Ein 200 mm Microchip-Wafer über einem 300mm Wafer
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Milliardeninitiative

Ambitionierte Pläne sollen Chips in EU holen

Die EU will künftig eine gewichtigere Rolle bei Mikrochips spielen: Regeln soll das der „Chips Act“, der am Dienstag vorgestellt worden ist. Insgesamt will die EU rund 43 Milliarden Euro mobilisieren, um weniger abhängig von anderen globalen Playern zu sein. Damit reagiert Brüssel auf die anhaltende Chipkrise – trotz ambitionierter Ziele ist aber unklar, wie selbstständig die EU überhaupt werden kann.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab am Dienstag bei der Vorstellung ein klares Ziel vor: Bis 2030 will man den Marktanteil der EU an der weltweiten Chipproduktion auf 20 Prozent steigern, also mehr als verdoppeln. Doch bis dahin wird sich der Markt selbst voraussichtlich ebenfalls verdoppeln – das bedeute, „unsere Anstrengungen zu vervierfachen“, so von der Leyen.

Dafür sieht die EU-Kommission elf Milliarden Euro an Subventionen für die Chipforschung vor. Diese sollen von der EU und den Mitgliedsstaaten kommen. Weitere mehr als 30 Milliarden Euro sollen durch die Genehmigung von Beihilfen der Mitgliedsländer für Unternehmen in dem Sektor kommen. Damit soll die Ansiedlung auch ausländischer Konzerne gefördert werden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Virginia Mayo
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen stellte am Dienstag die Chipinitiative vor

EU zieht mit USA bei Investitionen gleich

Tatsächlich gibt es im Hinblick auf die anhaltende Chipkrise Interesse daran, in der EU zu fertigen: Der US-Chiphersteller Intel hatte etwa erklärt, in Europa investieren zu wollen. Die öffentlichen Gelder sollen zu noch höheren privaten Investitionen führen, hofft die Europäische Kommission.

Damit zieht nun die EU mit anderen globalen Playern mit: Die USA kündigten ebenfalls Investitionen in Höhe von rund 45 Mrd. Euro an, China soll geschätzt sogar 150 Milliarden Euro bis Ende des Jahrzehnts investieren. Die EU-Investitionen sollen „zukünftige Schocks für unsere Wirtschaft vermeiden, wie wir sie mit den derzeitigen Versorgungsengpässen bei Chips sehen“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Und auch wenn bei der Vorstellung am Dienstag darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Chips in praktisch jedem Gerät heute vorzufinden sind, spielen sie vor allem für Europas Industrie eine gewichtige Rolle: Die Autobranche kämpft schon länger mit der Versorgungskrise bei Mikrochips. Das ist in Deutschland ein enormer Faktor – und auch der europäische Gigant Airbus ist auf Chips angewiesen.

Alle Augen auf Taiwan

Momentan spielt sich noch ein Großteil der Chipproduktion, besonders bei den leistungsstärksten Halbleitern, die etwa in Laptops und Handys verbaut werden, in erster Linie in Asien ab. Der weltweit größte Chiphersteller ist Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Für die USA und Europa ist der Standort Taiwan aber aufgrund des Konflikts mit China besonders problematisch, womit nun zunehmend andere Fertigungsorte ins Spiel gebracht werden.

Unabhängige Versorgungskette „unrealistisch“

Nur: Wie schon in einem „New York Times“-Artikel vom letzten Jahr dargelegt, ist eine Unabhängigkeit von Asien „komplett unrealistisch“, so ein Experte der US-Universität Harvard gegenüber dem Blatt. Laut einer Studie müssten die USA nicht nur Milliarden, sondern eine ganze Billion Dollar in die Hand nehmen, um eine eigenständige Versorgungskette auf die Beine zu stellen. Gleichzeitig würde das aber die Preise für Produkte mit Mikrochips auch deutlich steigern.

Darüber hinaus sind Chips aber auch seit jeher das Produkt internationaler Zusammenarbeit: Von der Forschung bis zur Fertigung sind oft mehrere Kontinente beteiligt. Eine komplett autarke Chipindustrie ist damit wohl vorerst nicht in Sicht.

EU investiert Milliarden in Chipproduktion

Die Europäische Union hat ihre Pläne zur Förderung für die Produktion von Mikrochips vorgestellt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab dabei ein klares Ziel vor: Bis 2030 will man den Marktanteil der EU an der weltweiten Chipproduktion auf 20 Prozent steigern, also mehr als verdoppeln. Doch bis dahin werde der Markt selbst ebenfalls stark zulegen. Das bedeute, „unsere Anstrengungen zu vervierfachen“, erklärte von der Leyen. Dafür sieht die EU-Kommission elf Milliarden Euro an Subventionen für die Chipforschung vor.

Investitionen als zusätzliche Anreize

Die Pläne der EU könnten die Produktion abseits Asiens dennoch stärken: Neben Intel suchen auch TSMC und GlobalWafers aus Singapur nach Fertigungsstandorten in Europa. Und kräftige Förderungen sind zweifellos ein zusätzlicher Anreiz, neue Produktionsstätten in Europa zu gründen – einen ähnlichen Effekt sieht auch die bereits erwähnte US-Studie für die angekündigten Forderungen Washingtons.

Ohnehin wirkt es so, als wäre die EU sich ihrer Stärken bewusst: Vor allem die „Forschung der Weltklasse“ sei einer der Schlüssel zum Erfolg, so von der Leyen. Letztlich wird es wohl darum gehen, eine Balance zwischen Produktion und Design zu schaffen, wie das etwa der deutsche Digitalverband Bitkom im Gespräch mit der dpa forderte.

„Entwurf geht in richtige Richtung“

In Österreich reagierte man erfreut über den Vorstoß der EU. „Der Entwurf geht in die richtige Richtung. Chips sind die Chance für Europa. Mit dem Paket kann uns die Wiedergeburt der europäischen Chipindustrie gelingen“, erklärte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) in einer Aussendung. Einziger Wermutstropfen sei die finanzielle Ausgestaltung, hieß es weiter. Schramböck hätte sich mehr frische EU-Gelder gewünscht, dafür wolle sie sich in den Verhandlungen zum Gesetz einsetzen.

„Österreich ist im Bereich Mikroelektronik einer der wichtigsten Standorte innerhalb der EU. Auf nationaler Ebene wollen wir Österreich zur Chipschmiede Europas machen“, so die Wirtschaftsministerin. Österreich werde den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission nun genau prüfen.

Fraunhofer-Experte: „Chips Act“ wirkt erst in Jahren

Nach Einschätzung des Chipexperten Albert Heuberger vom Fraunhofer-Institut wird die Chipinitiative der EU erst in Jahren Wirkung zeigen. „In einem wachsenden Markt müssen wir die Produktion in Europa verdrei- bis vervierfachen, um auf den angestrebten weltweiten Marktanteil von 20 Prozent zu kommen. Bis wir das aufholen, ist ein Zeitraum von fünf bis acht Jahren nötig“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Das Hochfahren von Produktionskapazitäten sei kostspielig und langwierig, so der Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen. Durch die Chipkrise habe die Thematik „erhebliches Momentum“ gewonnen, sagte Heuberger. „Man versucht, sowohl auf der Industrie-als auch der Forschungsseite aufzuholen und Impulse zu setzen. Allerdings gibt es im Vergleich zu den USA und Asien viel aufzuholen“, sagte Heuberger.