Stapel Aktenordner
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Klage über „Aktenflut“

1,3 Terabyte Material für ÖVP-U-Ausschuss

In drei Wochen startet der Untersuchungsausschuss zu Korruptionsvorwürfen gegen die ÖVP. Schon im Vorfeld sieht sich die Opposition in ihrer Aufklärungsarbeit behindert – das Problem ist diesmal gegensätzlich zu jenem im vorhergegangenen „Ibiza“-U-Ausschuss: Anstatt zu wenig Akten würden diesmal zu viele, teils gänzlich irrelevante, geliefert.

Bisher hat der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss 1,3 Terabyte geliefert bekommen, wie das Ö1-Morgenjournal am Mittwoch berichtete. Zu den darin erhaltenen 520.000 Dateien kommen 800 Ordner Akten, die in eine höhere Geheimhaltungsstufe fallen und daher auf Papier ausgedruckt wurden – mehrere 100.000 Seiten also, die händisch durchgeschaut werden müssen.

Die Opposition wirft der ÖVP vor, den Ausschuss gezielt mit Akten zu überschwemmen, um die Untersuchungsarbeit zu erschweren. Schon jetzt seien von den ÖVP-geführten Ministerien mehr Unterlagen geliefert worden als während des ganzen „Ibiza“-Ausschusses. Letztlich, berichtete Ö1, könnte es sogar die zehnfache Menge werden.

Krainer: „Werden Nadel im Heuhaufen finden“

SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer hatte schon vor zwei Wochen beklagt, dass die ÖVP versuche, „uns mit Akten zuzumüllen“ Am Mittwoch sagte er dazu: „Ist okay. Challenge is accepted. Wir werden schon die Nadel im Heuhaufen finden.“ Ähnlich äußerte sich FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker: Aus dem Bildungsministerium etwa seien „reihenweise Bestellungslisten von irgendwelchen Alltagsartikeln von Schulen, wurscht ob Hygieneartikel oder Heizmaterial“, eingetroffen. „Wir werden mit Akten geflutet, aber ja, das dürfte ein Verwirrspiel der ÖVP sein, und wir nehmen es zur Kenntnis.“

Die ÖVP sieht die Schuld bei der Opposition selbst, die die Themen zu wenig konkret formuliert und den Untersuchungsgegenstand zu weit gefasst habe. Die ÖVP stützt sich dabei auf ein Gutachten, das der Linzer Verwaltungsrechtler Andreas Janko für das Bundeskanzleramt erstellt hat. Im Ö1-Morgenjournal bestätigte Janko: „Wenn ich eine Unterlage habe und ich nicht von vornherein mit relativ großer Sicherheit ausschließen kann, dass die begünstigte Person in diesem weiten Begriffsverständnis des Untersuchungsgegenstands mit der ÖVP verbunden ist, dann muss ich vorlegen.“

Christian Hafenecker (FPÖ) und Kai Jan Krainer (SPÖ)
APA/Hans Punz
Hafenecker und Krainer sind ausschusserprobt, die Vorzeichen sind diesmal aber andere

ÖVP will auch Chats von SPÖ und FPÖ

SPÖ, FPÖ und NEOS wollen im Ausschuss den Zeitraum zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 beleuchten – also jene Zeit, in der Sebastian Kurz mit Unterbrechung Bundeskanzler war. Zudem sollen auch Vorbereitungshandlungen während der Phase des Machtwechsels in der ÖVP von Ex-Vizekanzler und -Parteichef Reinhold Mitterlehner zu Kurz – Stichwort „Projekt Ballhausplatz“ – einbezogen werden. Konkreter Untersuchungsgegenstand ist, „inwiefern Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden“.

Die Volkspartei will aber auch, dass Mails und Chats von SPÖ- und FPÖ-Politikern geliefert werden – schließlich seien sie durch eine Koalition mit der ÖVP verbunden gewesen. Bei Gutachter Janko stößt das auf Skepsis: „Es ist zwar richtig, dass das Einsetzungsverlangen in diesem Punkt unklar gefasst ist, allerdings die Regierungsmitglieder einer anderen politischen Partei würde ich auf den Gesamtzusammenhang nicht als mit der ÖVP verbundene Person betrachten.“

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger verteidigte den Schritt im Ö1-Morgenjournal: Es könne für eine „aktenliefernde Stelle niemals erkennbar sein, wer denn mit der ÖVP verbunden ist. Das mag vielleicht ein Parteimitglied sein, aber das darf ja die aktenliefernde Stelle gar nicht wissen. Ist es dann die Gattin, ist es die Cousine, ist es ein Freund, der Nachbar?“ Die Flut an gelieferten Akten begründete Hanger so: „Wir haben eine sehr klare Strategie gewählt für diesen Untersuchungsausschuss. Alles auf den Tisch.“

25. Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik

Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist der 25. Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik. Zum fünften Mal seit der großen Reform vor sieben Jahren hat eine parlamentarische Minderheit getragen von SPÖ, FPÖ und NEOS den Ausschuss ins Leben gerufen. Grüne und ÖVP mussten allerdings noch ihr geschäftsordnungsmäßiges Okay geben. Bei einem „Minderheitsausschuss“ ist ein „Abdrehen“ durch die Mehrheit nicht möglich. Bisher wurden der Hypo-, der zweite Eurofighter-, der BVT- und der „Ibiza“-U-Ausschuss von einer parlamentarischen Minderheit eingesetzt.