Russische Panzer während einer Übung
Reuters/Sergey Pivovarov
„Nukleare strategische Übung“

London warnt vor Plänen Russlands

Russland plant nach Angaben des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace in Kürze eine „nukleare strategische Übung“. Details nannte er am Donnerstag nicht, ergänzte aber im Radiosender BBC unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse, dass Russland neben Cyberangriffen und anderen destabilisierenden Aktivitäten auch Täuschungsmanöver plane, um einen Vorwand für eine Invasion der Ukraine zu schaffen.

Indes warnte die britische Außenministerin Liz Truss in Moskau vor einem Krieg in der Ukraine. „Grundsätzlich wäre ein Krieg in der Ukraine katastrophal für das russische und ukrainische Volk und für die europäische Sicherheit“, sagte Truss bei einem Treffen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Die NATO habe deutlich gemacht, „dass jeder Einfall in die Ukraine massive Folgen haben und hohe Kosten davontragen würde“.

Moskau müsse seine „Kalter-Krieg-Rhetorik“ aufgeben und ernsthafte Verhandlungen aufnehmen, forderte die Außenministerin. „Es gibt einen alternativen Weg, einen diplomatischen Weg, der Konflikt und Blutvergießen vermeidet. Ich bin hier, um Russland zu drängen, diesen Weg einzuschlagen.“ Außerdem rief sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lawrow Russland zum Abzug seiner Truppen auf. Das Militär müsste von der ukrainischen Grenze „woandershin verlegt werden, da sie sich derzeit in einer sehr bedrohlichen Stellung befinden“, so Truss.

Lawrow: „Drohungen führen zu nichts“

Lawrow warnte hingegen den Westen vor Drohungen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt. „Ideologische Ansätze, Ultimaten, Drohungen führen zu nichts“, sagte Lawrow am Donnerstag zu Beginn seines Treffens mit Truss. Viele seiner westlichen Kollegen hätten aber „eine Leidenschaft“ für diese Form der Kommunikation. Kurz vor dem Treffen erklärte er, Russland sei zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Großbritannien bereit.

US-Militärtransport von Deutschland nach Rumänien
Reuters/Lukas Barth
Wegen der Truppenaufstockung an der ukrainischen Grenze befürchtet der Westen schon seit Wochen eine Invasion Moskaus im Nachbarland

Großbritannien erwägt auch die Entsendung weiterer Truppen zur Unterstützung seiner Verbündeten in Ost- und Südeuropa, sofern das erforderlich sein sollte. Das sagte Wallace dem Radiosender LBC, wobei das NATO-Mitglied Ungarn bereits vorab eine Absage erteilt hatte und keine NATO-Truppen auf seinem Grund und Boden dulden will. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist ein Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

GB warnt vor russischem Einmarsch

Dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace zufolge gibt es Geheimdiensterkenntnisse, dass Russland neben Cyberangriffen und anderen destabilisierenden Aktivitäten auch Täuschungsmanöver plane, um einen Vorwand für eine Invasion in die Ukraine zu schaffen. Er sehe zudem eine weltweit zunehmende „politische Spaltung“ im Umgang mit Russlands Aktivitäten im Ukraine-Konflikt.

„Gefährlicher Moment für europäische Sicherheit“

Indes ist der britische Premierminister Boris Johnson zu Besuch im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Die Ukraine-Krise durchläuft nach den Worten Johnsons ihren „wahrscheinlich gefährlichsten Moment im Laufe der nächsten paar Tage“. Es handle sich um Europas schwerste Sicherheitskrise seit Jahrzehnten. Er gehe nicht davon aus, dass Moskau schon eine Entscheidung getroffen habe.

„Aber das bedeutet nicht, dass es unmöglich ist, dass sehr bald etwas absolut Katastrophales passieren könnte.“ Die Geheimdiensterkenntnisse zeichneten weiterhin ein düsteres Bild. Johnson sprach sich für eine „Kombination aus Sanktionen und militärischer Entschlossenheit plus Diplomatie“ aus.

Stoltenberg: „Vorwarnzeit für möglichen Angriff sinkt“

Die NATO müsse nach den Worten Johnsons unterstreichen, dass es Prinzipien gebe, bei denen sie keine Kompromisse eingehe. „Das schließt die Sicherheit jedes NATO-Verbündeten ein und das Recht jeder Demokratie in Europa, eine NATO-Mitgliedschaft anzustreben“, sagte Johnson in Brüssel. Er betonte, Großbritannien setze sich standhaft für die Sicherheit in Europa ein.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte: „Dies ist ein gefährlicher Moment für die europäische Sicherheit“, so Stoltenberg. „Die Zahl der russischen Streitkräfte steigt. Die Vorwarnzeit für einen möglichen Angriff sinkt.“ Die NATO sei keine Bedrohung für Russland. „Aber wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein, während wir uns gleichzeitig stark dafür einsetzen, eine politische Lösung zu finden.“ Stoltenberg drängte Russland zu weiteren Gesprächen im NATO-Russland-Rat. Er habe einen Brief an Lawrow geschickt und die Einladung zur Fortsetzung des Dialogs wiederholt, so der NATO-Generalsekretär.

