Wladimir Putin und Emmanuel Macron
APA/AFP/Sputnik
Ukraine-Krise

Diplomatische Bemühung um Deeskalation

Der Westen hat seine diplomatischen Anstrengungen zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts nochmals verstärkt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reiste nach Moskau, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Washington, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Kiew. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) besuchte die umstrittene Donbass-Region in der Ostukraine.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete das Gespräch mit Macron als „nützlich“. Einige der Ideen Macrons könnten die Basis für weitere gemeinsame Schritte sein, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Politiker. Er werde mit Macron erneut sprechen, nachdem dieser mit der ukrainischen Führung gesprochen habe.

Der französische Präsident erklärte nach dem Gespräch, dass sich der russische Staatschef des Ernstes der Lage in der Ukraine-Krise bewusst sei. Macron ergänzte, dass das Risiko einer Rückkehr von Instabilität und Unordnung in Europa nicht zugelassen werden dürfe. Seiner Ansicht nach seien die nächsten Tage entscheidend.

Frankreich hat derzeit die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne. Aus dem Elysee-Palast hieß es vorab, bei Macrons Russland-Besuch werde es um eine einheitliche, abgestimmte Ansage an Moskau mit klar umrissenen Konsequenzen im Falle einer Aggression gehen. Die USA und EU wollen im Fall eines russischen Einmarsches in der Ukraine scharfe Wirtschaftssanktionen erlassen.

Berichte zur Ukraine-Krise

Die ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz aus der Ukraine und Paul Krisai aus Russland berichten über die Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung und die Möglichkeiten der derzeit stattfindenden diplomatischen Offensive.

„Ende des diplomatischen Dialogs nicht erreicht“

Schallenberg war am Montag gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus der Slowakei (Ivan Korcok) und Tschechien (Jan Lipavsky) in die Ostukraine gereist. „Wir haben eine massive militärische Anspannung. Ich glaube aber weiterhin, dass das Ende des diplomatischen Dialogs nicht erreicht ist.“ Das sagte er bei einem Lokalaugenschein an der Kontaktlinie zwischen ukrainischen Regierungstruppen und Separatisten.

„Die Kanäle laufen auf Hochtouren“, sagte Schallenberg gegenüber österreichischen Journalisten. „Die Möglichkeiten liegen auf dem Tisch, es fehlt nur der diplomatische Wille. Es wird gefährlich gezündelt, wir müssen vom Gas runter.“ Es bedürfe eines Verhandlungsprozesses für eine Gesamtlösung, „um aus dieser bedrückenden Lage hinauskommen“.

Außenministertreffen in der Ukraine
AP/Außenministerium der Ukraine
Schallenberg informierte sich in der Ostukraine über die aktuelle Situation

Im Zuge der Reise kündigte Schallenberg auch an, dass der Ministerrat noch im Februar die Auszahlung von 2,5 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) des Außenministeriums beschließen wird. Zur Bekämpfung der humanitären Krise in der Ukraine werden eine Million Euro für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie 1,5 Millionen für österreichische NGOs an Ort und Stelle zur Verfügung gestellt.

Baerbock: Harte Maßnahmen gegen Russland vorbereitet

Baerbock unterstrich in Kiew die deutsche Bereitschaft, sich an möglichen Sanktionen gegen Russland auch bei eigenen ökonomischen Nachteilen zu beteiligen. Deutschland sei bereit, „einen hohen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen“. Für den Fall einer Eskalation habe Deutschland mit seinen Partnern „eine Reihe von harten Maßnahmen“ gegen Russland vorbereitet.

Baerbock und der ukrainische Chefdiplomat Dmytro Kuleba hoben die Geschlossenheit ihrer Länder hervor. „Ihr könnt auf uns zählen“, versicherte die Bundesaußenministerin. Bei Versuchen, „einen Keil zwischen die Freundschaft der Ukraine und Deutschland zu treiben“ würden beide Staaten „umso intensiver und enger beieinander stehen“.

