Gegen Lärm und Klimawandel: Philosoph Lessing wäre 150

Der deutsch-jüdische Philosoph Theodor Lessing wäre heute 150 geworden. Dem 1933 von Nazis ermordeten Denker, Schriftsteller und Publizist wurde postum kaum Bedeutung beigemessen, zum runden Jubiläum sind keine großen Gedenkveranstaltungen geplant – dabei gilt er durchaus als Visionär, warnte er doch schon früh etwa vor dem Klimawandel.

Gründete 1908 Anti-Lärm-Verein

Lessing wurde 1872 in Hannover geboren – und eckte bereits früh und gerne an. 1908 gründete er einen Anti-Lärm-Verein, in seiner monatlichen Streitschrift „Der Antirüpel“ widmete er sich dem „Kampf gegen Lärm, Roheit und Unkultur im deutschen Wirtschafts-, Handels- und Verkehrsleben“, wie es im Titel heißt.

Der deutsch-jüdische Philosoph Theodor Lessing
Public Domain

Der Lärm der Stadt, so Lessing, sei „Rache, die der mit den Händen arbeitende Teil der Gesellschaft an dem mit dem Kopfe arbeitenden nimmt, dafür dass der ihm Gesetze gibt“.

„An unserem Erdglobus ändert sich etwas“

Schon in den frühen 30er Jahren sprach er auch den Klimawandel an und kritisierte etwa das Abholzen der Wälder in Kalifornien und Texas. „An unserem Erdglobus ändert sich etwas. Es kommt eine Verschiebung des Klimas, welches vielleicht die Lebensweise, den Beruf und die Arbeit vieler Menschen ändern wird“, schrieb Lessing.

Auch die Wahl Paul von Hindenburgs zum deutschen Reichspräsidenten 1925 betrachtete Lessing mit Weitsicht. Hindenburg sei nur ein repräsentatives Symbol: „Man kann sagen: besser ein Zero als ein Nero. Leider zeigt die Geschichte, dass hinter einem Zero immer ein künftiger Nero verborgen steht.“

Fehde mit Thomas Mann

Der Philosoph schuf sich mit seiner Art einige Feinde, etwa den Schriftsteller Thomas Mann. Auch die Begleitung des Prozesses gegen den Serienmörder Fritz Haarmann sorgte für Aufsehen – 1925 kritisierte er die Rolle der Polizei und beschrieb Haarmann eher als Produkt der verrohten Gesellschaft, schreibt die dpa, woraufhin er von dem Prozess ausgeschlossen wurde.

Gedenkveranstaltungen seien aufgrund der Pandemie abgesagt worden, sagte Rainer Marwedel gegenüber der dpa. Marwedel widmet sich seit über 35 Jahren dem Leben und Werk Lessings. Anlässlich des 150. Geburtstags gab Marwedel unter dem Titel „Kultur und Nerven. Kleine Schriften 1908–1909“ zwei Lessing-Bände im Wallstein Verlag heraus.

Kein „Elfenbeinturm-Philosoph“

„Lessing schrieb philosophisch über ein breites Spektrum von Themen“, so Marwedel in einem Interview mit dem „Guardian“. „An einem Tag schrieb er einen Aufsatz über die kantische Ethik, am nächsten Tag eine Kolumne über die Psychologie des Bühnenkusses: Er war in dieser Hinsicht sehr französisch und nicht der typische deutsche Elfenbeinturm-Philosoph.“

Im Gespräch mit der dpa sagte Wallstein-Verleger Thedel von Wallmoden unterdessen: „Lessing prägte den Begriff des jüdischen Selbsthasses. Was macht es mit einer Minderheit, wenn sie ständigen Anfeindungen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt ist?“

Schon 1925 gab es eine antisemitische Hetzkampagne gegen Lessing, die ihn zur Aufgabe seiner Lehrtätigkeit zwang. Ende August 1933 ermordeten sudetendeutsche Nationalsozialisten den Philosophieprofessor aus Hannover im tschechischen Exil.