EU-Kommissionsgebäude
ORF.at/Peter Prantner
Schlechter Schutz für Whistleblower

EU wirft Österreich Vertragsverletzung vor

Die EU-Kommission hat wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Österreich ist damit aber nicht allein: An insgesamt 24 EU-Staaten habe die Brüsseler Behörde Ende Jänner ein Aufforderungsschreiben verschickt, wie sie am Mittwoch mitteilte.

Österreich hatte für die Umsetzung der Richtlinie bis 17. Dezember 2021 Zeit, nach Brüssel wurde bisher allerdings nichts gemeldet. Beim Whistleblowing geht es um das Aufdecken und Weitergeben von Missständen oder kriminellen Machenschaften durch Insider, die meist als Mitarbeiter einen privilegierten Zugang zu Informationen haben.

Angesichts mehrerer Skandale wie dem Facebook-Datenleck und den Panama-Papers, die erst durch Whistleblower öffentlich geworden waren, legte die EU-Kommission im April 2018 einen Vorschlag zum einheitlichen Schutz der Hinweisgeber vorgelegt.

EU wirft Österreich Vertragsverletzung vor

Eine EU-Richtlinie soll für einen besseren Schutz von Whistleblowern sorgen. Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, weil die Richtlinie vernachlässigt wird.

Eigene Stelle für geheime Informationen

Die Regeln, auf die sich EU-Staaten und Europaparlament 2019 geeinigt haben, decken unter anderem Verstöße gegen EU-Recht im Bereich der Geldwäsche, der Unternehmensbesteuerung, beim Datenschutz, bei der Lebensmittel- und Produktsicherheit, beim Umweltschutz und der nuklearen Sicherheit ab. Die EU-Kommission ermutigte die Mitgliedstaaten, den Anwendungsbereich auszuweiten.

Konkret ist etwa vorgesehen, dass Whistleblower den Weg, wie sie die Verstöße melden, frei wählen können. Sie werden nicht verpflichtet, sich als Erstes an eine Stelle in ihrem eigenen Unternehmen zu wenden. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen eine solche Stelle zwar einrichten, die Hinweisgeber können sich aber auch an eine zuständige Behörde wenden.

„Armutszeugnis“ für Österreich

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International übte scharfe Kritik an Österreich. "Knapp zwei Monate nach der Deadline wurde weder ein Entwurf präsentiert, noch der Begutachtungsprozess gestartet. Das ist ein Armutszeugnis und ein Paradebeispiel, weshalb Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex („Corruption Perceptions Index") (CPI) mit immer schlechteren Ergebnissen konfrontiert ist“, stellte Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von TI Austria in einer Aussendung am Donnerstag fest.

Frances Haugen
AP/Geert Vanden Wijngaert
Whistleblowerinnen wie hier Francis Haugen, ehemalige Mitarbeiterin bei Facebook, sollen mehr Schutz erhalten

Österreich hat nun zwei Monate Zeit, „zufriedenstellend“ auf das Schreiben zu antworten. Geschieht das nicht, kann die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren mit einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“ vorantreiben. In letzter Konsequenz kann die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen.

„Heldinnen der Demokratie“

SPÖ-EU-Abgeordnete und Vizepräsidentin des EU-Parlaments Evelyn Regner begrüßt das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. „Gerade bei uns müsste man doch wissen, wie zentral der Beitrag von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern bei der Aufdeckung von Korruptions-, Steuer- und Umweltskandalen ist“, so Regner in einer Aussendung. „Whistleblowerinnen sind Heldinnen der Demokratie und es ist Aufgabe der Politik, sie endlich umfassend zu schützen.“

„Wir haben schon im Dezember davor gewarnt, dass Österreich das nächste Vertragsverletzungsverfahren riskiert, wenn sich die Bundesregierung nicht bewegt“, kritisierte NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter in einer Aussendung. „Gerade die Chats, die dieser Tage ans Licht gekommen sind, zeigen, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gibt.“ NEOS will bei Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) „nachhaken, welche Teile der Verhandlungen schon fertig sind und welche noch nicht“.