Annalena Baerbock und Dmytro Kuleba
AP/Gleb Garanich
Baerbock kündigte harte Sanktionen gegen Moskau an, sollte Russland die Situation eskalieren lassen

Deutschland steht allerdings innerhalb des westlichen Lagers wegen seiner Verweigerung von Waffenlieferungen an die Ukraine in der Kritik. Gleichwohl sagte Kuleba an der Seite Baerbocks: „Niemand wird es schaffen, einen Graben zwischen der Ukraine und ihren Partnern zu reißen.“

Mehr als 100.000 russische Soldaten an Grenze

Moskau hat nach westlichen Angaben an der russischen und belarussischen Grenze zur Ukraine insgesamt mehr als 100.000 Soldaten zusammengezogen. Das schürt Befürchtungen, dass Russland einen Angriff auf das Nachbarland vorbereiten könnte. Russland bestreitet das und führt zugleich ins Feld, sich von der NATO bedroht zu fühlen.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz im Flugzeug mit Journalisten
APA/AFP/Sputnik
Für Scholz war es die erste Transatlantikreise als Bundeskanzler

Treffen Scholz-Biden im Zeichen der Krise

Der Ukraine-Konflikt stand auch im Zentrum des Antrittsbesuchs, den Scholz am Montag in Washington absolvierte. Nach Ansicht des deutschen Kanzlers sei die Botschaft in Moskau angekommen, dass ein Angriff auf die Ukraine einen hohen Preis für Russland nach sich ziehen würde. Deutschland und seine Alliierten seien zu einer entschlossenen Antwort bereit, sagte Scholz. Es gebe eine Doppelstrategie aus klarer Ansage an Moskau und der Bereitschaft zum Dialog mit Russland in allen Gesprächsformaten.

US-Präsident Joe Biden betonte seine Sicht, dass Diplomatie der beste Weg zur Lösung der Ukraine-Krise sei. Wenn Russland aber die Ukraine angreifen sollte, werde es eine schnelle und entschlossene Antwort gebe, sagte Biden nach einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz. Dann könne es kein „Business as usual“ geben. Er hob die enge Abstimmung mit Deutschland hervor.

Olaf Scholz und Joe Biden
AP/Alex Brandon
Biden sagte, Deutschland und die USA würden in der Ukraine-Krise „im Gleichschritt“ zusammenarbeiten

Borrell: Situation „gefährlichste seit Kaltem Krieg“

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte am Montag vor einer Eskalation der Krise in der Ukraine. „Wir erleben meines Erachtens den gefährlichsten Moment für die Sicherheit in Europa seit Ende des Kalten Krieges“, sagte Borrell nach Gesprächen mit US-Außenminister Antony Blinken in Washington am Montag. „140.000 Truppen an der Grenze zusammenziehen, das ist nicht zum Teetrinken“, sagte Borrell mit Hinblick auf die russischen Soldaten nahe der Ukraine. Deshalb müsse man die Anstrengungen verstärken, um eine große Gefahr für Frieden und Sicherheit zu vermeiden.

Borrell sagte, es gebe noch Raum für Diplomatie und Diskussion. „Wir hoffen auf das Beste, bereiten uns aber auf das Schlimmste vor.“ Im Falle weiterer russischer Aggressionen gegen die Ukraine würden die USA und die EU sich eng abstimmen, unter anderem zu Sanktionen, sagte der EU-Politiker.

Ukrainischer Soldat im Fronteinsatz
APA/AFP/Aleksey Filippov
Ukrainische Soldaten sind seit Wochen an der Grenze in Alarmbereitschaft

Deutschland und Großbritannien stocken Truppen auf

Parallel zu den intensiven diplomatischen Aktivitäten kündigten Deutschland und Großbritannien eine Aufstockung ihrer Truppenpräsenz in Osteuropa an. Die deutsche Bundeswehr entsendet 350 weitere Soldaten nach Litauen, wie Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mitteilte.

Derzeit sind dort rund 500 deutsche Soldatinnen und Soldaten. Großbritannien will laut Verteidigungsminister Ben Wallace sein Truppenkontingent an der polnischen Ostgrenze um 350 auf dann 450 Soldaten erhöhen.