Russland und Belarus mit gemeinsamem Militärmanöver

Inmitten der Ukraine-Krise begannen Russland und Belarus am Donnerstag ein gemeinsames Militärmanöver. Ziel der Übungen auf belarussischem Staatsgebiet sei, die Streitkräfte darauf vorzubereiten, „externe Aggressionen im Rahmen eines Verteidigungseinsatzes zu stoppen und abzuwehren“, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag.

Das Manöver soll zehn Tage dauern. Im Westen sorgen die gemeinsamen Militärübungen wegen der schwelenden Ukraine-Krise für Aufregung. Moskau hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten und Soldatinnen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Das schürt die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland.

Es wird erwartet, dass etwa 30.000 russische Soldaten und Soldatinnen an den Übungen mit Belarus teilnehmen werden, wobei Russland keine Zahl bekanntgab. Die Übungen finden den Angaben zufolge auf fünf Militärgeländen, vier Luftwaffenstützpunkten sowie an „verschiedenen“ weiteren Orten in Belarus statt. Einen Schwerpunkt bildet dabei die im Grenzgebiet zur Ukraine gelegene Region Brest.

Russische Kriegsschiffe nahe der Krim

Auf fünf Truppenübungsplätzen solle etwa „die Unterdrückung und Abwehr äußerer Aggression“ trainiert werden, teilte das Ministerium in Moskau mit. Russland hatte in den vergangenen Wochen schweres Militärgerät nach Belarus verlegt – darunter Luftabwehrsysteme vom Typ S-400. Zudem wurden laut Angaben aus Moskau Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM über 7.000 Kilometer aus der Region Primorje am Japanischen Meer auf Militärflugplätze im Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze gebracht.

Ukrainischer Soldat in Donetsk
AP/Vadim Ghirda
Die Ukraine startet am Donnerstag ebenfalls ein Militärmanöver

Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, das viele Panzer zeigte, mit Tannenzweigen zur Tarnung. Zu sehen und hören war, wie scharf geschossen wurde. Außerdem trafen sechs russische Kriegsschiffe Medienberichten zufolge in der Nähe der Halbinsel Krim ein. Vorgesehen seien Militärübungen im Schwarzen Meer, meldete am Freitag die russische Nachrichtenagentur Interfax.

Auch Ukraine plant Manöver

Die Ukraine kritisierte die russischen Marineübungen in der Nähe ihrer Küste als „eklatante Missachtung der Regeln und Grundsätze des Völkerrechts“. Es sei „praktisch unmöglich“, im Schwarzen Meer und dem über eine Meerenge verbundenen Asowschen Meer zu navigieren, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. „Solche aggressiven Aktionen der Russischen Föderation als Teil ihres hybriden Krieges gegen die Ukraine sind inakzeptabel.“ Kiew werde zusammen mit den Partnerländern der Ukraine eine Reaktion vorbereiten.

Analyse: Militärübung an Grenze zu Ukraine

ORF-Korrespondentin Miriam Beller meldet sich aus Moskau und erklärt, was Putin mit der Militärübung bezwecken könnte. Russland sagt, man werde die Truppen nach Ende der Übungen wieder abziehen.

Seitens der Ukraine soll weiters der Umgang mit Drohnen geprobt werden sowie mit Raketen und Panzerabwehrwaffen, die von ausländischen Partnern geliefert wurden, wie Verteidigungsminister Oleksij Resnikow vor wenigen Tagen mitteilte. Wie viele Soldatinnen und Soldaten beteiligt sind, ist nicht bekannt. Die aktive Phase von russischen Militärübungen ist ebenfalls bis zum 20. Februar angesetzt.

Russland schließt indes nicht aus, seine Diplomatinnen und Diplomaten aus Sicherheitsgründen aus der Ukraine abzuziehen. Das sagt der stellvertretende Außenminister Andrej Rudenko laut einem Bericht der Nachrichtenagentur TASS. Evakuierungen seien denkbar, um Diplomatinnen und Diplomaten vor Provokationen seitens der ukrainischen Regierung oder Drittstaaten zu beschützen.

