Rohbau einer Wohnsiedlung
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Immokredite

Strengere Auflagen für heimische Banken

Die Preise für Immobilien steigen ungebremst, die Zinsen sind historisch niedrig. In diesem Umfeld sind die heimischen Banken bei den Vergabekriterien für Immokredite im internationalen Vergleich auffällig lax. Um die Stabilität des Finanzmarktes zu sichern, nimmt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) die Geldinstitute nun im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) an die Kandare.

Bisher lediglich empfohlene Kriterien bei der Neuvergabe von Krediten sind ab Mitte 2022 Pflicht. Die Vergabekriterien für Immokredite hätten sich in den vergangenen fünf Jahren „deutlich verschlechtert“, so die OeNB am Freitag. Nun werden sie verschärft. Künftig müssen Käuferinnen und Käufer, die einen Kredit benötigen, mindestens 20 Prozent des Kaufpreises (inklusive Nebenkosten) in Form von Eigenkapital nachweisen können.

Die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen. Für Ausnahmen soll es einen kleinen Spielraum geben. Bestandskredite sind von den Änderungen nicht betroffen.

Grafik zur Entwicklung der Immobilienpreise
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OeNB Fundamentalpreisindikator

Mindestkriterien nicht erfüllt

Derzeit werden in Österreich bei „mehr als der Hälfte“ der vergebenen Kredite die empfohlenen Mindestkriterien „nicht vollständig erfüllt“, sagte OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber. Mehr als die Hälfte der Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer hätte weniger als 20 Prozent Eigenfinanzierungsanteil und fast ein Fünftel wende für die Tilgung der Rate mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens auf. Die Laufzeiten betragen jedoch „nur in wenigen Fällen“ mehr als 35 Jahre.

Seit 2010 haben sich die österreichischen Immobilienpreise laut OeNB um fast 200 Prozent erhöht. Alleine im vierten Quartal 2021 legten sie im Jahresabstand um weitere 12,6 Prozent zu. Die Preise sind laut Nationalbank seit der Finanzkrise stark gestiegen – mit einer deutlichen Beschleunigung in den vergangenen beiden Jahren. Das Kreditwachstum sei in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls stark gewachsen und habe zuletzt knapp sieben Prozent erreicht – auch hier gebe es seit Ende 2019 eine „deutliche Beschleunigung“, so Haber.

Österreich sticht im Europavergleich heraus

Systemrisiken aus Wohnimmobilien sind der Nationalbank zufolge europaweit ein Thema, allerdings sticht Österreich heraus. Das Immobilienpreiswachstum in Österreich ist überdurchschnittlich. „Es geht um die Überbewertung von Wohnimmobilien – das ist kein speziell österreichisches Thema, Österreich ist aber doch auffällig“, vermerkte Haber.

Leere Stadtwohnung
ORF.at/Christian Öser
Die Preise für Wohneigentum haben in Österreich in den vergangenen beiden Jahren deutlich angezogen

Hierzulande sind Wohnimmobilien laut OeNB „um ein Viertel bis ein Drittel“ überbewertet. Zudem sei in Österreich der Anteil des Sektors Baugewerbe, Grundstücks- und Wohnungswesen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 18 Prozent relativ hoch.

Hohe Dynamik, aber keine „Blase“

Es gebe ein lang anhaltendes Preiswachstum und eine Beschleunigung dieser Entwicklung. Der heimische Markt sei aber „stabil“, betonte der OeNB-Vize gleichzeitig. „Wir haben keine Immobilienblase, die zu platzen droht, aber wir haben eine hohe Dynamik bei den Preisen und bei den Kreditvergaben, die in den vergangenen Monaten gestiegen ist und die wir bremsen müssen.“

Die Lage spitze sich zu: „Wir befinden uns in einer Kredit-Preis-Spirale“, hielt OeNB-Abteilungsdirektor Markus Schwaiger fest. Für den Kauf einer durchschnittlichen Wohnung braucht man in Österreich den Angaben zufolge 10,6 Jahresbruttogehälter – noch mehr sind europaweit nur in Tschechien und der Slowakei nötig.

Wohnimmopreise über Euro-Zonen-Durchschnitt

Die Wohnimmobilienpreise lägen „über dem Durchschnitt der Euro-Zone“. Mit Immobilienpreisen von durchschnittlich 4.500 Euro pro Quadratmeter im Neubau bewegte sich Österreich 2020 europaweit an der Spitze – vor Frankreich, Deutschland und Großbritannien. „Diese Preisentwicklung hat sich von der Lohnentwicklung entkoppelt“, strich Schwaiger hervor. Das immer noch historisch niedrige Zinsniveau habe „die Leistbarkeit einige Zeit lang kompensieren können“.

In Österreich gebe es aber immer noch relativ viele – fast 40 Prozent – komplett variabel verzinste Immobilienkredite, in der Euro-Zone liege der Anteil im Schnitt bei nur 14 Prozent. Dort habe man „überwiegend fixverzinste Kredite als Marktstandard etabliert“. Darüber hinaus sind die Fixzinsen in anderen Ländern steuerlich absetzbar.

Umsetzung der neuen Kriterien ab 1. Juli

Die strengeren Vergabekriterien für die heimischen Wohnimmobilienkredite, die der Europäische Rat für Systemrisiken (ESRB) angeregt hat, will das österreichische Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) nun per 1. Juli umsetzen, so das erklärte Ziel. Es gehe darum, „eine Stabilisierung auch weiterhin zu gewähren, nicht das Ruder herumzureißen, sondern rechtzeitig auf die Bremse zu gehen“, so Schwaiger.

Der ESRB wurde 2010 in Reaktion auf die Finanzkrise gegründet und soll als Frühwarnsystem auf Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems in der EU hinweisen. Der Verwaltungsrat steht unter dem Vorsitz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfehlen den Einsatz von rechtlich verbindlichen „kreditnehmer:innenbezogenen Maßnahmen“ in Österreich.