Pflaster am Oberarm
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Befreiung von Impfpflicht

Länder zerpflücken Mücksteins Umsetzung

Wer sich von der Impfpflicht befreien lassen will, hat dazu mehrere Optionen. Die Ausnahmen werden aber nicht bundesweit koordiniert. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) wälze die Verantwortung ab, so die Kritik mancher Länder. Laut Mückstein war das aber immer so vereinbart.

Seit Samstag ist die CoV-Impfpflicht in Kraft, am Montag beschloss der Hauptausschuss des Nationalrats auch die dazugehörige Verordnung. Darin geregelt ist auch, wer Befreiungen von der Impfpflicht ausstellen darf. Das sind neben Amts- und Epidemieärztinnen und -ärzten grundsätzlich alle Ambulanzen inländischer Krankenanstalten. Allerdings können sie Befreiungen nur für Personen ausstellen, die dort auch in Behandlung sind. Außerdem listet die Verordnung zur Impfpflicht eine Reihe von Ambulanzen auf, die „insbesondere“ dafür infrage kommen – etwa onkologische Ambulanzen oder solche für Immunsupprimierte und für Transplantationsmedizin.

An der Koordinierung der Impfbefreiungen gab es am Dienstag gehörig Kritik. Die Ärztekammer befürchtete etwa einen Andrang bei Ambulanzen, wie Ö1 berichtete. Vizepräsident Harald Mayer hielt die Verordnung für „so schlecht formuliert, dass jeder, der das so lesen will, lesen wird, dass jede Spitalsambulanz solche Impfbefreiungen ausstellen kann“. Viele Menschen dürften versuchen, ein Befreiungsattest zu bekommen, weil sie nicht geimpft werden wollen. „Dafür sind wir nicht da und dafür haben wir keine Kapazitäten“, so Mayer.

Scharfe Kritik an „unkoordiniertem Vorgehen“

Auch die Länder zeigten sich teilweise wenig begeistert von der Regelung zur Ausnahmebewilligung. Sie beklagten, dass es keine bundesweite Lösung für die Befreiungen gebe. Vorarlbergs Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) warf dem Gesundheitsministerium „unkoordiniertes Vorgehen“ vor.

Der Vollzug des Impfpflichtgesetzes werde dadurch erschwert und die Verantwortung auf die Länder abgewälzt, meinte Rüscher, die derzeit Vorsitzende der Landesgesundheitsreferenten ist. Sie vermisste eine bundesweite Plattform für Impfbefreiungsansuchen, auch Datenschutzfragen seien ungeklärt. Die direkte Abstimmung unter den Ländern für ein einheitliches Vorgehen laufe nun auf Hochtouren – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Debatte über Impfpflichtgesetz

Auch nach Inkrafttreten des Impfpflichtgesetzes reißen die Diskussionen darüber nicht ab.

„Das Gesundheitsministerium hat seine Hausaufgaben in diesem Bereich nicht gemacht und die Probleme, die im Vollzug entstehen, nicht gelöst – die Länder müssen es jetzt richten“, so Rüscher in einer Aussendung. Die Länder hätten bereits seit Wochen auf Herausforderungen beim Vollzug hingewiesen, ein direkter politischer Austausch mit dem Bundesminister sei jedoch nicht zustande gekommen.

Linz mit eigener Plattform

Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) und Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) verwiesen am Dienstag darauf, dass zuletzt mehrere Versuche, offene Fragen mit Mückstein zu klären, gescheitert seien. Nun bleibe vieles unklar, etwa auch, welche Ärzte die Befreiung tatsächlich abwickeln sollen. Das Fehlen einer bundesweit einheitlichen Lösung habe zur Folge, dass es in jedem Bundesland eine eigene Plattform mit teils unterschiedlichen Zugängen geben werde – mehr dazu in noe.ORF.at.

In die Kritik stimmte auch Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP) gegenüber der APA ein. „Seit Monaten sind wir mittlerweile in Abstimmung mit dem Bund hinsichtlich der Umsetzung des Impfpflichtgesetzes. Wesentliche Anregungen und Lösungsaspekte der Länder fanden beim Gesundheitsministerium kein Gehör.“

Oberösterreich arbeite aufgrund der nicht nachvollziehbaren Absage des Bundes auf Hochtouren an einer eigenen Plattform für Einreichungen von Ausnahmen zur Impfpflicht, ließ Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) wissen, die koordiniert mit allen Bundesländern am 14. Februar online gehen soll. Für den Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) war das „Chaos bei Impfbefreiungen vorhersehbar und vermeidbar.“ In der oberösterreichischen Landeshauptstadt gehe man einen eigenen Weg. Linzerinnen und Linzer sollen demnächst ausschließlich online auf der Homepage der Stadt einen Antrag auf die Befreiung von der Impfpflicht stellen können. Die zuständigen Amtsärztinnen und -ärzte prüfen dann die Befunde – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kärnten ging noch von bundesweiter ELGA-Plattform aus

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und die dortige Gesundheitsreferentin Beate Prettner (beide SPÖ) sprachen von einer „Kindesweglegung“. Die Länder müssten nun Dinge zustande bringen, „an denen der Bund offensichtlich scheitert“, meinte Kaiser in einer Pressekonferenz. Mit Enttäuschung müsse er feststellen, dass „einiges aus dem Ruder laufe“. „Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass insbesondere das Bundesgesundheitsministerium seinen Verpflichtungen nachkommt“, sagte Kaiser – mehr dazu in karnten.ORF.at.

