWF daher den Beschluss eines global rechtsverbindlichen Abkommens gegen den Eintrag von Plastikmüll in die Ozeane.

„Globaler Kraftakt“ gefordert

Der WWF forderte, die Ursachen der Plastikverschmutzung bereits im Keim zu bekämpfen, da das viel effektiver sei, als die Folgen im Nachhinein zu beseitigen: „Regierungen, Industrie und Gesellschaft müssen jetzt geschlossen handeln, um die Plastikkrise zu stoppen. Es braucht einen globalen Kraftakt auf der UNO-Versammlung im Februar“, forderte Hein.

„Die Forschung wirkt wie eine Taschenlampe, mit der wir Lichtstrahlen ins Dunkel der Ozeane werfen. Erfasst und erforscht ist erst ein Bruchteil der Folgen. Die dokumentierten Schäden sind beunruhigend und müssen als Warnsignal für ein weit größeres Ausmaß verstanden werden. Besonders beim derzeitigen und prognostizierten Wachstum der Plastikproduktion“, so Meeresbiologin Bergmann.