Soldat vor Kampfjet
APA/AFP
Ukraine-Konflikt

Kiew will Luftraum offen halten

Ungeachtet wachsender internationaler Warnungen vor einer militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts hat die Regierung in Kiew angekündigt, den ukrainischen Luftraum offen halten zu wollen. Die niederländische KLM stellte ihre Flugverbindungen mit der Ukraine inzwischen ein. Die AUA beobachtet die Lage.

Die diplomatischen Bemühungen auf höchster Ebene zur Entspannung der Ukraine-Krise verliefen am Samstag erneut im Sand. Angesichts der drastischen Warnungen aus Washington stellen sich die Nachbarländer der Ukraine auf eine weitere Eskalation ein. Polen etwa bereitet sich auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine vor, schrieb Innenminister Mariusz Kaminski am Sonntag auf Twitter. „Dazu zählen auch die Vorbereitungen der Chefs der Gebietsverwaltungen mit Blick auf einen eventuellen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine, die wegen eines möglichen Konflikts in unserem Land Schutz suchen könnten.“

Auch die internationalen Fluglinien beobachten die Lage genau. Am Samstag hatte bereits die niederländische KLM ihre Verbindungen mit der Ukraine zur Gänze eingestellt. Bei der deutschen Lufthansa und ihrer österreichischen Tochter Austrian Airlines wird die Lage beobachtet.

„Zusammen mit den Behörden beobachten wir die Lage in der Ukraine laufend und nehmen gegebenenfalls weitere Anpassungen in unserem Flugplan vor“, erklärte eine Sprecherin von Austrian Airlines auf APA-Anfrage. Die Sicherheit der Crews und Passagiere habe dabei oberste Priorität, betonte sie. Bereits vor einigen Wochen seien Übernachtungen in der Ukraine ausgesetzt worden, und man halte die Aufenthaltszeit der Crews so kurz wie möglich. Ähnliches gilt für den Austrian-Mutterkonzern Lufthansa, der laut Reuters die Lage in der Ukraine sehr genau beobachtet und eine Einstellung des Flugverkehrs prüfe.

Erinnerungen an MH17

Luftfahrtexperten erwarten, dass auch andere westliche Fluggesellschaften ihre Verbindungen in die Ukraine bald einstellen – auch, weil die Versicherungskosten für solche Flüge angesichts der Krise weiter steigen dürften. Hinzu kommt die Erinnerung an den Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 über der Ostukraine im Jahr 2014, bei dem 298 Menschen getötet wurden. Am Sonntag wurde zudem bekannt, dass einer Maschine der ukrainischen Billigairline Skyup von ihrer irischen Leasinggesellschaft in letzter Minute die Fluggenehmigung für die Ukraine untersagt wurde. Das aus Portugal kommende Flugzeug mit dem Ziel Kiew musste daraufhin außerplanmäßig in Moldawien landen.

Keine Bewegung bei Ukraine-Gesprächen

Kein Ergebnis bringt das Gespräch zum Ukraine-Konflikt zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem Amtskollegen Wladimir Putin. Der Westen warnt vor einer möglichen russischen Invasion in die Ukraine, Russland sieht darin Panikmache.

Der Luftraum über der Ukraine soll aber offen bleiben. „Der Staat arbeitet daran, Risiken für Fluggesellschaften auszuschließen“, erklärte das Infrastrukturministerium in Kiew nach einer Krisensitzung am Sonntag. Angesichts eines geplanten Marinemanövers Russlands auf dem Schwarzen Meer rät die Ukraine allerdings vor Flügen in dieser Region ab. Diese Empfehlung gelte von Montag bis Samstag, teilte die ukrainische Luftverkehrsbehörde mit.

Man befürchtet, dass die Ukraine wegen des aktuellen Konflikts mit Russland vom internationalen Flugverkehr abgeschnitten werden könnte. Das Ministerium kündigte auch zusätzliche finanzielle Garantien des Staates für die Branche an. Diesbezüglich liefen auch Konsultationen mit internationalen Partnern. „Wir erwarten, dass sich die Situation in der allernächsten Zeit stabilisiert“, hieß es in einer Aussendung.