Bis Samstag sei man davon ausgegangen, dass der Bund über den Elektronischen Gesundheitsakt (ELGA) eine zentrale Einmeldeplattform für Ansuchen zur Impfpflichtbefreiung installieren werde. „Am Samstag nach 21.00 Uhr ist dann ein Nein des Ministers bei uns Gesundheitsreferenten per Mail eingelangt. Die Installierung der Einmeldeplattform ist uns Ländern umgehängt worden“, so Prettner. „Als Bundesländer sind wir wirklich erbost über die Vorgehensweise des Bundes.“ Man habe Mückstein das letzte Mal vor 14 Tagen persönlich gesprochen, seitdem habe es vier Konferenzen der Gesundheitsreferenten und -referentinnen ohne den Minister gegeben. Man müsse nun Feuerwehr spielen für all das, was der Bund nicht geleistet habe.

Steiermark: Andrang wegen Ausnahmen bei Impfpflicht

In der Steiermark wollen sich bereits viele Menschen von der Impfpflicht befreien. Das Problem gibt es auch in vielen anderen Teilen des Landes.

Mückstein weist Vorwürfe zurück

Mückstein wies die Vorwürfe am Dienstag zurück und verwies in einer Stellungnahme gegenüber der APA auf Absprachen zwischen Bund und Ländern. „Bei der Impfpflicht und dem dazugehörigen Gesetz handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von vier Parteien und der gesamten Bundesregierung.“ Zu einer Einigung zwischen Bundesregierung und Ländern sei es bei der Landeshauptleutekonferenz vergangenen November gekommen. Es sei dabei mehrmals „klar kommuniziert“ worden, dass es keine bundesweite Plattform für Impfbefreiungen geben wird. Der „Standard“ hatte wiederum Ende vergangener Woche berichtet, ELGA arbeite bereits an einer zentralen Upload-Möglichkeit. Laut Ministerium sollte diese „spätestens im April“ verfügbar sein.

Auch an anderen Aspekten der Impfpflicht und der entsprechenden Verordnung wurde Kritik laut. Kaiser forderte am Dienstag eine ständige Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht, wie sie in Paragraf 19, auch auf Kärntner Vorschlag, des Gesetzes durch eine unabhängige Kommission geregelt ist. Insbesondere mit Blick auf mögliche Strafen.

„Bevor es zu irgendeiner ersten Strafe oder Sanktion kommt, muss die Verhältnismäßigkeit von einer Kommission überprüft werden“, so Kaiser. Auch Gesundheitsreferentin Prettner fragte, ob es das Gremium nach Paragraf 19, das aus Juristinnen und Juristen sowie medizinischen Expertinnen und Experten bestehen soll, denn schon gebe beziehungsweise ob es schon getagt habe.

Grafik zur Impfpflicht
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Kritik wiederum an Kaiser gab es von der FPÖ. „Jetzt, da immer deutlicher wird, welches Chaos und welchen Frust der Impfzwang verursacht, verleugnet der Mittäter dieses Pfuschgesetzes, SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser, plötzlich seine Vaterschaft für diese legistische Fehlgeburt“, so Landesparteichef Erwin Angerer.

Onkologen gegen Ausnahmen für Krebspatienten

Die Krebshilfe und führende Onkologie-Fachleute kritisierten indes, dass Krebspatienten und -patientinnen von der Impfpflicht ausgenommen sind. Damit seien nun genau jene Menschen ausgenommen, „die einen klaren Vorteil von der Impfung haben“, so Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinischen Onkologie (OeGHO), in einer Aussendung.

„Die Vorteile einer Corona-Impfung für Menschen mit Krebserkrankungen überwiegen das Risiko einer eventuell nicht ausreichenden Immunantwort bei immunsupprimierten Patientinnen deutlich“, so auch der Krebsexperte Christoph Zielinski. Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda berichtete: „Seit der Bekanntgabe laufen die Telefone in unseren Krebshilfe-Beratungsstellen heiß.“ Die Experten stellten klar, dass weiterhin ihre gemeinsame Empfehlung gelte, wonach sich Krebspatienten zu ihrem eigenen Schutz gegen das Coronavirus impfen lassen sollten.

Die Gesellschaft für Nephrologie wiederum sprach eine klare Empfehlung für eine dritte bzw. vierte Teilimpfung bei Nierentransplantierten aus. Dasselbe empfahl die Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik.

Sorge vor Engpass in 24-Stunden-Betreuung

Der Fachverband der Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer warnte vor einem Engpass in der 24-Stunden-Betreuung, weil der russische „Sputnik V“-Impfstoff nicht anerkannt wird. Der Großteil der Betreuerinnen komme aus Ländern, die auf „Sputnik V“ gesetzt haben, die Branchenvertretung schätzt laut „Salzburger Nachrichten“ (Dienstag-Ausgabe), dass etwa 30 bis 40 Prozent der Pflegekräfte aus Rumänien mit diesem Vakzin geimpft sind. Wer zweimal mit „Sputnik V“ geimpft ist, benötigt zwei weitere in Österreich zugelassene Impfungen.