Sebastian Kurz und Karl Nehammer
Reuters/Leonhard Foeger
„Think Austria“

Nehammer löst Kurz’ Denkfabrik auf

Die strategische Stabsstelle „Think Austria“ ist abgewickelt: Bundeskanzler Karl Nehammer „integrierte“ die Denkfabrik seines Vorgängers Sebastian Kurz (beide ÖVP) in bestehende Abteilungen, wie es am Mittwoch hieß. „Think Austria“ stand seit Bestehen in der Kritik der Opposition und spielte auch im „Ibiza“-U-Ausschuss eine Rolle.

Die Auflösung der Denkfabrik habe Nehammer nach Übernahme seiner Amtsgeschäfte veranlasst, hieß es am Mittwoch aus dem Kanzleramt gegenüber der APA. Gleichzeitig engagiert die ÖVP nun einen Vollprofi – den früheren Vizesprecher der deutschen Langzeitkanzlerin Angela Merkel, Georg Streiter –, um den Imageschaden aus dem kommenden U-Ausschuss zu begrenzen.

Streiter werde einiges zu tun haben, berichtete der „Kurier“ (Donnerstag-Ausgabe) unter Hinweis auf die Kommunikationsfehler („Bei uns ist nichts mehr zu finden“ von Gaby Schwarz vor den Hausdurchsuchungen) und die ständigen Attacken von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger gegen Justiz und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die sich als Bumerang erwiesen hätten. Streiter werde Hanger und den jetzigen Kofraktionsführer Christian Stocker „unter seine Fittiche nehmen“.

Zudem signalisiere Streiters Engagement, dass Kurz’ Kommunikationsduo Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann aus dem Spiel sei, so der „Kurier“. Der 66-jährige gebürtige Luxemburger war vor seiner Tätigkeit als deutscher Vizeregierungssprecher Innenpolitikressortleiter bei der „Bild“-Zeitung und beim „Stern“. Er gilt als Verfasser der legendären „Bild“-Headline „Wir sind Papst“ bei Joseph Ratzingers Kür.

Nehammer dankt „Think Austria“-Team

Kurz hatte „Think Austria“ 2018 ins Leben gerufen, es sollte sich um strategische Themen für die Entwicklung Österreichs kümmern. Nun soll eine Handvoll Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Abteilungen untergebracht werden. Nehammer bedankte sich bei der Leiterin der Stabsstelle, der Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler, für „die wertvolle jahrelange, ehrenamtliche Tätigkeit gemeinsam mit ihrem Team“.

Mei-Pochtler stehe dem Bundeskanzleramt auch in den kommenden Monaten „ehrenamtlich und unentgeltlich beratend“ zur Verfügung, hieß es aus dem Kanzleramt, insbesondere bei der Durchführung des „Kofi Annan Preises“ an Start-up-Unternehmen in Afrika gemeinsam mit der Kofi Annan Foundation, dem World Food Programme und der Austrian Development Agency. Darüber hinaus werde Mei-Pochtler weiterhin bei der freiwilligen wissenschaftlichen „Covid FutureOperations Platform“ mitwirken.

Prominente Namen

„Think Austria“ war mitunter harsch kritisiert worden, da kaum konkrete Ergebnisse bekannt waren. Zudem wartete der Beirat des Thinktanks neben prominenten Fachleuten wie Ex-UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon auch mit Personen auf, die aus unterschiedlichen Gründen schwer in die Kritik geraten sind.

Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler
APA/Robert Jaeger
Mei-Pochtler soll auch künftig die Politik beraten, etwa in der „Covid FutureOperations Platform“

Der in Deutschland unter dem Verdacht der Bilanzfälschung festgenommene frühere Wirecard-Chef Markus Braun war in der Vergangenheit etwa Teil des Gremiums. Auch Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, der zuletzt mit einem Video einer Party in Kitzbühel für Schlagzeilen sorgte, war bei „Think Austria“ dabei.

Eine Mail aus über 9.500

Die Stabsstelle spielte auch im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss eine Rolle. Die Oppositionsparteien vermuteten, dass Unterlagen zurückgehalten worden seien. Denn von über 9.500 Mails in der Mailbox von „Think Austria“ war nur eine einzige an den Ausschuss geliefert worden. Die Opposition wandte sich in der Folge an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) und verlangte erfolgreich die Übermittlung der Mails an den U-Ausschuss. Im vergangenen März war Mei-Pochtler selbst im „Ibiza-U-Ausschuss“ als Auskunftsperson geladen. Sie bestritt damals, dass über die Einrichtung Spenden lukriert worden sein sollen.

Opposition: „Kopfschütteln“ und „Etikettenschwindel“

SPÖ-Bundesgeschaftsführer Christian Deutsch reagierte am Mittwoch mit einem „Kopfschütteln“: Die „Skandal-Plattform“ solle als „türkise Verschubmasse“ einfach auf andere Stellen aufgeteilt werden. „Im Kanzleramt wird keinesfalls aufgeräumt, es werden bestenfalls die Türschilder ausgetauscht.“

FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker sah in der Auflösung am Mittwoch einen „Etikettenschwindel“, da die Stabsstelle nur in andere Abteilungen integriert und auch Mei-Pochtler weiter als Beraterin tätig sein werde. In einer Aussendung forderte er für sie ein Hausverbot im Kanzleramt. Hafenecker hatte sich auch im Vorfeld des anlaufenden ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses überzeugt davon gezeigt, dass aus dem Thinktank im Kanzleramt brisante Informationen in Richtung Privatwirtschaft geflossen seien.