Diplomatie tritt auf der Stelle

Die US-Regierung hatte angesichts des derzeitigen russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen Grenze zuletzt eindringlich vor einem möglichen russischen Einmarsch in das Land gewarnt. Der Kreml wolle womöglich schon kommende Woche eine Aktion starten, hieß es aus Washington. Neue Satellitenbilder sollen zeigen, wie offensichtlich weitere russische Militärgeräte in Belarus und Russland nahe der ukrainischen Grenze aufgebaut werden. Zahlreiche westliche Staaten riefen ihre Bürger in der Ukraine zum Verlassen des Landes auf.

Satellitenaufnahme von Pribytki Airbase in Belarus
AP/Planet Labs PBC/Planet Labs PBC
Neue Satellitenbilder sollen die Lage an der Grenze zur Ukraine belegen

Eine explizite Reisewarnung aus Österreich gibt es nicht. Doch es wird zur Vorsicht geraten: „Aufgrund der durch die russischen Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine ausgelösten Spannungen wird zurzeit von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen in die Ukraine abgeraten“, schreibt das Außenministerium. Alle Reisenden und Auslandsösterreicher in der Ukraine sollen sich online registrieren und die Entwicklung der Lage in den Medien aufmerksam verfolgen. Für die Gebiete Donezk und Luhansk sowie für die Halbinsel Krim besteht zudem unverändert eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5).

Am Samstag hatte eine neue Runde diplomatischer Gespräche auf höchster Ebene keinen Durchbruch gebracht. US-Präsident Joe Biden machte bei einem Telefongespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenski erneut klar, dass die USA bei einer russischen Aggression schnell und entschlossen antworten würden. Zuvor hatten er und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nacheinander mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert und versucht, eine Eskalation abzuwenden. Biden warnte Putin eindringlich vor einer Invasion. Putin wiederum kritisierte die Haltung des Westens. Man sei auf keine Sicherheitsforderungen aus Moskau eingegangen. Zudem handle es sich bei den Warnungen vor einem Einmarsch um „provokative Spekulationen“, so Putin.

OSZE-Mission bleibt

Die USA forderten ihre Landsleute in der Ukraine auf, das Land zu verlassen. Auch ein Großteil der Mitarbeiter der US-Botschaft in Kiew wird abgezogen. Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ostukraine war von dem US-Aufruf, die Ukraine zu verlassen, ebenfalls betroffen. Ungeachtet dessen will die OSZE ihre Beobachtungsmission aber fortsetzen.

Die Sonderbeobachtungsmission teilte am Sonntag mit, sie werde ihr Mandat weiter umsetzen und ihre Beobachter in zehn Städten in der ganzen Ukraine einsetzen. Zugleich wurde betont, dass der Sicherheit der Mitarbeiter höchste Priorität eingeräumt werde. Das russische Außenministerium kritisierte die Ausreiseaufrufe an OSZE-Beobachter scharf. Hunderte OSZE-Beobachter sind seit März 2014 in der Ukraine stationiert und sollen vor allem in der Ostukraine die vereinbarte Waffenruhe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten beobachten.

Säbelrasseln auf allen Seiten

In der Zwischenzeit hielten die beteiligten Seiten weiterhin ihre Drohkulissen aufrecht. Am Samstag verließen mehr als 30 Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte die Häfen Sewastopol und Noworossijsk, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf die Marine. Die Übung sei Teil der größer angelegten, geplanten Marinemanöver.

Analyse der Ukraine-Krise

US-Korrespondentin Inka Pieh und Russland-Korrespondent Paul Krisai ordnen die jüngsten Entwicklungen der Ukraine-Krise ein

Auch die US-Luftwaffe rüstete weiter auf: Acht Kampfjets vom Typ F-16 wurden nach Rumänien verlegt. Die Flugzeuge trafen im Luftwaffenstützpunkt Borcea, 150 Kilometer östlich von Bukarest, ein, wie das rumänische Verteidigungsministerium am Freitagabend mitteilte. Sie würden zusammen mit 150 US-Soldaten an gemeinsamen Übungen mit dem rumänischen Militär teilnehmen, hieß es in der Mitteilung. Die Manöver würden zwei Wochen dauern.

Bereits vor einigen Tagen waren vier Kampfjets der US-Marine vom Typ F/A-18 Super Hornet und 50 US-Soldaten in Borcea eingetroffen. Auch sie sollen an der Übung teilnehmen. Rumänien grenzt unmittelbar an die Ukraine. Zudem kündigte das Pentagon an, Anfang kommender Woche weitere 3.000 Soldaten nach Polen zu verlegen. Erst Anfang Februar hatten die USA die Verlegung von 2.000 Soldaten an die NATO-Ostflanke in die Wege geleitet.