EU-Staaten schicken gemeinsame Antwort

Die Europäische Union hat mit einem gemeinsamen Brief im Namen der Außenminister aller 27 Mitgliedsstaaten auf russische Sicherheitsvorschläge im Zuge der Ukraine-Krise reagiert. Diplomatinnen und Diplomaten zufolge hatte Lawrow EU-Mitgliedsstaaten einzeln angeschrieben. Das sei als Versuch gewertet worden, die Staatengemeinschaft zu spalten.

Daher habe man sich auf eine gemeinsame Antwort verständigt. Lawrow erklärt in Moskau, eine kollektive EU-Reaktion auf seine Vorschläge werde zu einem Scheitern der Gespräche führen. Die EU-Botschaft Russlands bestätigt den Eingang des Schreibens. Zum Inhalt der EU-Antwort machte keine Seite Angaben. Laut Diplomatenkreisen geht es um Russlands Bedenken hinsichtlich der Sicherheit an seinen westlichen Grenzen und um die EU-Bemühungen, die Spannungen durch Diplomatie beizulegen.

Luftaufnahme eines russisches Militärcamp in Belarus
Reuters/Maxar Technologies
Luftaufnahmen der letzten Wochen ließen auf verstärkte russische Truppen an der ukrainischen Grenze schließen

Litauen kündigte inzwischen Raketenlieferungen in die Ukraine an. „Wir erhöhen die Zahl der Militärausbildner im Land und statten die Ukraine mit zusätzlichen Waffen und Ausrüstung aus“, kündigte Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte bei einem Besuch in Kiew an. „Stinger-Flugabwehrraketen aus Litauen werden die Ukraine in den kommenden Tagen erreichen. Ich hoffe und wünsche mir aufrichtig, dass die Ukraine sie niemals einsetzen muss.“

Scholz: Russland sollte „Einigkeit nicht unterschätzen“

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz warnte Moskau, die Einigkeit der westlichen Verbündeten nicht zu unterschätzen. „In dieser für uns alle kritischen Situation sollte Russland unsere Einigkeit und Entschlossenheit nicht unterschätzen als Partner in der EU und als Verbündete in der NATO“, sagte Scholz am Donnerstagabend bei einem Treffen mit baltischen Staats- und Regierungschefs in Berlin. „Eine weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine würde sehr schwerwiegende politische wirtschaftliche und strategische Konsequenzen für Russland nach sich ziehen“, so Scholz.

US-Militärausrüstung in Rumänien angekommen

Die US-Regierung kritisierte die Übungen nördlich der Ukraine am Mittwoch als „eskalierende Aktion“. Moskau dementiert Absichten einer Invasion in die Ukraine und fordert im Gegenzug Sicherheitsgarantien. Dabei geht es unter anderem um die Zusage, dass die Ukraine nicht dem westlichen Militärbündnis beitreten darf. Das lehnt die NATO ab. Der Konflikt hat sich in den vergangenen Wochen erheblich zugespitzt, weshalb derzeit diplomatische Bemühungen um eine Entschärfung auf Hochtouren laufen.

Inzwischen sind in Rumänien die ersten Konvois der US-Armee mit Militärtechnik angekommen. Das teilte das rumänische Verteidigungsministerium per Twitter mit. Bilder des Ministeriums zeigten Radschützenpanzer vom Typ Stryker am rumänisch-ungarischen Grenzübergang Nadlac. Rumänien ist ein Nachbarland der Ukraine. Die Transporte sollen Freitagfrüh den US-Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu am Schwarzen Meer erreichen. Von dort aus würden die Geräte an mehrere Militäreinheiten in Rumänien verteilt und bei Übungen eingesetzt, sagte Verteidigungsminister Vasile Dincu.

Insgesamt erwartet Rumänien 1.000 US-Soldaten und -Soldatinnen, die aus dem bayerischen Vilseck entsandt werden sollen. Davon sind die ersten 100 vor wenigen Tagen zur Vorbereitung eingetroffen. In Rumänien sind außerdem seit Jahren ständig 900 US-Soldaten und -Soldatinnen stationiert, unter anderem an der US-Raketenabwehrbasis im südrumänischen Deveselu. Auch Frankreich hat die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten nach Rumänien versprochen. Hierzu gebe es aber noch keine konkreten Pläne, sagte Verteidigungsminister Dincu.

Die Militärführungen in Belarus und Russland hatten immer wieder betont, die Truppenverlegung habe reinen Übungscharakter, sei für niemanden eine Bedrohung und stehe im Einklang mit internationalem Recht. Laut Kreml sollen die russischen Soldatinnen und Soldaten nach Ende der Übung wieder zu ihren Standorten zurückkehren.